Blickpunkte

Anlageberatung - Umstrittene Ampel

Üblicherweise nehmen Verbraucherschützer für sich in Anspruch, die Menschen in ihren Finanzangelegenheiten besser, weil neutral zu beraten. Dass dies nicht immer der Fall sein muss, zeigt die einstweilige Verfügung gegen die Verbraucherzentrale Hamburg, die das Landgericht Berlin am 14. August erlassen hat. Sie darf seitdem ihre erst im Juni 2009 herausgegebene Informationsbroschüre "Ampelcheck Geldanlagen", für die bereits eine zweite Auflage von 5 000 Stück in Vorbereitung war, nicht mehr vertreiben. Stein des Anstoßes: In dieser Publikation hatten die Verbraucherschützer Kapitallebensversicherungen und private Rentenversicherungen sowie Rürup-Renten als Rentenversicherungsverträge als für die Altersvorsorge ungeeignet bezeichnet. Dagegen hatte die Debeka erfolgreich geklagt.

Die hinter der Publikation stehende Idee, Verbrauchern eine schnelle Orientierung im Dickicht der Geldanlagen zu ermöglichen, ist zweifellos lobenswert. Nachdem die BaFin bereits zu dem Schluss gekommen war, eine Ampelkennzeichnung von Finanzprodukten sei aufgrund der Komplexität der Thematik kaum zu realisieren, war es freilich mutig von den Verbraucherschützern, dies zu versuchen - selbst wenn man ihnen zugesteht, dass "Insider" sich oft unnötig in allzu viele Aspekte verstricken und den Blick für mögliche Vereinfachungen verlieren.

Dennoch: Wenn man Produkte schon nach den Kriterien Sicherheit, Rendite, Liquidität und Transparenz mit grün (empfehlenswert/unbedenklich), gelb (Risiko oder Nachteil vorhanden) oder rot (Achtung Gefahr! ) kennzeichnen wollte, hätte man dabei zumindest nach Geldanlage und Altersvorsorge sowie nach Anlegertypen differenzieren müssen. Dies aber wurde in der Broschüre im Hinblick auf Übersichtlichkeit unterlassen. Dass etwa Liquidität bei einer grundsätzlich langfristig angelegten Altersvorsorge eine weitaus geringere Rolle spielt als bei einer Geldanlage und ein Aktienfonds nicht für alle Kunden gleichermaßen in Frage kommt, sind Binsenweisheiten, die in (fast) jedem Beratungsgespräch zur Sprache kommen, auf die hier aber verzichtet wurde.

Als Ergebnis dieser zweifellos in bester Absicht erfolgten Vereinfachung sind die Ampelanzeigen zweifelhaft. Warum Lebensversicherungen in puncto Sicherheit mit "gelb/rot" bewertet werden, Aktienfonds dagegen mit "rot/grün" erschließt sich kaum - ganz abgesehen davon, dass offen bleibt, was der Verbraucher mit der Kennzeichnung "rot/grün" anfangen soll.

Verschiedene Organisationen und Verbände - nicht nur aus der Versicherungswirtschaft - haben denn auch vor allem methodische Bedenken gegenüber der Broschüre geäußert. Aus Sicht der Verbraucherzentrale Hamburg geht es bei der Auseinandersetzung hingegen vor allem um die grundsätzliche Frage, ob eine kritische Position zu den Angeboten der Versicherungswirtschaft erlaubt ist. Gegen die - ohne Anhörung der Verbraucherschützer ergangene - einstweilige Verfügung wurde deshalb Widerspruch eingelegt. Ein Faktum bleibt in jedem Fall bestehen: Auch Verbraucherschützer können bei der Finanzberatung Fehler machen. Die Verbraucherzentrale Hamburg etwa hatte noch im Juli 2008 Tagesgeldkonten der Kaupthing Bank empfohlen. sb

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