Im Gespräch

"Die Barrieren für Neueinsteiger sind sehr niedrig"

Welchen Stellenwert hat der Bereich Consumer Finance im Fortis-Konzern?

Der Fortis-Konzern bietet als Finanzdienstleister sowohl Bank- als auch Versicherungsprodukte an. Innerhalb der Fortis-Bankenwelt hat der Bereich Consumer Finance die Rolle des Wachstumstreibers im Retailgeschäft. Denn die Fortis-Gruppe will - ausgehend von ihren Heimatmärkten Belgien, Holland und Luxemburg - auch im Retailgeschäft international wachsen.

Und dieses Wachstum in neuen Märkten wird vor allem mit Consumer Finance angegangen. Dazu zählen wir hauptsächlich Ratenkredite, Kreditkarten, Baufinanzierungen und Versicherungen als Annexprodukte zu den Krediten.

In welchen Märkten ist Fortis Consumer Finance aktiv?

Consumer Finance ist - als Teil des bestehenden Retailbanking-Geschäfts - natürlich in den Benelux-Staaten präsent, eigenständig darüber hinaus in Polen, der Türkei, Deutschland und seit einigen Wochen in Zusammenarbeit mit der irischen Post auch in Irland. Weitere Märkte sollen folgen.

Welche Synergien ergeben sich für Sie im Konzern?

Wir können von anderen Märkten lernen und wir können neue Produkte schneller entwickeln, indem wir unsere Ressourcen bündeln. So wurde das Projekt Credit4me in nur etwas mehr als sechs Monaten umgesetzt. Am 15. Dezember 2005 wurde das Projekt beschlossen, der erste Shop eröffnete am 5. Juli 2006.

Die Refinanzierung läuft auch über den Konzern?

Ein gewisses Maß an Refinanzierungsmöglichkeiten haben wir in Deutschland über das bestehende Passivgeschäft der Von Essen Bank. Darüber hinaus können wir immer auf den Konzern zurückgreifen und uns dadurch günstig refinanzieren.

Welchen Stellenwert hat der deutsche Markt für Fortis?

Wir haben hier eine gewisse Pionierrolle. Deutschland ist für uns innerhalb Europas ein sehr wichtiger Markt. Wenn man ein Global Player werden möchte, kommt man um den deutschen Markt nicht herum.

Nicht zu vergessen: Fortis ist bereits seit etlichen Jahren in Deutschland präsent, vor allem im Bereich der Firmenkundenaktivitäten. Um im Privatkundenmarkt aktiv werden zu können, haben wir zunächst die Von Essen Bank gekauft und dann das Projekt Credit4me gestartet. Daneben gibt

es weitere Ansätze, mit denen Fortis zeitgleich auf dem deutschen Markt immer aktiver wird. So hat der Konzern vor einigen Monaten die Guttingia Versicherung gekauft und mittlerweile in Fortis Leben Deutschland umfirmiert. Außerdem gibt es Überlegungen, die Fonds von Fortis Investment über Vertriebspartnerschaften im deutschen Markt bekannter zu machen.

Was ist unter dem Aspekt Konsumentenkredite am deutschen Markt interessant?

Der deutsche Markt ist vor allem deshalb interessant, weil er sehr stark fragmentiert ist. Die fünf größten Marktteilnehmer haben zusammen gerade einmal um die 20 Prozent Marktanteil. Damit sind die Barrieren für einen Neu-Einsteiger sehr niedrig, und das macht den Markteinstieg attraktiv.

Ein zweiter Faktor ist das hohe Wachstumspotenzial. In Europa ist Deutschland vor Großbritannien bei weitem der größte Markt in Consumer Finance. Auch wenn das Wachstumspotenzial in den vergangenen Jahren nur bei drei oder vier Prozent lag und damit im europäischen Vergleich nicht sonderlich hoch wirkt, so ist es doch noch deutlich höher als das, was wir mit Consumer-Finance-Aktivitäten in unseren Heimatmärkten in Benelux erwirtschaften.

Ist der Wettbewerb im Bereich Konsumentenkredit in den letzten Jahren von den Margen her überhaupt noch lohnend?

Seit (unter anderem) Fortis angekündigt hat, als ausländischer Konzern in diesen Markt einzutreten, haben sehr viele andere das Geschäft wieder neu entdeckt. Es ist sicher richtig, dass der Wettbewerb auf Kosten der Margen geht - aber seien Sie sicher, das Geschäft ist bei entsprechender Aufstellung immer noch attraktiv genug. Dabei werden wir nicht zu den Preistreibern gehören. Wir wollen uns auf andere Weise differenzieren - nämlich durch unseren Shop-Vertrieb.

