DIGITALISIERUNG

Multikanal für das Banking der Zukunft - es lohnt sich

Lars Dannheim, Foto: privat

Durch die Digitalisierung wandelt sich die Rolle der Filiale. Darauf hat sich die Braunschweigische Landessparkasse seit 2015 eingerichtet. Mittlerweile konnten durch die Ausrichtung auf den Multikanalvertrieb Einsparungen von rund 30 Prozent erzielt werden. Gleichzeitig hat sich die Kundennachfrage von 2016 bis 2021 fast verdreifacht. Die Akzeptanz der Mitarbeiter für das neue Modell, das auch die Weiterbildung zum "Fachberater.direkt" beinhaltet, ist hoch, da alle Abschlüsse - ohne Unterscheidung des Kanals - der jeweiligen Filiale zugerechnet werden. Red.

In Deutschland gibt es immer weniger Banken. Laut Bankstellenbericht der Deutschen Bundesbank1) hat sich die Zahl der Institute von 2 093 im Jahr 2010 auf 1 679 im Jahr 2020 verringert. Noch deutlicher wird diese Veränderung bei der Zahl der Filialen: Von 56 936 im Jahr 2000 hat sich die Zahl auf 24 100 zehn Jahre später mehr als halbiert. Die 377 Sparkassen und sechs Landesbanken (2020) unterhielten davon noch 8 528 Filialen. Auch in Zukunft wird es zu einer weiteren Arrondierung kommen. Die Beratungsgesellschaft Oliver Wyman2) geht von nur noch 17 500 Filialen Ende 2025 aus. Stirbt damit auch der direkte Kontakt zum Kunden? Keineswegs.

Die Filiale als alleiniger Zugang ist Geschichte. Kunden nehmen schon jetzt über verschiedene Kanäle Kontakt mit ihrer Bank auf. Covid hat uns gelehrt, dass Kunden schnell und flexibel auf mediale Kanäle umsteigen können und wollen. Vor allem für Standardgeschäfte und Services wurden Filialen kaum noch oder gar nicht mehr aufgesucht.

Beratung konsequent neu ausrichten

Bei komplexem Beratungsbedarf oder bei Produkten wie Baufinanzierungen, Versicherungen und Wertpapieren bleibt das persönliche Gespräch auch in Zukunft ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Regionalbanken. Die Beziehung zwischen Kunden und Berater behält ihren hohen Stellenwert. Auch dieser Kontakt wird in Zukunft jedoch digitalisiert werden. Wir sind auf dem Weg in die Multikanalberatung als Standard. Unsere Aufgabe besteht in der - möglichst - perfekten Vernetzung aller Kanäle.

Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Treiber der Veränderungen in Vertrieb und Service bei allen Finanzdienstleistern. Wir können die Daten unserer Kunden besser analysieren und ihnen damit passgenauer Angebote machen. Ebenso können wir unsere Angebote vollkommen anders darstellen und vor allem den Kontakt zu unseren Kunden anders gestalten. Entsprechend ihren Erfahrungen mit anderen Anbietern erwarten Kunden Beratung immer und so, wie sie es wollen - flexibel, komfortabel und qualitativ immer 1a. Unsere Antwort ist der kundenzentrierte Multikanalvertrieb: Kunden erhalten alle Leistungen auf allen Online-Kanälen und natürlich nach wie vor in der Filiale.

Erfolgreiche Multikanalangebote orientieren sich allein an den Wünschen des Kunden. Sie erwarten unabhängig vom Vertriebskanal die einheitliche Gestaltung der Produkte, der Preise und gut koordinierte Prozesse. Kunden entscheiden - oft jeweils neu -, welchen Kanal sie nutzen wollen. Sie erwarten ein nahtloses Zusammenspiel. Alle Ansprechpartner müssen über die relevanten Informationen verfügen, Service und Beratung müssen online genauso gut funktionieren wie vor Ort. Filialen erhalten in diesem Szenario eine andere Bedeutung - digitale Kontakte werden mit wenigen, aber besonders wichtigen Präsenzterminen verknüpft. Das Filialnetz wird weitmaschiger, muss aber eine besondere Qualität anbieten. Für die Sparkasse sind daneben Er träge und Kosten entscheidend. Dafür brauchen wir Transparenz über Kosten und Erträge aller Angebote in den jeweiligen Vertriebskanälen. Insbesondere die indirekten Vertriebskosten müssen klar zugeordnet werden.

