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Digitalisierung erfordert Neuqualifizierung

Nicole Gaiziunas , Foto: XU Group

Die Finanzbranche gehört zu den Vorreitern, wenn es darum geht, ihre Mitarbeiter zu schulen, um sie für die Digitalisierung fit zu machen. Dabei geht es nicht nur darum, die Mitarbeiter im Umgang mit neuen Technologien zu schulen, sondern es entstehen ganz neue Jobprofile, die Programmierkenntnisse mit Prozessen im Unternehmen verbinden und damit auch Arbeitsplätze sichern. Als Beispiel nennt die Autorin den "Customer Success Specialist" für kundenorientierte Serviceprozesse oder den "Scaled Agilist" für agile Arbeitsstrukturen. Red.

Die Finanzbranche steckt mitten in einem großen Transformationsprozess. Banken und Finanzdienstleister müssen sich jetzt zu Tech- und Softwareunternehmen entwickeln, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen. Dabei sollten sie das Reskilling ihrer Mitarbeiter nicht vergessen, denn nur, wenn sie diese beruflich neuqualifizieren, kann die Modernisierung wirklich gelingen.

Wenn Unternehmen in Highspeed-WLAN, hochwertige Endgeräte und Digitallösungen investieren, ist das ein wichtiger Modernisierungsschritt, doch er allein wird nicht ausreichen, um zukunftsfähig zu sein. Denn bei dieser großen Transformation müssen vor allem die Menschen mitsamt ihren verschiedenen Perspektiven und Bedürfnisse mit auf die Reise genommen werden. Viele von ihnen haben Existenzängste und befürchten, dass die neuen Technologien ihren Job ersetzen. Das mag in einigen Bereichen zutreffen, doch gleichzeitig bietet die Modernisierung viele neue Jobprofile mit hervorragenden Perspektiven. Deshalb ist es jetzt wichtiger denn je, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter auf die neuen Zukunftsjobs vorbereiten und ihnen Know-how und Kompetenzen in relevanten digitalen und technologischen Themen vermitteln. Das sichert nicht nur Arbeitsplätze und bietet berufliche Perspektiven, sondern den Unternehmen auch eine wirtschaftliche Teilhabe und Wettbewerbsfähigkeit.

Lebenslanges Lernen wird immer wichtiger

In welchen Dimensionen der digitale Wandel sich auf Arbeitsplätze auswirkt, ist bereits vielfältig untersucht worden: Nach Schätzung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales müssen sich beispielsweise 40 bis 50 Prozent aller Beschäftigten schon bis 2030 in einem digitalen Jobprofil neuqualifizieren. Neben der Erstausbildung sind weiterbildende Qualifikationen also für eine Mehrheit deutscher Arbeitnehmer integraler Bestandteil ihres Bildungsweges: Stichwort lebenslanges Lernen.

Die Bundesregierung hat das Potenzial von Weiterbildung in digitalen Kompetenzen schon lange erkannt und mit dem Arbeit-von-morgen- und dem Qualifizierungschancengesetz bereits passende Weichen gestellt: Sowohl Beschäftigte als auch Unternehmen, die in die Weiterbildung und Neuqualifizierung investieren, können dies großzügig fördern lassen. Bei kleineren und mittelständischen Betrieben werden übrigens bis zu 100 Prozent der Kosten getragen. Laut dem Reskilling Index,* einer Umfrage, die XU gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Civey durchgeführt hat, wissen jedoch 68 Prozent der mittelständischen Unternehmen noch nicht einmal, dass es diese staatlichen Fördergelder überhaupt gibt. Auch Konzerne sind mit knapp 47 Prozent nicht ausreichend darüber informiert.

Finanzbranche als Vorreiter

Laut Reskilling Index kennt rund die Hälfte aller deutschen Unternehmen nicht die Möglichkeit, die eigenen Mitarbeitenden in digitalen Skills zu qualifizieren. Sie investieren ambitioniert in Systeme, Prozesse und Digitallösungen und denken, sie seien damit ausreichend für die digitale Zukunft gerüstet. Das ist ein fataler Irrtum. Denn die Wirtschaft braucht diese digitalen Fähigkeiten nicht etwa erst in ein paar Jahren, sondern genau jetzt! Zwar werden sich die Aufgaben durch die Digitalisierung verändern, es wird in den meisten Unternehmen aber weiterhin viele - neue, digitale - Arbeitsplätze geben.

Wegen der Digitalisierung muss sich niemand in der Banken- und Finanzbranche Sorgen um seinen Job machen. Immerhin ein knappes Drittel aller deutscher Unternehmen nutzt inzwischen Reskilling, um die Beschäftigten fit für die neue digitale Arbeitswelt zu machen. Vor allem Versicherungs- und Finanzdienstleister haben die Notwendigkeit bereits erkannt und gehören laut der Umfrage sogar zu den Reskilling-Vorreitern in Deutschland. Um Mitarbeiter fit für die Anforderungen der Zukunft zu machen, bieten sich dabei verschiedene Lernprogramme zu Coding, Software Engineering und Data Science an.

Neue Jobprofile sichern Arbeitsplätze in der Finanzbranche

Es gibt mehrere wichtige Jobprofile, die für das Bankwesen in Zukunft relevant sein werden.

