Macht der Marke

Markenführung: Beständigkeitvor Kreativität

Wer über den Wert der Marke im Finanzdienstleistungssektor sprechen will, muss ein paar Allgemeinplätze abliefern. Sie lauten: Der Wettbewerb wird immer härter. Man kann nicht nicht kommunizieren. Die Bedeutung der Marke wird weiter zunehmen. Wie kann man diese Aussagen zu einem sinnvollen Ganzen verknüpfen?

Dass der Wettbewerb auf dem deutschen Markt für Finanzdienstleistungen hart ist und bleibt, ist Allgemeingut. Wer sich diesen Umstand vor Augen führen möchte, kann in einer beliebigen deutschen Mittelstadt die Hauptstraße entlang gehen und die Angebote zählen. Ich kenne eine Kleinstadt, in der dies auf geschätzten 500 Metern Entfernung allein sechs Banken sind: zwei genossenschaftliche Institute, zwei öffentlich-rechtliche sowie zwei, die man dem privaten Lager zurechnen würde.

Hinzu kommen Makler, Immobilienmakler, die mit Versicherungen zusammenarbeiten und einiges mehr. Wer mag, kann ja in einer etwas größeren Stadt einmal die anderen Angebote mitzählen: Supermärkte und Discounter, die Versicherungen im Angebot haben, Clubs (zum Beispiel solche, die das Autofahren erleichtern), Autohäuser selbst, die natürlich eine Versicherungspolice und eine Finanzierung im Angebot haben.

Das wäre der offensichtliche Part der Veranstaltung. Wer mag, kann sich noch die schnellen Kundenkredit-Filialen dazu denken, die man in den großen Städten findet. Hinzu kommen die Direktversicherer sowie die Onlinebanking-Angebote bereits etablierter Filialbanken. Sagen wir es positiv: Der Kunde hat die Wahl. Und nichts deutet darauf hin, dass sich das Angebot in absehbarer Zeit wesentlich verknappen wird. Durch eine eventuelle Konsolidierung wird ein solcherart aufgeräumter Markt allenfalls attraktiv für weitere Wettbewerber.

Aus Marketingsicht mindestens ebenso spannend ist der Umstand, dass inzwischen zahlreiche Absetzbewegungen vom klassischen Bankenimage, das man mit Seriosität und Langeweile umreißen kann, existieren. "Das ist nicht normal für eine Bank" mag dafür nur ein besonders deutlicher Ausdruck sein.

Andere Banken treten in ihrem kommunikativen Auftritt, insbesondere bei der Werbung für Konsumentenkredite, ebenfalls den Marsch heraus aus dem Bankenturm an. Oft scheint es gar nicht schrill genug zu gehen. Ein Verhalten, das Versicherungen, die ja mit einem über weite Strecken noch komplizierteren Produkt hantieren, schon vor einiger Zeit an den Tag gelegt haben.

Berührungspunkte mit der Marke ausweiten

Wie sieht also eine vertrauenswürdige Bank aus, so fragt sich der Kunde. Gehört meine Bank dazu? Muss es eigentlich eine Bank sein für die Dinge jenseits des Girokontos? Ebenso kann sich der Versicherungskunde fragen, ob er sich eigentlich einem wie auch immer qualifizierten Berater anvertrauen muss, oder sich nicht lieber selber via Internet- und Stiftung-Warentest-Recherche kümmert. Und woran erkennt er überhaupt eine Bank oder Versicherung? Der Raum für Kundenloyalität wird unter solchen Bedingungen naturgemäß immer enger.

Die bekannte Reaktion auf diese Situation liegt in der Intensivierung der Kundenkontakte: Während Direktbanken zum klassischen Mailing greifen, veranstalten Filialbanken Beratungstage für alles von der Immobilie bis zur Altersvorsorge. Versicherungen hingegen weiten ihre Assistance-Leistungen aus, von der inzwischen etablierten Werkstattzuführung über Hilfeleistungen auf Basis von Rechtsschutzverträgen bis hin zur Unfallpolice mit Service. Die Versicherung gegen Fernseherausfall während fußballerischer Großereignisse zeigt die Richtung an. Mit anderen Worten: Die Berührungspunkte mit der Marke werden ausgeweitet. Die Marke wird mit zusätzlichen Leistungsversprechen aufgeladen.

