Regulierung

Basel III: Wird der Aufschwung ausgebremst?

Die neuen internationalen Bankaufsichtsregelungen - kurz: "Basel III" ändern die Rahmenbedingungen, unter denen Banken ihr Geschäft führen, grundlegend. Politik und Aufsichtsbehörden haben damit auf die weltweite Finanzmarktkrise reagiert. Ziel von Basel III ist es, Risiken einer erneuten Krise so weit wie möglich vorzubeugen. Auch Immobilienfinanzierer sind von Basel III betroffen, möglicherweise sogar in besonderem Maß. Neue Eigenkapital-, Liquiditäts- und Ausleihungsregeln Grundsätzlich stellen die neuen Regeln, die ab 2013 schrittweise in Kraft treten werden, die Banken vor ein Dilemma: Sie müssen ihr Eigenkapital erhöhen oder qualitativ verbessern und dafür höhere Erträge erwirtschaften. Dies könnte dann aber auch - genau entgegen der Intention von Basel III - dazu führen, dass rendite- und damit risikoträchtige Geschäfte sogar verstärkt eingegangen werden - mit langfristig fatalen Folgen für die Banken. Eine weitere vielfach geäußerte Befürchtung ist, dass Banken aufgrund der strengeren Vorgaben ihre Kreditvergabe drastisch einschränken müssen, sodass die Kapitalversorgung der Realwirtschaft gefährdet sein könnte. Die Immobilienwirtschaft wird dies unter Umständen in besonderem Maß zu spüren bekommen. Vor allem betroffen von Basel III ist das Geschäftsmodell der Pfandbriefbanken, da nach derzeitigem Verständnis das Volumen des Portfolios die allein entscheidende Größe für die Berechnung der Leverage Ratio ist - unabhängig vom Risikogehalt der Kredite. Es stellt sich also die Frage, ob die neue Regulierung im Hinblick auf die Immobilienfinanzierer und vor allem auf die Immobilienbranche als Ganzes die gewünschte Wirkung als Stabilisator entfaltet - oder ob sie sich vielleicht als Bremsklotz für die Marktentwicklung und einen nicht zu vernachlässigenden Konkurrenzschutz gegen Pfandbriefbanken erweist. Bei der Suche nach Antworten gilt es zunächst, sich die neuen Vorgaben auf die Ausstattung der Banken mit Eigenmitteln und Liquidität sowie auf den Ausleihungsgrad (Leverage Ratio) hin nochmals im Detail anzuschauen: Bei der Struktur der Eigenmittel werden die Anforderungen an Höhe und Qualität schrittweise angehoben. So soll die Kernkapitalquote zwischen 2013 und 2015 von vier auf sechs Prozent steigen. Zusätzlich ist bis 1. Januar 2019 ein Kapitalerhaltungspuffer von 2,5 Prozent aufzubauen. Hinzu kommt ab 2019 ein länderspezifischer, antizyklischer Kapitalpuffer von null bis 2,5 Prozent. Die Gesamtkapitalquote erhöht sich somit bis zum Jahr 2019 auf 10,5 bis 13 Prozent. Um eine stärkere Krisenresistenz der Banken zu gewährleisten, fordert Basel III zudem höhere Liquiditätsstandards, die anhand der Liquidity Coverage Ratio (LCR) und der Net Stable Funding Ratio (NSFR) gemessen werden. Die LCR schreibt vor, dass der Bestand an hochliquiden Vermögenswerten größer sein muss als ein massiver Nettoabfluss von Barmitteln in einer 30 Tage andauernden Stressperiode. Durch die NSFR soll sichergestellt werden, dass das Volumen langfristiger Finanzierung das der langfristigen Vermögenswerte übertrifft. Beide Kennziffern müssen also über 100 Prozent liegen. Als dritte Komponente legt der Ausleihungsgrad (Leverage Ratio) fest, dass das Verhältnis von aufsichtsrechtlichem Kernkapital zur Gesamtausleihung mindestens drei Prozent betragen muss. Dies bedeutet, dass mit der Leverage Ratio ab 2018 eine verbindliche Kennzahl eingeführt wird, die dafür sorgen soll, dass die Bilanzsumme auf das 33,3-fache des Kernkapitals beschränkt wird. Steigender Bedarf an Fremdkapital in der Branche Die Auswirkungen dieser Vorgaben auf die Fähigkeit und Bereitschaft der Banken zur Kreditvergabe sowie auf die Konditionen werden für