Warum sprechen wir von Shops und nicht von Bankfilialen? Ganz bewusst wollen wir uns von den herkömmlichen Filialen einer Bank, wie sie jeder kennt, absetzen und zwar indem wir bereits durch das Design unserer Shops eine andere Atmosphäre schaffen, wir andere Öffnungszeiten haben, wir dort sind, wo unsere Kunden auch einkaufen, nämlich in den typischen Einkaufslagen einer Stadt.

Indem wir schneller sind als die Konkurrenz, weil wir die Prozesse so aufgelegt haben, dass die entsprechenden Anfragen sehr schnell bearbeitet werden können.

Alles das - und das möchte ich ausdrücklich betonen - hat nichts damit zu tun, dass es bei uns einfacher ist, einen Kredit zu bekommen als bei anderen Banken. Wer bei seiner Sparkasse keinen Kredit bekommt, weil die

Bonität nicht stimmt, der bekommt bei uns auch keinen.

Wir möchten es mit unserem Ansatz dem Kunden leichter machen, sich mit dem Thema Kredit zu befassen - aber nicht auf Kosten des Risikos, das wir übernehmen, und vor allem nicht auf Kosten der Beratung. Denn das Shop-Konzept lebt von der Beraterqualität.

Wer sind Ihre wichtigsten Wettbewerber? Unser Hauptmitbewerber ist ganz klar Easy Credit, weil das Vertriebsmodell ganz ähnlich ist wie das unsere: Shop-Konzept und vergleichbare Öffnungszeiten. Wo unterscheiden Sie sich von Easy Credit?

Wir haben die höherwertigen Shops. Und: Wir können darüber hinaus die nötige Diskretion bieten, da wir in jedem Shop zwei abgetrennte Beraterräume haben. Denn auch die Kunden, die offen genug sind, einen Kredit-Shop zu betreten, wünschen Diskretion, wenn es an die persönlichen Details geht. Und das ist sicher ein ganz wesentlicher Unterschied.

Ein anderes Differenzierungsmerkmal, das wir in der nächsten Zeit verstärkt kommunizieren wollen, ist die Einbindung in die Fortis-Gruppe - einer Gruppe, die das vergangene Jahr mit einem Rekordergebnis abgeschlossen hat und die uns damit die langfristige Sicherheit bietet, unseren Kunden preislich attraktive Produkte anbieten zu können.

Im Bereich Bausparen ist das Phänomen zu beobachten, dass der Adressat Werbebotschaften registriert, sich aber nur schwer an den Absender erinnert und eine Differenzierung insofern schwer fällt. Befürchten Sie Ähnliches bei Konsumentenkrediten?

Ich glaube, dass dieses Risiko für uns nicht besteht. Wir sehen, dass eine hohe Zahl der Kunden auf unsere Fernsehwerbung reagiert.

Hinzu kommt: Wir müssen in der Werbung gleichzeitig das Produkt Credit4me und den Markennamen Fortis bewerben. Beides, das Unternehmen und unser Vertriebsmodell und damit das Produkt, ist neu und wenig bekannt. Genau das gereicht uns zum Vorteil. Weil unser Name neu ist und in der Werbung sehr fokussiert wird, bleibt er eher haften.

Wie definieren Sie Ihre Kernzielgruppe?

Wir konzentrieren uns auf die Altersgruppe zwischen 25 und 40/45 Jahre. Hier liegt zahlenmäßig das größte Potenzial. Hinzu kommt, dass diese Altersgruppe im Umgang mit dem Thema Kredit offener ist und sich seltener als ihre Eltern etwa bereits an eine Bank gebunden fühlt.

Was das Einkommen betrifft, sehen wir unsere Zielgruppe im mittleren Segment. In der Von Essen Bank sind wir definitiv in der Nische unteres Segment positioniert. Ergänzend schließt sich der Credit4me-Vertrieb für die mittleren Einkommen an.

Wie hat sich das Credit4me-Geschäft seit dem Markteintritt entwickelt?

2006 ging es uns vor allem darum, das Projekt umzusetzen und erste Shops zu eröffnen - immerhin 20 bis Ende des vergangenen Jahres. 2006 haben wir als Lernkurve begriffen - in Sachen Shopdesign und Marketing. So haben wir in dieser Zeit zum Beispiel lediglich lokal geworben. Mit jedem Shop haben wir etwas dazugelernt und diesen Lernerfolg in den folgenden Shops verarbeitet.

In diesem Jahr werden wir deutlich präsenter sein im deutschen Markt: Weitere 85 Shops werden eröffnet. Das erfordert natürlich auch einen anderen Marketing-Aufwand. Wir bündeln unsere Marketingpower stärker als bislang: So nutzen wir jetzt auch Fernsehwerbung neben Printanzeigen und Direct Mailing.