Erinnern wir uns: Jede Marke enthält ein Versprechen, das in den zahllosen Berührungspunkten mit dem Unternehmen entsteht und im Optimalfall bestätigt wird: Klassische Werbung, Medienberichterstattung und andere PR-induzierte Präsenz, Below-the-line-Aktivitäten. Aber auch der Außenauftritt der Marke beispielsweise in Filialen und Niederlassungen trägt zum Gesamteindruck bei. Marke wird dabei nicht nur als formale Gestaltung im Sinne von Logo beziehungsweise Corporate Design verstanden, sondern als integrierte Vorstellung vom Unternehmen: seinem Selbstbild, dem Bild des Marktes und der Kunden beziehungsweise relevanten Gruppen.

Finanzdienstleister handeln mit Vertrauen

Damit erstreckt sich der Markengedanke auch auf Fragen des sprachlichen Verhaltens, des Außenauftritts im Raum, vor allem aber der Darstellung und Umsetzung der Leistung. Über Harley-Davidson sagt man inzwischen, die Marke verkaufe ein Lebensgefühl, das Motorrad gebe es gratis dazu. Analog dazu gilt für Finanzdienstleister, dass sie mit Vertrauen handeln, die pekuniären Leistungen kommen dazu. Alle diese Facetten des Leistungsversprechens schwingen in der Marke mehr oder weniger mit und geben der starken Marke Vorrang vor der schwachen. Wenn Luhmann "Vertrauen" als Mechanismus der Reduktion von sozialer Komplexität bezeichnete, dann trifft das nicht ganz zufällig genau auch die Rolle der Marke.

Auf welchem Weg die Marke zum Unternehmenserfolg beiträgt, dazu gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Das Marktforschungsinstitut Icon betont den Vorverkaufseffekt einer gut eingeführten Marke (siehe Abbildung). Die Markenberatung Interbrand nennt drei Punkte: Reduktion von Investitionen, höhere Erträge, Reduktion der Kapitalkosten. Die Autoren Hajo Riesenbeck und Jesko Perrey aus dem Hause Mc-Kinsey nennen als drei Grundfunktionen den ideellen Nutzen, die Informationseffizienz und die Risikoreduktion. Diese drei Faktoren zielen stärker auf den Kunden ab, weisen aber indirekt in dieselbe Richtung wie die anderen: Eine starke Marke trägt eine eigenständige Leistung zum finanziellen Unternehmenserfolg bei und reduziert das Risiko von Fehlinvestitionen. Diese Wirkung erstreckt sich nicht nur auf den Markt, also die Kunden, sondern auf Stakeholder generell.

Das erweist sich in der Situation der Mitarbeiterrekrutierung, neudeutsch Employers Branding: Starke Marken haben beim Wettbewerb um Talente Vorteile. Marken als Identifikationsangebot wirken auch nach innen - eine Erfahrung, die bestätigt wird, wenn sich etwas überraschend ändert oder ein Fehlgriff passiert. Da kann dann schon die falsche Farbe auf der Weihnachts-Schokolade zu hektischen Reaktionen führen, und wenn eine neue Division statt gelb mal grün auftritt, be feuert dies bereits die Gerüchteküche. Auch eine Erfahrung: Keine Änderung ohne triftigen Grund.

Prozyklische Wirkung der Markenbewertung

Auch die bilanzielle Berücksichtigung des Markenwerts wird gerne als gutes Argument für eine stringente Markenführung genannt. Ob dies ein wirklich gutes Argument ist, darüber lässt sich streiten in einer Zeit, in der sich in mancher Bilanz der Abschreibungsbedarf rapide vergrößert. Noch gilt der kluge Einwand eines Finanzvorstandes, dass der Wert der Marke immer dann sinkt, wenn man auch sonst Probleme hat - die prozyklische Wirkungsweise der Markenbewertung bekommt man dann immer noch obendrauf, wenn man ohnehin andere Sorgen hat.

Wer oder was sind erfolgreiche Marken? Blickt man auf die Konsumgüterindustrie, ist dies schnell beantwortet. Coca-Cola, Nivea und verschiedene Automarken werden stets genannt. Auch im Medienbereich kann man schnell erfolgreiche Marken ausmachen. Die journalistischen Qualitäten, beispielsweise exzellente Recherche und redaktionelle Unabhängigkeit, tragen mit zur hohen Glaubwürdigkeit bei. Aber beispielsweise auch die Geschichte der Marke Spiegel, angefangen bei der legendären Spiegel-Affäre bis hin zu den zahlreichen Scoops der Vergangenheit, schwingt mit, wenn von der Qualität dieses Mediums die Rede ist.