  • Dazu gehört unter anderem der "Customer Success Specialist", der über ein allgemeines Verständnis für kundenbezogene Serviceprozesse sowie über Kenntnisse verfügen sollte, wie diese nach neuesten Standards technologisch umgesetzt werden können.
     
  • Des Weiteren wird der Job des "Citizen Developers" immer wichtiger. Zu seinen Kompetenzen zählt ein allgemeines Verständnis für Software Development und Technologiemanagement. Auch sollte er über tiefergehende Kenntnisse im Bereich IT- und Biz-Architektur sowie Programmierung verfügen.
     
  • Ebenso zukunftsrelevant ist der "Scaled Agilist" mit der Fähigkeit, starre Strukturen aufzubrechen und das Unternehmen mithilfe agiler Methoden zum Erfolg zu führen.
     
  • Aber auch der System "Architect" wird zu den wichtigen Jobprofilen bei Banken zählen. Sie oder er sollte über Kenntnisse im Bereich Software-Engineering und -Architektur verfügen, um die Geschäfte des Unternehmens mithilfe digitaler Technologien effizienter zu gestalten.

Transformation gelingt nur mit Kommunikation und Austausch

Unternehmen, die frühzeitig mit der digitalen Neuqualifizierung ihrer Belegschaft starten, werden ihre Modernisierungsziele schneller erreichen, wenn sie auf existierende Ressourcen zurückgreifen, als auf dem hart umkämpften Fachkräftemarkt nach neuen Mitarbeitenden zu suchen. Dabei hilft ein strategisch aufgesetzter Reskilling-Plan, mit dem es Unternehmen schaffen können, ihre Belegschaft zu motivieren, um diese schneller für neue digitale Prozesse und Tools zu öffnen.

  1. Vorbereitung - Mit einem Engagement-Konzept die Mitarbeitenden motivieren: Die interne Kommunikationsabteilung und das Management sollten dabei eine tragende Rolle einnehmen. Nur so kann es gelingen, die Beschäftigten während des Prozesses immer wieder zu motivieren und zu informieren. Denn wie auch der Reskilling Index zeigt, ist deren fehlende Bereitschaft mit knapp 22 Prozent in vielen Unternehmen oft eine große Hürde, um ein Reskilling-Programm umzusetzen. Knapp 20 Prozent der Befragten gaben an, dass ein Mangel an Motivation in der Mitarbeiterschaft der Modernisierung im Wege steht.
     
  2. Ängste nehmen - Es wird immer Menschen geben, die mit der digitalen Transformation einen großangelegten Stellenabbau befürchten. Gerade diese brauchen eine transparente Kommunikation von Anfang an. Wenn sie verstehen, dass sich Jobprofile ändern und dadurch neue entstehen, werden sie der Modernisierung gegenüber offener sein. Es gilt deshalb, den Menschen Ängste zu nehmen und deutlich zu machen, dass es das oberste Ziel ist, Arbeitsplätze zu erhalten.
     
  3. Kommunikation - Regelmäßiger Austausch stärkt das Vertrauen. Zum Start des Transformationsprogrammes sollte ein Kick off Event stattfinden, in dem das Konzept vorgestellt wird und Fragen direkt beantwortet werden können. Webinare und Community-Plattformen, wie zum Beispiel das Intranet, haben sich für einen transparenten Austausch bewährt. Denn wenn Führungskräfte und Teilnehmer immer wieder einen authentischen Einblick zu den Fortschritten der Qualifizierungsmaßnahmen geben, stärkt das das Vertrauen.
     
  4. Digital Readiness Check - Bedarfsorientierte Neuqualifizierung motiviert. Wer herausfindet, wie digital fit die Belegschaft ist, kann zielgerichteter neuqualifizieren und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse besser eingehen. Dazu bieten sich Fragebögen oder direkte Mitarbeitergespräche an. Auch Wissens-Assessments bei gezielten Qualifizierungen von Spezialisten sind empfehlenswert, um die richtigen Talente für die neuen Jobs im Unternehmen zu identifizieren und niemanden zu überfordern.
Finanzbranche Vorreiter beim Reskilling Quelle: XU Group, Reskilling-Index 2021
Finanzbranche Vorreiter beim Reskilling Quelle: XU Group, Reskilling-Index 2021

Finanzinstitute, die ihre Mitarbeiter dazu befähigen, mit einem agilen Mindset auf die Herausforderungen und neuen Geschäftsmöglichkeiten zu reagieren, werden es schaffen, ihren Konkurrenten in Zukunft auf Augenhöhe zu begegnen und gleichzeitig im Kundenkontakt sowie Vertrieb auf Bedürfnisse mithilfe digitaler Lösungen zu antworten. Dabei werden neue Technologien und Programmierkenntnisse eine ebenso große Rolle spielen wie das Verständnis für moderne Marketingstrategien oder Customer Centricity.

* Reskilling Index 2021: Repräsentative Civey Online-Befragung von Entscheidern im oberen Management (C-Level) und Personalwesen, Stichprobengröße: 1 500 bis 1 700 Personen Zeitraum: 2. bis 25. Februar 2021.

Nicole Gaiziunas , Geschäftsführerin , XU Group GmbH, Berlin

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