Personalpolitik

Nachwuchskräfte: Chancen durch Digitalisierung und Regulierung

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Im Wettbewerb um Nachwuchskräfte tun sich Banken und vor allem Sparkassen im Vergleich zu anderen Branchen eher schwer. Das gilt vor allem bei der Gewinnung der in Zeiten der Digitalisierung so dringend benötigen kreativen Studienabsolventen mit Gründer- und Unternehmergeist. Um sich diesen Talenten als attraktive Arbeitgeber zu präsentieren, müssen Banken auf veränderte Bedürfnisse reagieren, so Hans-Jürgen Walter. Dazu gehört der Wunsch nach Verantwortung sowie kreativen Aufgaben. Dass sich durch die zunehmende Regulierung sowie die Digitalisierung die Jobprofile verändern, kann Banken und Sparkassen nach Einschätzung des Autors dabei nur helfen. Red.

Drei Namen stehen für das aktuelle Spannungsfeld in der Finanzbranche:

John Cryan stellt mit der Deutschen Bank gerade eines der größten Finanzinstitute der Welt neu auf. Mario Draghi setzt als Kopf der EZB auf eine striktere Bankenaufsicht und niedrige Zinsen. Last but not least, Antony Jenkis, Ex-Vorstandsvorsitzender der britischen Barclays Bank, sagt Fintechs einen rasanten Aufstieg und damit sinkende Marktanteile für etablierte Institute voraus. Alle drei wirken auf die Zukunft einer ganzen Industrie ein, die sich grundlegend wandelt.

Wettbewerb annehmen

Angesichts umfangreicher Umbauprogramme vieler Institute ist noch nicht klar, wohin die Reise geht. Doch sicher ist, Banken und Finanzdienstleister brauchen auch künftig fähige Mitarbeiter. Sie müssen flexibel mit Herausforderungen wie der fortschreitenden Digitalisierung umgehen können. Auf sie warten spannende Aufgaben und neue Entfaltungsmöglichkeiten.

Wer den Nachwuchs fragt, erkennt, dass die Finanzbranche stark mit anderen Industrien um die besten Köpfe konkurriert. Sieben Prozent der deutschen Wirtschaftsstudenten sehen laut "Student Banking Survey 2015" von Deloitte Geldinstitute unter den Top 5 der attraktivsten Arbeitgeber. Im Vergleich zu den Vorjahren konnte der Finanzsektor damit Platz 3 hinter der Automobil- und Konsumgüterindustrie wieder zurückerobern. Im Durchschnitt dominieren jedoch BMW, Audi und Porsche, gefolgt von Google und Volkswagen das Ranking unter den Studenten. Wer sich eine Bankkarriere vorstellen kann, interessiert sich zudem zuerst für J.P. Morgan, gefolgt von der Deutschen Bank, Goldman Sachs und der Sparkassen-Finanzgruppe. Die vordere Platzierung für J.P. Morgan lässt sich auf das starke Employer Branding und weitreichende Marketingausgaben des US-Instituts zurückführen.

Sparkassen in der Beliebtheit deutlich abgeschlagen

Obwohl die Sparkassen mit rund 300000 Stellen weitaus die meisten Jobs bieten, rangieren sie in der Beliebtheit deutlich hinter den anderen Geldhäusern. Dabei sind sie gut aufgestellt und bieten wie die meisten anderen Banken vielfältige Karrierechancen und Aus- und Weiterbildungsangebote.

Ein Grund für ihre Platzierung: Die Sparkassen agieren zwar wie die anderen professionell, aber nicht geschlossen. Jedes Institut hat einen eigenen Auftritt mit eigenen Schwerpunkten. Durch das uneinheitliche Bild werden die Sparkassen nicht als großer und schlagkräftiger Marktteilnehmer wahrgenommen. Ihnen werden zudem kaum Aussichten auf eine internationale Karriere zugeschrieben. Das gelingt Vertretern wie der Deutschen Bank und der Commerzbank deutlich besser.