Emotionale Markenwerte der Finanzdienstleister gehen zurück

Im Bereich der Finanzdienstleistungen ist dies schwieriger. Gründe dafür sind neben der relativen Zersplitterung der Märkte unter anderem auch die oft beklagte, geringe sinnliche Wahrnehmbarkeit seiner Produkte. Die geringe Markenstärke im Finanzdienstleistungsmarkt wurde inzwischen auch wissenschaftlich erhärtet. Tatsache ist, wie insbesondere die Icon-Fachleute mehrfach konstatierten, dass die Zahl der beworbenen Marken im FDL-Markt ein gleichbleibend hohes Niveau hat, dass zahlreiche Marken einen größeren Marktanteil als Bekanntheitsgrad haben - was heißt, dass Kunden dort Verträge haben, ohne sich dessen bewusst zu sein, dass emotionale Markenwerte seit Anfang des Jahrhunderts im Bereich der Finanzdienstleister kontinuierlich zurückgegangen sind, dass das Werben um Vertrauen für spartenübergreifende Angebote, also genau jene Ideen, die mit den Begriffen Allfinanz oder Bankassurance verknüpft sind, weitgehend verpufft ist.

Was sind die wesentlichen Hürden für einen erfolgreichen Markenauftritt? Was gefährdet Marken?

Häufig sind es Ereignisse der großen Unternehmenspolitik, die auf die Marke durchschlagen. Das sind Strategiewechsel, die, je schneller und je abrupter, desto schädlicher für die Marke werden. Fusionen und Akquisitionen bringen oftmals eine Markenarchitektur ins Wanken, neu erworbene Marken werden einsortiert, ohne ihnen einen exakt definierten Platz zuzuweisen, im schlimmsten Fall lässt man interne Konkurrenzverhältnisse kommentarlos bestehen oder bezeichnet das als beabsichtigten Wettbewerb um den Kunden.

Kritisch sind Überdehnungen, Situationen, in denen Marken für etwas stehen müssen, was sie nicht glaubwürdig verkörpern. Gerade im Bankensektor hat das manche Marke stark beansprucht - und Ressourcen verlangt, die am Ende verloren waren. Zahlreiche Versuche, spartenübergreifend aktiv zu werden, führen zu Überdehnungen.

Schwieriger zu erkennen ist eine Easy-Going-Haltung, die darauf hinausläuft, dass es schon nicht so schlimm sein wird, wenn mal nicht alles markenkonform ist. Hausfarbe nicht getroffen - nicht so schlimm, Bildsprache haarscharf verpasst - sei´s drum. "Die Kunden wissen doch, mit wem sie es zu tun haben", lautet der oft gehörte Einwand. Ja, wenn man bis ins Bewusstsein vordringt. Wer aber wertvolle Markenerinnerung verschenkt, der wird gar nicht mehr registriert.

Nicht zu kommunizieren ist unmöglich

Inzwischen trudeln laufend neue wissenschaftliche Belege dafür ein, wie wichtig ein exakt getroffener Eindruck in den ersten Momenten der Kommunikation ist. Sei es der erste visuelle Eindruck, der in Bruchteilen von Sekunden entsteht, sei es der richtige sprachliche Ausdruck, der darüber entscheidet, ob wir das wahrgenommene als positiv und relevant einordnen. Gerade dann also, wenn die Berührungspunkte mit dem Kunden intensiviert werden, muss der Eindruck sofort sitzen, damit es kein Nullsummenspiel wird.

Und hier gilt dann, dass man nicht nicht kommunizieren kann, sondern allenfalls schlecht. Denn auch ein schlechter Eindruck ist ein Eindruck, auch ein Medium, das die Marke nicht stärkt, sondern schwächt, transportiert eine Information.

Merkfähigkeit hilft

Eng verwandt ist der weit verbreitete Wunsch, mal etwas Neues zu machen. Zu schnell entsteht ein Gefühl der Langeweile, sodass dringend am Bestehenden geschraubt werden muss. Dass die eigene und die Sicht der Kunden weit auseinanderklaffen, dass der Kunde die Marke erst bemerkt, wenn man selbst den eigenen Auftritt schon für tot hält, diese Einsicht greift nur langsam Platz. Dass Markenführung nur bedingt etwas mit Kreativität zu tun hat, auch das ist manchmal schwer zu vermitteln. Dennoch geht es - auch im Finanzdienstleistungsbereich. Und die erfolgreichen Marken geben Hinweise, wie es gehen kann.

