Trends im Kreditgeschäft

Kreditgeschäft: Vom Anbieter zum Vermittler

Stirbt das klassische Bankgeschäft, so wie wir es kennen, mit der Einführung von Basel III aus? Die Studie "Banking Insight" der Unternehmensberatung msg Gillardon und des Handelsblatts legt diesen Schluss nahe. Demnach geben 52 Prozent der Banken an, sich nach Einführung des neuen Regelwerks aus der originären Kreditvergabe zurückzuziehen. Stattdessen wollen sie Kredite künftig lediglich auf Provisionsbasis vermitteln. Werden die Banken also vom Anbieter zum Vermittler? Um das Ergebnis der Studie besser einordnen zu können, hilft zunächst ein Blick auf die neuen Anforderungen für das Kreditgeschäft, die es mit der Einführung von Basel III zu erfüllen gilt. Zum einen steigt die Kapitalquote auf mindestens 10,5 Prozent an. Zusätzlich kön-nen die nationalen Bankenaufsichten einen weiteren Kapitalpuffer in einer Größenordnung von 0 bis 2,5 Prozent beschließen. Gleichzeitig wird die Verschuldungsgrenze, die sogenannte Leverage Ratio, auf das 33-Fache des Eigenkapitals herabgesetzt.

Die wohl deutlichsten Auswirkungen auf das Kreditgeschäft der Banken haben die Vorschriften zur Liquidität, die durch Basel III deutlich verschärft werden. Denn durch die Liquidity Coverage Ratio (LCR) und die Net Stable Funding Ratio können langfristig gewährte Kredite nicht mehr uneingeschränkt durch kurzfristige Spareinlagen refinanziert werden. Beide beziehen sich auf das Verhältnis der Aktiva zu Passiva. Im Kern geht es dabei um die Frage: Ist das Kreditinstitut in der Lage, die Mindestvorgaben an Liquidität zu erfüllen, wenn alle auslaufenden Spareinlagen abgezogen werden? Während sich die LCR auf einen Zeitraum von 30 Tagen bezieht, geht die Net Stable Funding Ratio einen Schritt weiter und berücksichtigt einen Zeitraum von einem Jahr. Sie soll damit für eine langfristige Stabilität sorgen und wird daher auch als "strukturelle Liquiditätsquote" bezeichnet. In beiden Fällen ist das klassische, auf der Fristentransformation zwischen den Geldern von Sparern und Kreditnehmern beruhende Geschäftsmodell nachhaltigen Änderungen unterworfen.

Im Kern gehen Eigenkapitalquote, Verschuldungsgrenze und Liquiditätsvorschriften in dieselbe Richtung: Banken müssen ihr Kreditgeschäft mit mehr eigenem Kapital von besserer Qualität absichern. Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten. Zum einen können Banken ihre Passiva-Seite stärken. Wie die Studie belegt, ziehen viele Geldhäuser diese Option in Betracht. So planen 69 Prozent der Befragten, die Laufzeit ihrer Sparprodukte zu verlängern. Gleichzeitig werden 59 Prozent der Institute nach eigenen Angaben die Laufzeiten von Krediten deutlich verkürzen. Auch auf sogenannte Roll-over-Darlehen mit einem variablen Zinsanteil und kurzfristiger Kapitalbindung werden sich die Kunden nach der Einführung von Basel III einstellen müssen. Jedes zweite Geldhaus zieht diese Option in Betracht.

Längere Laufzeiten bei Sparprodukten, kürzere bei Krediten

Durch längere Laufzeiten bei Sparprodukten und kürzeren bei Krediten sollen die verschärften Vorgaben zur Fristentransformation eingehalten werden. Ob diese Strategie aufgeht, ist fraglich. Denn angesichts historisch niedriger Zinsen liegt die Rendite von Spareinlagen oft unter der Inflationsrate und damit im negativen Bereich. Sparer sind deshalb kaum gewillt, ihr Geld langfristig anzulegen und damit einen realen Wertverlust hinzunehmen. Gleichzeitig haben Kreditnehmer ein starkes Interesse daran, sich die niedrigen Zinsen für Darlehen möglichst lange zu sichern. Dies ist auch den Banken bewusst. 85 Prozent rechnen damit, dass sich die Konditionen für Anlage- und Sparprodukte mit einer mindestens einjährigen Laufzeit durch Basel III verbessern, während festverzinsliche Kredite mit gleicher Laufzeit für den Kunden teurer werden.

Kreditvermittlung auf Provisionsbasis

Auch auf der Aktivseite gibt es Möglichkeiten, die Kapitalausstattung zu verbessern. Vor allem weniger kapitalstarke Banken werden gezwungen sein, ihre Geschäfte herunterzufahren, um die Aktiv-Passiv-Quote zu erfüllen. Mehr als jedes zweite Institut plant, die eigenen Kapitalgeschäfte sowie die Kreditvergabe an die Kunden einzuschränken. Stattdessen beabsichtigen 52 Prozent, künftig verstärkt als Vermittler von Darlehen auf Provisionsbasis aufzutreten. Bei den Groß- und Landesbanken sind es sogar 63 und bei den Privat- und Regionalbanken 58 Prozent. Bei Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken liegt der Wert hingegen mit 40 beziehungsweise 44 Prozent deutlich niedriger. Der Grund: Die öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Institute sind vergleichsweise kapitalstark und daher eher in der Lage, das klassische Kreditgeschäft auch unter den schärferen Anforderungen von Basel III aufrecht zu erhalten. Außerdem sind sie eher konservativ ausgerichtet - was sich in der Krisenzeit als Vorteil erwiesen hat.