Kredit suchende Unternehmen deutlich zu spüren sein: Denn je mehr Eigenkapital beziehungsweise Kernkapital die Banken vorhalten müssen, desto knapper und letztlich teurer werden die Kredite. Allein die Einführung der Leverage Ratio wird nach Berechnungen des Bankenverbands BdB auf heutiger Basis einen zusätzlichen Kapitalbedarf von rund 36 Milliarden Euro für Banken in Deutschland erzeugen. Können die Institute ihren Kapitalbedarf nicht decken, würde dies, so der BdB, den Abbau von Krediten im Volumen von einer Billion Euro erforderlich machen. Und dies alles vor dem Hintergrund, dass die Kreditnachfrage der Unternehmen in den kommenden Jahren dank des wirtschaftlichen Aufschwungs vermutlich weiter steigen wird. Noch befinden sich die Immobilienmärkte, da sie traditionell verzögert reagieren, in einer relativ frühen Phase des Aufschwungs. Es ist aber davon auszugehen, dass der konjunkturelle Anstieg in den kommenden zwei bis drei Jahren zu steigenden Transaktionsvolumina führen wird. Allerdings dürfte aus heutiger Sicht ab dem Jahr 2013, also mit der Umsetzung von Basel III, die Kurve wieder etwas abflachen. Die Neuregelungen treffen die Märkte demnach nicht in ihrer stärksten Aufwärtsbewegung. Auf den Immobilienmarkt kommt aber auch unabhängig von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ein hoher Kreditbedarf zu. Denn von den ausstehenden Krediten für Gewerbeimmobilien in Deutschland steht zwischen 2011 und 2014 eine erhebliche Summe zur Refinanzierung an. Neben klassischen Bankkrediten werden dabei in den kommenden Jahren Verbriefungstransaktionen auslaufen. Hier Lösungen für Anschlussfinanzierungen zu finden, stellt für alle Beteiligten eine große Herausforderung dar, die vor dem Hintergrund von Basel III sicher nicht kleiner wird. Intensivere Prüfungen der Parameter Beide Faktoren - steigende Kreditnachfrage einerseits und verschärfte Eigenkapital- und Ausleihungsregelungen andererseits - werden die Spielregeln bei der Immobilienfinanzierung verändern. So ist damit zu rechnen, dass die für die Kreditzusage und das Pricing entscheidenden Parameter wie Loan-to-Value, Nachhaltigkeit und Stabilität des Cash-Flows, Qualität der Immobilie, Drittverwendungsfähigkeit oder Bonität und Zusatzsicherheiten des Kreditnehmers künftig noch stärker in den Fokus rücken und dass die Anforderungen an das Rating der Immobilien steigen. Core-Objekte werden vor dem Hintergrund der Risikominimierung bei Banken weiterhin hoch im Kurs stehen. Auch die Gestaltung der Darlehenskonditionen wird sich weiter differenzieren. Vor allem der bereits heute spürbare Trend zu variablen Verzinsungen und kürzeren Laufzeiten von Krediten dürfte sich künftig noch erheblich verstärken. Vor allem institutionelle Investoren könnten dann auch in Deutschland nicht mehr mit fünf- oder zehnjährigen Festschreibungen rechnen. Die Befürchtung, dass hierzulande bald "spanische Verhältnisse" herrschen - in Spanien werden 95 Prozent der Kreditverträge mit variablen Zinsen oder Zinsbindungen unter einem Jahr abgeschlossen -, ist vielleicht weitgehend, aber nicht völlig von der Hand zu weisen und führt in der Folge zu einer deutlich höheren Volatilität der Märkte - was nicht im Sinne einer Stabilisierung und Vorbeugung der nächsten Krise zu verstehen ist. Die Erfahrungen in Spanien und den USA zeigen zudem, dass starke Zinsschwankungen auch größere Preisschwankungen auf dem Immobilienmarkt nach sich ziehen. Selbst eine steigende Zahl an Kreditausfällen durch häufigere Zinsanpassungen und Refinanzierungen aufgrund der kürzeren Kreditlaufzeiten scheint denkbar. Zudem ist es realistisch, dass die Kredite teurer werden: Denn wenn die Produktionskosten steigen, steigen auch die Kosten für das Produkt