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Finanzierung in der Wohnungswirtschaft - auch künftig zu "Minimargen" möglich?

Was ist für uns unvorstellbar? Unvorstellbar ist, dass Anleihen unterschiedlicher Staaten der Eurozone mit einer Preisspanne zwischen drei und zwölf Prozent verzinst werden. Diesen Satz hätte bis vor drei Jahren kaum jemand in Frage gestellt. Schließlich wurden alle Staatsanleihen in der Eurozone seit Einführung des Euro nahezu identisch verzinst. Doch unterschiedliche Bepreisungen bei Staatsanleihen sind mittlerweile nicht mehr nur vorstellbar, sondern Realität. Und das bei einer Kreditnehmergruppe, die bis vor wenigen Jahren über jeden Zweifel erhaben war. Wie schaut es nun mit der Wohnungswirtschaft aus? Eine Kreditnehmergruppe, die ebenso über jeden Zweifel erhaben ist? Wenn also über die Veränderungen in der Finanzierungslandschaft nachgedacht wird, sollte auch das "Unvorstellbare" nicht ausgeschlossen werden.

Doch zunächst muss man soweit noch nicht denken. Der mit der Finanzkrise verbundene Rückzug von Banken aus dem Kreditgeschäft oder die Einführung von Basel III sind heute schon Realität und haben die Finanzierungslandschaft verändert beziehungsweise werden es tun.

Finanzmärkte im grundlegenden Wandel

Die Diskussion über den Wandel der Finanzmärkte wird bestimmt durch die Ereignisse der Finanzmarktkrise. Wir erinnern uns, den sichtbaren Auftakt bildete der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008. Die Realwirtschaft folgte dem Finanzmarkt, und im Jahr 2008 schrumpfte weltweit die Wirtschaft in einem noch nie dagewesenen Maße. Nach der Auflage nationalstaatlicher Konjunkturprogramme erholte sich die Wirtschaft allerdings überraschend schnell. Im Verlauf der Krise kam es zu einer Zunahme der Risikoaufschläge verschiedener europäischer Staaten. Griechenland war das erste Land, welches in Zahlungsschwierigkeiten kam. Irland musste im November 2010 den neu geschaffenen europäischen Rettungsschirm in Anspruch nehmen. Wie aber wirkte sich das Auf und Ab an den globalen Finanz- und Wirtschaftsmärkten auf die Finanzierung in der Wohnungswirtschaft aus?

Im Jahr 2008 als die Finanzmarktkrise begann und die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers zusammenbrach, hielten sich kurzfristig viele Kreditgeber bei der Kreditvergabe zurück. Kleine Finanzierungen konnten zwar noch platziert werden, größere Abschnitte gestalteten sich aber als schwierig. Aufgrund der Verwerfungen auf den Kapitalmärkten verteuerte sich zu Beginn 2009 die Refinanzierung für die Banken, was sie in Form von erhöhten Margen auch an die Wohnungswirtschaft weitergab.

Auf der Suche nach kursrisikofreien und sicheren Geldanlagen, entdecken jedoch immer mehr Anlagemanager von Versicherungen und Versorgungskassen die Wohnungswirtschaft für sich. 2010 zogen die Banken nach und senkten wieder die Margen. Die Wohnungswirtschaft wurde erneut als risikoarmer Kreditnehmer gepflegt. Aufgrund der sehr geringen Rendite bei sicheren Staatsanleihen verstärkte sich der Trend und die Zahl der Versicherungsunternehmen, die sich in der Wohnungswirtschaft engagierten, stieg. Mittlerweile übernehmen diese auch sehr große Abschnitte bis zu dreistelligen Millionenbeträgen pro Kunden.

Offen ist zum aktuellen Zeitpunkt, wohin die Reise gehen wird. Werden die Banken gezwungen sein, sich ebenfalls an der Finanzierung zu beteiligen, wenn den Staaten die notwendigen Mittel ausgehen? Was wird das für die Kredite im Allgemeinen und für die Wohnungswirtschaft im Besonderen bedeuten?

Veränderte Rahmenbedingungen durch Basel III

Wesentlich konkreter als die langfristigen Auswirkungen der Finanzmarktkrise lassen sich die Konsequenzen aus der Einführung von Basel III beschreiben. Das Ziel aller Basel-Abkommen - von Basel I zu Basel III - ist die Sicherung einer angemessenen Eigenkapitalausstattung und die Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen für die Kreditvergabe und den Kredithandel. Das im Jahr 2007 eingeführte Basel II war eine notwendige Optimierung von Basel I. Mit den darin enthaltenen Neuregelungen wurden die Eigenkapitalanforderungen stärker am tatsächlichen Risiko des Bankenengagements ausgerichtet. Wichtige Stellgrößen waren die Ausfallwahrscheinlichkeit beziehungsweise Bonität, die Höhe des

möglichen Verlustes, die Laufzeit und die Restschuld.