30 Prozent Einsparungen durch vergrößerte Betreuungsrelation

Die Braunschweigische Landessparkasse (BLSK) ist die Sparkasse für die zu Niedersachsen gehörenden Teile des ehemaligen Landes Braunschweig. Sie ist als Anstalt in der Anstalt Teil der Nord-LB. Mit etwa 750 Mitarbeitern betreuen wir rund 300 000 Kunden. Die Entwicklung zum Multikanalangebot begann 2015 mit dem Ziel, die Leistungen für die Servicekunden zu zentralisieren. Ziel war es, die Effizienz durch Standardisierung und Automatisierung deutlich zu steigern. Darum wurde die BSLK.direkt geschaffen, in der zunächst alle Serviceangebote gebündelt wurden. Servicekunden sollten mithilfe einer standardisierten Service- und Produktpalette für den Grundbedarf zentral betreut werden. Zugleich war das der Einstieg, um nach und nach alle Dienstleistungsangebote für alle Kundensegmente zu standardisieren: zunächst für die Privatkunden, zwei Jahre danach mit der Gründung des Business Service Centers auch für die gewerblichen Kunden.

In Verbindung mit einer Neustrukturierung des Filialnetzes ließen sich so Synergien heben - konservativ geschätzt erreichten wir im Schnitt 30 Prozent Einsparungen. Ein Grund ist die erheblich vergrößerte Betreuungsrelation der Servicekundenberater von 1: 3 000 in der Filiale zu 1: 8 000 im Service Center. Ähnliche Effekte konnten bei den Allokationen oder den Fallhäufigkeiten erzielt werden. Mehr Kunden als vermutet hatten Interesse daran, Dienstleistungsangebote über mediale Kanäle zu nutzen. Zwei von drei Nutzern aus dem Segment Privatkunden waren interessiert daran, ihre Servicethemen online zu platzieren und sich zunehmend auch über diesen Kanal beraten zu lassen und Abschlüsse zu tätigen. Darum haben wir unser Angebot konsequent ausgebaut.

Nach wie vor wird den Kunden eine Beratung in 35 Filialen und 8 Sparkassenwelten (unsere Hauptstellen in den jeweiligen Regionen) angeboten. An ausgewählten Standorten gibt es Angebote im Private Banking, für Immobilien- und Firmenkunden. Dieser stationäre Vertrieb mit 560 Mitarbeitern betreut etwa 195 000 Kundenverbünde. Die BLSK.direkt mit circa 70 Mitarbeitern bietet Kunden Inbound- und Serviceleistungen in einem Kunden- und einem Business Service Center an. Ein Team der Direkt-Beratung (Outbound/Produkte) bearbeitet Internetfilialaufträge, übernimmt den digitalen Vertrieb und erledigt die Outbound-Telefonie. Für die Kunden sind Bankgeschäfte zu jeder Uhrzeit über Internet, E-Mail und Chat möglich, per Telefon von 08:00 bis 18:00 Uhr. Sie werden von ausgebildeten Sparkassenberatern betreut.

Im Kundenservicecenter (KSC) betreuen zwei Gruppen 100 000 Verbünde mit KUST-Funktion (KUST = kundenbetreuende Stelle) sowie 185 000 Filialverbünde in der reinen Service-Funktion. Das Business Service Center betreut 3 500 GSK-Verbünde mit KUST-Funktion, 3 000 Vereine und 10 000 gewerbliche Verbünde in der Service- Funktion. In der Direktberatung sind wir für alle privaten Kunden auf den medialen Kanälen präsent.