Veränderte Bedürfnisse ansprechen

Mit Blick auf Karriereziele, Ambitionen und Erwartungen zeigt sich: Banken und Finanzinstituten fällt es schwerer als anderen, kreative Absolventen mit Gründer- und Unternehmergeist für sich zu gewinnen. Für den Wettbewerb mit neuen Marktteilnehmern aus anderen Branchen und aufstrebenden Fintechs sind jedoch gerade diese Fähigkeiten gefragt.

Um sich bei diesen Talenten als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, müssen die Geldhäuser auf veränderte Ansprüche eingehen. Denn die Prioritäten der jungen Generation verschieben sich weiter, das zeigen auch die Gehaltsvorstellungen der Wirtschaftsstudenten. So erwarten die Absolventen knapp 42 500 Euro Jahreseinkommen im ersten Job. Dieser Wert liegt klar unter dem der Studenten, die sich den Einstieg in die Bankbranche und ins Investment-Management vorstellen können - diese wünschen sich rund 6 000 Euro beziehungsweise etwa 8 000 Euro mehr pro Jahr.

Geld allein macht kreative Köpfe nicht glücklich - so sehen es zumindest viele der Nachwuchskräfte. Ihnen sind andere Dinge wichtiger:

- Sie legen Wert auf Verantwortung und suchen den Aufstieg in Führungspositionen.

- Sie wollen kreative, anspruchsvolle und herausfordernde Tätigkeiten

- sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Bei den Bedürfnissen der Absolventen müssen die Institute ansetzen, um sich im Wettbewerb um die Besten behaupten zu können. Schließlich brauchen sie in Zukunft jene Mitarbeiter, die Innovationen treiben und technisch umsetzen können.

Nur mit ihnen werden sie langfristig bestehen: Neue Marktteilnehmer und Fintechs machen ihnen vom Retail Banking über Investment Management bis hin zum Kapitalmarktgeschäft Anteile streitig. Gleichzeitig verlangen neue Regularien mehr Risikomanagement und eine Optimierung von Kernbankprozessen.

Um für diese Herausforderungen die richtigen Mitarbeiter für sich zu gewinnen, müssen Banken zeigen, wie dynamisch ihr Arbeitsumfeld ist. Sie sollten in ihrem Employer Branding etwa auf die Entwicklung innovativer Produkte und Leistungen fokussieren. Nicht zuletzt gilt es, Möglichkeiten zur kreativen Entfaltung aufzuzeigen. In vielen Instituten heißt das, weiter an neuen Strukturen, Prämien- und Incentive-Modellen sowie an der Führungskultur zu arbeiten. Sie müssen Silos weiter aufbrechen, agiles Arbeiten ermöglichen und verdeutlichen, wo bei Kernbankprozessen spannende Aufgaben warten.

Auf Erfolgen aufbauen

Banken können in vielen Fällen auf dem bereits Geleisteten aufbauen. Denn bei einigen zeigen Investitionen und Maßnahmen zur Erhöhung der Jobattraktivität schon Wirkung. Neben Entwicklungsmöglichkeiten und familienfreundlichen Arbeitsbedingungen ist das vor allem im Bereich der Digitalisierung des Bankgeschäfts offensichtlich. So verdeutlicht das Lünendonk Branchendossier "Banken - Den digitalen Wandel gestalten", dass die Deutsche Bank und die Commerzbank bereits einen hohen digitalen Reifegrad besitzen. Und wenn auch manche Geldhäuser noch Nachholbedarf haben, führt kein Weg daran vorbei, über alle Bereiche hinweg Prozesse und Strukturen zu digitalisieren.

Die Institute müssen die Organisationskomplexität reduzieren, Reportings optimieren und immer größere Datenmengen - etwa durch behördliche Vorgaben - sinnvoll verarbeiten. Dafür ist es erforderlich, den Blick zu weiten und eine Transparenz über alle Geschäftseinheiten - von Kreditwesen, Wertpapierhandel bis hin zum Zahlungsverkehr und Retail Banking - zu schaffen. In diesen Punkten stecken jene spannenden Aufgaben, die für junge, kreative Wirtschaftsstudenten besonders attraktiv sind.