Und: Wir werden - basierend auf den Erfahrungswerten vom letzten Jahr - unsere Shops umgestalten und die Produkte, die wir bieten, gemeinsam mit unseren vertretenen Markenwerten, unkompliziert, kompetent und fair, für den Kunden bereits optisch deutlicher machen. Auch die bestehenden Shops werden entsprechend umgerüstet.

Wie sieht diese Umgestaltung aus?

In puncto Architektur hat sich nichts verändert. Was wir verändert haben, ist die Werblichkeit nach außen, Farbgestaltung im Innern und die Gestaltung der Botschaften.

Anfangs waren wir sehr designorientiert, ein Ergebnis der Tests, die wir gefahren hatten. In der Praxis hat sich diese Orientierung aber leider nicht beweisen können; die Kunden verstanden nur schlecht, worum es bei uns eigentlich geht. So kamen Kunden, um ihr Handy reparieren zu lassen, um sich die Haare schneiden zu lassen, vor allem aber um Reisen zu buchen.

Der äußere Eindruck setzte sich innen fort: Es war nicht deutlich genug zu erkennen, was man wo findet. Das haben wir mittlerweile angepasst und glauben, jetzt ein harmonischeres und integrierteres Konzept zu haben.

Sie verkaufen in den Shops nicht nur Ratenkredite, sondern auch Hypothekendarlehen und Kreditkarten. Wie erfolgreich sind Sie damit?

Unsere Ausrichtung ist natürlich primär auf den Ratenkredit, der bei uns Sofortkredit heißt, fokussiert. Mit den ersten Shops haben wir auch nur diesen Sofortkredit beworben. Das hat sich mittlerweile geändert. Wir merken jetzt, dass wir beträchtliche Steigerungsraten der Beratungsgespräche in der Baufinanzierung haben.

Im Bereich Kreditkarten haben wir unsere Marketingaufwendungen zurzeit noch bewusst etwas zurückgeschraubt, weil wir in den nächsten Wochen sehr aggressiv mit individuell gestalteten Kreditkarten auf den Markt gehen möchten.

Grundsätzlich sind Kreditkarten ein Kerngeschäft von Fortis. Fortis ist Marktführer in den Beneluxstaaten. Deshalb liegt es auf der Hand, dass wir auch in Deutschland mit dem Produkt Kreditkarten an den Markt gehen werden - und zwar nicht nur vertrieben durch den Bereich Consumer Finance, also über die Von Essen Bank und Credit4me. Sondern darüber hinaus auch über eine eigenständige Firma Fortis Kreditkarten, die das Kartengeschäft sehr aktiv betreiben wird.

Gibt es im Shop den SB-Kreditantrag?

An den Self-Service-Terminals in den Shops können die Kunden auch den Inter-net-Antrag ausfüllen. Wir haben aber festgestellt, dass das kaum genutzt wird. An den Terminals führen viele Kunden zunächst einmal ihre Haushaltsrechnung durch. Für den Kreditantrag selbst wenden sie sich dann aber meist doch an den Berater.

Im Grunde dienen die SB-Terminals vor allem dazu, Hemmungen abzubauen. Denn in Deutschland ist das Thema Kredit noch immer fast ein Tabuthema. Über Kredite spricht man in Deutschland einfach nicht - übrigens anders als in anderen europäischen Ländern, wo man viel offener mit dieser Themaitk umgeht. Das hat nichts damit zu tun, dass in diesen Ländern die Zahlungsmoral schlechter und die Überschuldung höher wäre. Ich bin genau vom Gegenteil überzeugt. Überschuldung tritt meistens ein, weil die Menschen weniger informiert sind. Und in einem Markt, in dem das Thema Kredit ein Tabuthema ist, ist natürlich auch die Information schlechter.

Wie beurteilen Sie die öffentliche Diskussion zum Thema Restschuldversicherung (RSV)?

Es gibt Märkte in Europa, in denen kein Kunde einen Ratenkredit ohne eine RSV aufnehmen würde. Es geht doch in erster Linie darum, als Kreditnehmer verantwortlich zu agieren und seine Familie zu schützen. Das ist mit einer RSV möglich - wird hier in Deutschland aber selten diskutiert.

Ich könnte die Kritik der Verbraucherschützer eher nachvollziehen, wenn es Banken gäbe, die die RSV zwangsweise an den Kredit koppeln und überteuerte Prämien verlangen würden. Die meisten Angebote sind im Pricing aber absolut korrekt. Ich wünsche mir für dieses Thema eine Versachlichung der Diskussion, zum Beispiel durch einen Blick über den Zaun zu unseren europäischen Nachbarn.

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