Ein kooperatives Modell

Wir haben uns bewusst für ein kooperatives Modell entschieden: Die BLSK-direkt-Abschlüsse werden der Filiale zugerechnet, ohne Unterscheidung über alle Kanäle hinweg, auch unabhängig davon, ob die Initiative zum Kontakt vom Kunden oder von der Sparkasse ausgeht. Wichtig ist, am jeweiligen Kontaktpunkt die bestmögliche Qualität abzuliefern, unabhängig davon, welche Stelle den Kunden konkret betreut.

Die Verzahnung der Kanäle ist dabei einer der Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Multikanalstrategie. Erträge und Vertriebsergebnisse werden doppelt abgebildet, sowohl für die kundenbetreuende Stelle als auch für die abschließende Einheit. Diese Lösung sichert die Akzeptanz und ist damit entscheidend für den Erfolg. Eine mögliche Konkurrenz um den Kunden wurde dadurch von Beginn an vermieden. Die kundenbetreuende Stelle und der Primärberater für den Kunden bleiben unverändert. Alle Erfolge werden in der Ergebnisrechnung auf die Ziele der Filiale angerechnet. Natürlich kann man unabhängig davon in den Reportings erkennen, auf welchem Weg das Produkt zum Kunden kam und wer es beraten hat.

Kundennachfrage nahezu verdreifacht

Das Angebot wird mit spürbar zunehmender Resonanz vermarktet: Die Kundennachfrage hat sich von 2016 bis 2021 nahezu verdreifacht. Die Zufriedenheit der Kunden befindet sich kontinuierlich auf sehr hohem Niveau. Ständige Verbesserungen der Arbeitsabläufe sowie der Prozess sind Standard. Gemessen am Ertrag aus dem Vertrieb von Konsumentenkrediten war im Jahr 2020 die Direktberatung die erfolgreichste "Filiale" der BSLK.

Die Fachberater in der Direktberatung unterstützen mittlerweile auch die Filialen. Sie übernehmen (Online-)Vertriebsaufgaben, setzen Cross- und Up-Selling-Ansätze um, unterstützen durch Videoberatung und setzen generell die vorhandene Methodenkompetenzen zur Videoberatung ein. Vor allem übernehmen die Fachberater jedoch die Vorreiterrolle. Sie sind die Botschafter des Konzepts "Multikanalberatung" in den Filialen - sie zeigen, dass es geht und wie es geht. Durch ihr Vorbild motivieren sie die Kollegen vor Ort. Die Corona-Pandemie hat diesem Thema zusätzlichen Schwung gegeben.

Aktuell ist die BLSK einer der Pilotanwender des Voicebots "Anna" 3) . Das Kundenservice-Center erhält monatlich mehr als 12 000 Anrufe. Durch eine Unterstützung bei der Bearbeitung insbesondere von Standardanfragen lassen sich zum einen mehr Kundenanfragen schnell beantworten, zum anderen bleiben mehr Kapazitäten für die qualifizierte Beratung verfügbar.

Der Voicebot erkennt aktuell mehr als 70 Anliegen, von der Abfrage des Kontostands bis zu Umbuchungen. Wir schätzen, dass das System zukünftig etwa jeden dritten Anruf abschließend bearbeiten kann. Eine wichtige Funktion ist die Legitimation des Anrufenden - die lässt sich mittels künstlicher Intelligenz anhand verschiedener Kriterien inzwischen deutlich effizienter durchführen. Wir sind gespannt auf das endgültige Ergebnis des Piloten und die nächste Ausbaustufe.

Die Kunden der BLSK sind für die Multikanalangebote offen. Das belegen die Zahlen: Von 2016 bis 2021 hat sich die Zahl der Geschäftsvorfälle auf mehr als 300 000 pro Jahr nahezu verdreifacht. Trotz des inzwischen hohen Niveaus steigt die Zahl der Nutzungen weiter an, allein im letzten Jahr um 20 000. Jeder Geschäftsvorfall weniger in der Filiale bedeutet dort mehr Zeit für die individuelle Beratung. Interessant ist auch die Verschiebung der gewählten Kanäle. Inzwischen sinkt die Zahl der Anrufe kontinuierlich, dafür erfolgt beinahe jeder dritte Kontakt per Mail. Auch das lässt sich als ein Zeichen für die zunehmende digitale Orientierung der Kunden deuten. Schließlich gibt es per Mail weniger direkten Kontakt zu einer Person als bei einem Telefonat. Dafür ist der Kontakt 24/7 verfügbar und geht meist auch schneller.