Integration: Die ING-Diba hat es vorgemacht. Jedes relevante Medium ist konsequent gestaltet und verweist auf den Grundgedanken der Kampagne, derzeit mit dem Testimonial Dirk Nowitzki. Farben und Motive verweisen aufeinander. Auch die Fusionsmarke HDI-Gerling hat in den ersten Jahren ihres Bestehens auf einen festen Kanon von Farbe, Typografie, Layout und Bildwelt gesetzt, der sich durch sämtliche Anwendungen durchzieht. Zu nennen wären in der Ausbaustufe noch zum einen der Corporate Sound, auch dies Anwendungsfelder, in denen ein "Dibadiba du" für konsequente Integration stehen. Zum anderen Claims, die erfahrungsgemäß dann am besten tragen, wenn sie den Markennamen bereits integrieren. Merkfähig im Sinne der Marke sind Klassiker wie "Keine Sorge, Volksfürsorge" und "Hoffentlich Allianz". "HDI. Hilft Dir Immer" knüpft dort an. Aber: Die Bekanntheit eines Claims ist nicht gleichbedeutend mit der richtigen Zuordnung zu einer Marke.

Hubschrauber-Spot der Sparkassen: konsequent und kreativ

Bilder: Das Angebot an Leitmotiven in der Werbung wächst. Von aktionistischen Motiven wie dem "Hinke"-Bild der R+V-Versicherungen bis zu Klassikern wie dem "Fels in der Brandung" oder dem Schutzschild der HUK Coburg. Erfolgreiche Marken schaffen Bilder im Kopf der Rezipienten, die sich dauerhaft verankern. Nicht jedes erreicht im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit den Status des Klassikers, aber es gibt einige erfolgreiche Neuzugänge wie das Zählwerk der Bausparkasse Schwä-bisch-Hall.

Konsequenz? Kreativität? Oder was? Regelmäßig wird Kreativität in Gegensatz zu Markenzielen oder Verkaufswirkung gebracht. Eine Untersuchung von Mc-Kinsey, dem ADC und der Berlin School of Creative Leadership sortierte Marken unter anderem nach den Kriterien "Kreativität" (exciting oder boring) und dem Marktanteil (Winner oder Loser). Vier von sieben untersuchten Finanzdienstleister wurden der Gruppe der boring Losers zugeordnet. Die anderen vier Felder waren mit je einer Finanzdienst-leister-Marke besetzt. In den Content Fit, die Passung von Werbeauftritt und Produkt, gingen bei dieser Studie auch typische Markenfaktoren wie Relevanz, Differenzierung und Konsistenz.

Die im Markt erfolgreichen Kampagnen von Finanzdienstleistern der letzten Jahre waren ebenso konsequent im Markensinn wie kreativ, wobei der Grundgedanke eben nicht auf die pure Unterhaltsamkeit setzte. Den Effekt "Ich habe einen total guten Spot gesehen, aber das Unternehmen vergessen" können diese Kampagnen vermeiden.

Zu nennen wäre beispielsweise die Dachmarkenkampagne der öffentlich-rechtlichen Anbieter (hier besonders der Hubschrau-ber-Spot).

Controlling, was bekanntlich nicht Kontrolle bedeutet: Keine Marke kann ohne innere und äußere Steuerung weiter wachsen. Nach innen heißt das, im Haus für die Marke zu werben und die Durchdringung des eigenen Hauses mit den Grundgedanken voranzutreiben und zu prüfen. Nach außen heißt es, die Markenführung auf Basis möglichst exakter Daten zu betreiben.

Nicht nur eine gestalterische Angelegenheit

Ganzheitliches Markenverständnis: Noch denken viele Entscheider an das Logo, wenn von der Marke die Rede ist. Diese buchstäblich zweidimensionale Sichtweise eckt immer dann an, wenn die Marke aus Mangel an Überlegung in einem Kontext erscheint, der nicht mehr passt. Dann richtet sich die Aufmerksamkeit nicht mehr auf unschlagbare große Kooperationspartner und dazugehörige kleine Kompromisse, sondern auf das kommunikative Ergebnis. Marke als gebündeltes Leistungsversprechen und Differenzierungszeichen kann nicht nur als eine gestalterische Angelegenheit betrachtet werden, sondern muss in den Unternehmenswerten verankert werden.

Marken sind der Bezugsrahmen, der Unternehmen, Leistungen und Versprechen auch aus Sicht der Kunden zusammenhalten. Wer diese Sicht aufgibt, macht sich von vornherein kleiner, als er ist. Wer Zukunftsthemen erschließen will, kommt am Markenbegriff nicht vorbei. sei es Elitemarketing, B2B oder generell Zukunftswerte und -themen. Marke ist nicht der Passepartout, aber ohne die Marke wird keine dieser Türen dauerhaft zu öffnen sein.

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