Mit dem Klischee des Schalterbeamten abschließen

Zunächst sollten Banken diese Entwicklung als Chance begreifen: Sie können beruhigt auf ihre eigene Geschichte zurückblicken und an bewährte Strategien anknüpfen. Schließlich verändert sich der Finanzsektor nicht erst seit der digitalen Transformation. Schon immer passen sich die Institute an neue Kundenanforderungen an. So haben sich Arbeit und Aufgaben von Filialen bereits grundlegend gewandelt, Online-Banking ist etabliert und das Beratungsgeschäft steht im Fokus.

Wenn Kunden heute immer seltener in die Niederlassung kommen, sondern verstärkt neue Kanäle und Interaktionswege suchen, schreibt dies nur die Entwicklung der letzten gut 20 Jahre fort. Die Lünendonk-Untersuchung zeigt, dass Vertrieb und Service über mobile Plattformen aus Sicht der Bankmanager mittlerweile eine sehr hohe Bedeutung zukommen. Rund 60 Prozent aller privaten Bankgeschäfte werden bereits per Internet erledigt und mehr als ein Drittel der Kunden wickelt Transaktionen über Smartphones und Tablets ab. Für einfache Vorgänge bevorzugen die Konsumenten mehr und mehr digitale Kanäle und sie informieren sich dort über komplexe Produkte, bevor sie zur Beratung in die Filiale kommen.

Bei aller Digitalisierung kommt es aber letztlich doch auf die persönliche Betreuung durch kommunikative und kompetente Berater an - das schließt endgültig mit dem Klischee des "drögen" Schalterbeamten ab. Gefragt sind Experten, die sich zum einen tief in die Situation ihrer Kunden einfühlen können, Sicherheit und Vertrauen vermitteln. Zum anderen müssen sie versiert mit modernen Technologien umgehen und basierend darauf etwa passende Anlagestrategien für ihre Klienten entwickeln.

Daraus ergibt sich ein Jobprofil, das sehr gut mit den Anforderungen des Nachwuchses zusammenpasst. Es sind neue Lösungen gefragt, die mit Blick über den Tellerrand umgesetzt werden.

Attraktiveres Jobprofil durch digitalen Wandel und Regulierung

Auch die fortschreitende und striktere Regulierung schlägt in diese Kerbe: Was auf den ersten Blick etwas trocken anmutet, fordert umfassende Expertise und kreative Weitsicht. So schließen die Vorgaben der Aufsichtsstellen den Kreis zwischen Regulierung und Digitalisierung. Ein leistungsfähiges Berichtwesen lässt sich nur mit der passenden IT, hochwertigen Datensätzen sowie geeigneten Analytics-Systemen umsetzen. Ziel ist es, einen Großteil der Pflichtberichte und internen Reportings zu automatisieren. So lassen sich Ressourcen verstärkt für wertschöpfende Tätigkeiten einsetzen. Denn die Datenerhebung und Risikoabwägung ist eben nicht nur eine lästige Pflicht, sondern beinhaltet stets auch die Chance auf bessere Entscheidungen und neue Geschäfte. Diese zu finden und zu nutzen, bedarf es geeigneter Mitarbeiter.

Abschließend lässt sich festhalten: Die Aufgaben, die sich im exemplarisch dargestellten Spannungsfeld Cryan - Draghi - Jenkis für die Branche aufzeigen, sind vielfältig und bestimmt nicht einfach zu lösen. Dabei bleibt abzuwarten, welche Rolle die neuen Marktteilnehmer und Start-ups langfristig tatsächlich spielen werden. Etablierte Institute müssen sicher nicht in Panik geraten, wenn Technologieriesen über einen Brancheneinstieg nachdenken. Schließlich kennen sie ihr Geschäft besser als jeder andere. Klar ist aber auch, dass sie ihre Prozesse und Organisationen anpassen müssen, damit sie diesen Vorsprung behalten. Sie brauchen eine IT-Landschaft, mit der sich neue Wege in der Kundenansprache gehen und innovative Produkte entwickeln lassen. Und gerade in diesem Umfeld können sie Jobs und Entwicklungsmöglichkeiten bieten, um engagierte Nachwuchskräfte für sich zu gewinnen.

Zum Autor

Hans-Jürgen Walter, Leiter Financial Services Industry, Deloitte & Touche GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München

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