Kunden nehmen mehr und mehr Beratungsangebote über den Videochat in Anspruch. Der Primärberater bietet dabei eine digitale Beratung an. Sofern einverstanden, werden die Kunden aktiv übergeleitet. Zukünftig können sie dann gezielt über alle digitalen Kanäle kontaktiert und beraten werden. Zielbild bis zum Jahr 2023 ist der Aufbau der Multikanalberatung im stationären Vertrieb. Die Direkt-Fachberater bilden bis dahin mit Schulungspaketen und durch Hospitation Berater aus - zunächst in mehreren Pilotfilialen. Unterstützung leistet hierbei der Sparkassenverband in Niedersachsen. Parallel dazu schafft die BLSK die technischen und konzeptionellen Voraussetzungen für Multikanalberatung als Bestandteil des täglichen Geschäfts.

Die Kundenzufriedenheit ist konstant hoch. Mehr als 80 Prozent der befragten Kunden antworten in der "Top Box". Dieser Wert konnte über die Jahre konstant gesteigert werden - in der letzten Befragung 2020 lag er bei 86 Prozent. Die Zufriedenheit der Kunden ist neben der Menge der bearbeiteten Fälle und der Erreichbarkeit ein wesentlicher Steuerungsparameter für die Gestaltung der Multikanalberatung.

Ausbildung zum "Fachberater.direkt"

Mitarbeiter sind offen für Veränderungen, wenn sie qualifiziert begleitet und geschult werden. Der Schwerpunkt in der Multikanalberatung liegt auf technologischen Kompetenzen und besonderen kommunikativen Fähigkeiten. Sechs Mitarbeiter wurden bereits zum "Fachberater.Direkt" (= Multikanalberater) ausgebildet. Dazu wurden Kollegen ausgewählt, die formal über die Qualifikation als Sparkassenfachwirt und den WPHG-Nachweis "Anlageberater" verfügten.

Die Multikanalberater beraten nach dem S-Finanzkonzept und in der Anlageberatung, sie verkaufen Produkte aus einer definierten Produktpalette. Darüber hinaus versuchen sie, inaktive Kunden zu reaktiveren und beteiligen sich aktiv an der Akquise von Neukunden. Geplant ist, dass bis 2023 in allen Filialen qualifizierte Multikanalberater arbeiten. Bis dahin sollen ausreichend viele Privat- und Individualkundenberater mit der erforderlichen Kompetenz ausgestattet werden. Neben Schulungen setzt die BLSK dabei auf die bereits aktiven Multikanalberater als "Botschafter": Sie wirken als Multiplikatoren. Dazu ist eine "Multikanal-Community" geplant - natürlich im Intranet.

Die Rolle der Fachberater-Direkt-Beratung für Filial-Beratungskunden Quelle: BLSK
Die Rolle der Fachberater-Direkt-Beratung für Filial-Beratungskunden Quelle: BLSK

Fußnoten

1) https://www.bundesbank.de/resource/blob/868508/1f9e4293f8e1786eda026c0e8cd40514/mL/bankstellenbericht-2020-data.pdf (abgerufen am 15. Feb. 2022)

2) Vgl. Vogel, P. & Reiner, W.: Eine Sparkasse baut um. München: 2021.

3) Drefs, M. & Grabendorff, T.: Wie KI den Kundenservice automatisiert. https://www.s-marktmehrwert.de/fileadmin/smarkt/dateien/Presse/20210629_BBL_Voicebot.pdf (abgerufen am 15.2.22)

Lars Dannheim , Leiter , BLSK.direkt., Braunschweig

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