selbst. Vor allem bei Kreditneuvergaben müssen Banken aufgrund der Neuregelungen künftig vorsichtiger und selektiver agieren. Für institutionelle Investoren, die deutliche höhere Summen benötigen, könnte es zu stärkeren Auswirkungen kommen als bei Immobilienkrediten für Privathaushalte. Bei großen Transaktionen wird sich die Zusammenarbeit der Banken, das heißt die Vergabe von Konsortialdarlehen verstärken. Auswirkungen vor allem bei Pfandbriefbanken Immobilienspezialbanken sind - wie auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die in der Immobilienfinanzierung besonders aktiv sind - von den Neuregelungen stärker als andere betroffen. Für Pfandbriefbanken stellen vor allem die strengeren Regeln zur Leverage Ratio eine Herausforderung dar: Weil ein festes Verhältnis von Eigenkapital und Bilanzsumme vorgegeben wird, begrenzt diese verbindliche Kennzahl im Ergebnis die Darlehensvergabemöglichkeiten. Maßgeblich ist dabei, zumindest nach derzeitigem Verständnis, allein das Volumen des Portfolios, unabhängig vom Risikogehalt der Kredite. Darlehen aus Deckungsstöcken der Pfandbriefe, die aufgrund der strengen Sicherheitsstandards eine günstige Risikostruktur haben, werden nicht anders behandelt als solche mit vergleichsweise ungünstigerer Struktur. Damit bricht die Leverage Ratio den Grundsatz der differenzierten Kreditbetrachtung, der mit Basel II eingeführt wurde, und der geschäftsindividuellen Risikogewichtung, die maßgeblich die Eigenkapitalkosten beeinflusst. Die Aufwendungen der IRBA-Institute, die in den vergangenen Jahren die RWA-Bemessungen gemäß Basel II-Ansatz umgesetzt und damit durchaus im Interesse ihrer Kunden gehandelt haben, werden so konterkariert. Fehlsteuerungsimpulse sind unter Risikogesichtspunkten vorprogrammiert. Die Folge: Finanzierer könnten durch die starre Kennziffer gezwungen sein, das eigentlich risikoarme Geschäft mit grundpfandrechtlich besicherten Krediten zurückzufahren und riskantere, margenträchtigere Aktivitäten zu forcieren, um das Eigenkapital optimal zu nutzen. Dies aber würde ebenfalls der eigentlichen Intention von Basel III widersprechen - nämlich die Banken krisenfest zu machen und eine erneute Finanzkrise zu verhindern. Trend zu variablen Verzinsungen und kürzeren Laufzeiten Basel III wird die künftigen Spielregeln in der Immobilienfinanzierung maßgeblich beeinflussen. Die risiko- und ertragsorientierte Steuerung des Kreditportfolios im Sinne der Leverage Ratio wird für die Banken in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Daraus muss nicht zwangsläufig eine Unterversorgung der Wirtschaft mit Krediten resultieren. Sicher scheint aber, dass variable Verzinsungen und kürzere Kreditlaufzeiten künftig eine stärkere Rolle spielen werden. Das Geschäftsmodell der spezialisierten Immobilienbanken stellt in besonderem Maß darauf ab, den Kunden bei Bedarf auch hohe Kreditvolumina bereitzustellen. Damit ist die Bereitschaft verbunden, Risikoaktiva langfristig auf die Bilanz zu nehmen. Durch die undifferenzierte Betrachtung bestimmter Geschäftsmodelle beziehungsweise hieraus resultierender Risikostrukturen der Assets wird insbesondere das Modell der Pfandbrieffinanzierung durch Basel III erheblich benachteiligt. Und das, obwohl gerade dieser Ansatz in der Finanzkrise einer der wenigen Stabilitätsanker war. Bei dem anstehenden Prozess der Umsetzung von Basel III in europäische Normen und nationales Recht gilt es deshalb, die besondere Stabilität des Geschäftsmodells von Pfandbriefbanken zu erläutern und den Entscheidungsgremien nahezubringen, damit dieses in den aus Basel III abgeleiteten europäischen und nationalen Richtlinien adäquat berücksichtigt werden kann.

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