Der Wunsch, Darlehen künftig lediglich zu vermitteln, ist gerade mit Blick auf das Privatkundengeschäft verständlich. Denn durch die zusätzlichen Kapitalkosten werden die Margen weiter sinken. Das Geschäft mit privaten Krediten lohnt sich daher nur noch bei sehr großen Volumen und hohen Standardisierungsgrad. Es ist somit denkbar, dass es in Zukunft einige wenige Bankfabriken geben wird, die sich auf die Vergabe von Darlehen spezialisieren. Die übrigen Institute vermitteln lediglich zwischen den Fabriken und ihren Kunden. Die Bankfabriken sind dadurch in der Lage, wegen der Vielzahl an gleichartigen Produkten die Prozesse effizient zu gestalten. Zudem werden die Vertriebskosten niedrig gehalten. Die vermittelnden Institute wiederum können durch die Auslagerung des Geschäftsfeldes ihre risikogewichteten Aktiva optimieren und damit die strengeren Liquiditäts- und Eigenkapitalkennziffern erfüllen. Sie übernehmen lediglich einen Teil der Bonitäts- und Kreditwürdigkeitsüberprüfung und bringen ihre Erfahrungen bei der Beratung ihrer Kunden ein.

Die Kehrseite der Medaille ist, dass sich Banken, die Kredite lediglich vermitteln, neue, branchenfremde Konkurrenten schaffen. So gibt es kaum einen Elektromarkt, der zum Plasmafernseher nicht den passenden Kredit anbietet. Auch Online-Händler bieten die passende Finanzierung an. Sie profitieren davon, dass die Loyalität der Kunden gegenüber ihrer Bank deutlich gesunken ist. Die Verbraucher sind daher offen für andere Anbieter. Darüber hinaus sind Händler wesentlich näher am Kunden. Denn in der Regel entscheiden sich Kunden erst für das Produkt und anschließend für die Finanzierung. Produktanbieter sind den Banken damit immer "einen Schritt voraus". Hier sollten Geldhäuser, die sich auf die Vermittlung von Krediten fokussieren, aufpassen, dass sie ihr Alleinstellungsmerkmal gegenüber branchenfremden Anbietern bewahren, zum Beispiel durch zusätzlichen Service und bessere Beratung. Ansonsten drohen sie den Kontakt zum Kunden und damit ihre Geschäftsgrundlage zu verlieren.

Unternehmensanleihen statt Bankkredite?

Im Gegensatz zum Privatkundengeschäft ist die Kreditvergabe an Unternehmen wesentlich ertragreicher, wenn auch komplizierter und mit anderen Risiken verbunden. Doch auch hier planen viele Banken Anpassungen in ihrem Geschäftsmodell. So gibt jedes zweite der befragten Institute an, statt der Vergabe von klassischen Krediten den Unternehmen zu helfen, zur Finanzierung eigene Anleihen zu emittieren. Auch hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Bankformen: Während bei den Genossenschaftsbanken und Sparkassen nur 31 beziehungsweise 40 Prozent diese Option in Betracht ziehen, sind es bei den Groß- und Landesbanken beachtliche 63 Prozent.

Unternehmenskredite sind in der Regel wesentlich komplexer. Deshalb tendiert die Gefahr, dass branchenfremde Konkurrenten auf den Markt drängen, gen Null. Dennoch birgt dieses Vorgehen Risiken. Denn gerade kleine und mittlere Unternehmen sind in hohem Maße von Bankkrediten abhängig. Müssen diese sich künftig über den Kapitalmarkt finanzieren, droht ein Ungleichgewicht. Denn Unternehmen mit hoher Bonität wird es wesentlich leichter fallen, ihre Anleihen zu verkaufen, als Konkurrenten mit einer geringeren Kreditwürdigkeit. Es besteht dadurch die Gefahr, dass diese so vom Markt verdrängt werden. Ohnehin ist es fragwürdig, ob es genug Kunden gibt, die bereit sind, in Unternehmensanleihen zu investieren.

Das klassische Firmenkreditgeschäft wird nicht verdrängt

Die Unterstützung bei der Emittierung von Unternehmensanleihen ist daher ein interessantes zusätzliches Geschäftsfeld, das die Kreditvergabe an Firmenkunden jedoch nicht verdrängen wird. Auch im Privatkundengeschäft bedeutet Basel III nicht das Ende des klassischen Bankgeschäfts. Aber das neue Regelwerk führt zu tiefgreifenden Veränderungen. Wegen der höheren Anforderungen müssen Geldhäuser ihre Angebote hinsichtlich des Ertrag-Risiko-Verhältnisses überprüfen. Am Ende dieses Prozesses ist es durchaus möglich, dass Banken sich von margenschwachen Produkten trennen. Die dadurch freigesetzten Ressourcen können dann in den Ausbau ertragreicher Angebote fließen. Es ist höchste Zeit, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.

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