Basel III beruht auf den Erfahrungen der vorhergehenden Basel-Abkommen und auf den Erkenntnissen aus der Finanz- und Wirtschaftskrise. Ziel der Reform ist es, einen Ausgleich zwischen einem stabileren Finanzsystem und der Vermeidung einer Kreditverknappung zu schaffen. Basel III setzt dabei auf ein umfassendes Maßnahmenpaket. Dieses setzt sich aus qualitativ und quantitativ verschärften Anforderungen für die Anrechenbarkeit von Eigenmitteln, die Einführung einer Höchstverschuldungsrate als zusätzliche Risikokennzahl (Leverage Ratio), dem antizyklischen Aufbau von Kapitalpuffern zur Senkung der prozyklischen Wirkung von Basel II und zusätzlichen Kapitalanforderungen für das Kontrahentenausfallrisiko zusammen.

Die Eigenkapitalbasis eines Instituts bestimmt die Widerstandsfähigkeit gegen negative Entwicklungen der Vermögenswerte. Unter Basel II wurde die Unterscheidung von hartem und weichem Kernkapital eingeführt. Für die Stabilität der Banken ist das harte Kernkapital (sogenanntes Core Tier-1) besonders relevant. Dieses besteht größtenteils aus eigenen Aktien und einbehaltenen Gewinnen. Zukünftig wird unter Basel III die Struktur des zwingend notwendigen Eigenkapitals geändert. Es muss deutlich mehr hartes Kernkapital (Core Tier-1) vorgehalten werden - 3,5-mal soviel wie unter Basel II.

Kopfschmerzen durch Leverage Ratio

Neben dem deutlich höheren Eigenkapital bereitet den Banken vor allem aber die Einführung der Leverage Ratio große Kopfschmerzen. In der gegenwärtigen Planung von Basel III ist vorgesehen, dass das Bruttoexposure zuzüglich außerbilanziellen Positionen der Banken nur noch maximal das dreiunddreißigfache des harten Kernkapitals betragen darf. Banken, die aktiv Kreditgeschäft in der Wohnungswirtschaft oder im Kommunalkundengeschäft betreiben, übersteigen diesen Wert um das Vielfache.

Sind die Folgen von Basel III heute schon kalkulierbar? Zwar bestehen noch Planungsunsicherheiten hinsichtlich der genauen Ausformulierung mancher Regeln, dennoch lassen sich gewisse Schlussfolgerungen schon treffen. Durch Basel III haben die Kreditinstitute einen erhöhten Bedarf an Eigenkapital. Je nach Schätzung wird von 65 bis 105 Milliarden Euro an zusätzlichem Kernkapital ausgegangen. Dies bedeutet eine finanzielle Mehrbelastung für die Banken. Dafür müssen entweder Dividenden gekürzt werden oder es muss frisches Kapital eingesammelt werden. Ergänzungskapital in Form von Nachrangkapital dürfte in Zukunft von untergeordneter Bedeutung sein.

Eine weitere große Herausforderung für die Banken wird die Vergabe großvolumiger Kredite sein. Durch die Einführung der Leverage Ratio wird jedes Kreditinstitut stärker als bisher in seiner maximalen Kreditvergabe beschränkt sein. Die Konsequenzen können vielfältig, auf alle Fälle jedoch schmerzvoll für die Wohnungswirtschaft sein: striktere Obergrenzen des Kreditengagements bei Kunden, grundsätzliche maximale Obergrenzen, Margenaufschläge für großvolumige Finanzierungen.

Eindeutig ist, dass Banken insgesamt höhere Margen verlangen müssen, um die Kosten, die die gestiegenen Anforderungen von Basel III auslösen, decken zu können. Zwar wird die Wohnungswirtschaft weniger hart als andere Kreditnehmergruppen betroffen sein. Denn im Ergebnis trägt Basel III dazu bei, das bisherige Margengefälle zwischen bonitätsstarken und bonitätsschwachen Kunden weiter zu vergrößern: "gute" Engagements erhalten günstigere Kreditkonditionen und "schlechte" Darlehensnehmer werden höhere Risikoaufschläge in Kauf nehmen müssen. Dennoch sind die Anforderungen unter Basel III so hoch, dass auch Wohnungsunternehmen höhere Margen werden in Kauf nehmen müssen.

Auch wenn die Auswirkungen von Basel III heute noch nicht explizit quantifizierbar sind, wird aufgrund der Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit deutlich, dass die Finanzierung eines Wohnungsunternehmens immer aufwendiger wird. Dabei ist die Fremdkapitalbeschaffung an sich nicht das Problem - eine Kreditklemme für die Wohnungswirtschaft hat es nicht und wird es auch nicht geben. Die Herausforderungen liegen in der Identifizierung geeigneter Kreditgeber, Auswahl der Produkte und nicht zuletzt in der optimalen Positionierung des eigenen Unternehmens in Bezug auf Darlehens- und Sicherheitenmanagement. Zudem wird eine optimale Aufstellung des Finanzmanagements im eigenen Unternehmen notwendig sein, um auch künftig zu bestmöglichen Konditionen Fremdkapital zu erhalten.

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