Privatkundengeschäft

Diskussion um die Restschuldversicherung: mehr Sachlichkeit bitte

Die Restschuldversicherung (RSV) steht in Deutschland für einen Versicherungszweig, der in seiner volkswirtschaftlichen Bedeutung weithin unterschätzt wird. Das Prämienvolumen von geschätzten zwei Milliarden Euro wird zum überwiegenden Teil von Spezialanbietern, die meisten davon im freien Dienstleistungsverkehr oder über deutsche Niederlassungen aus dem europäischen Ausland heraus, generiert. Selbst große deutsche Anbieter wissen um die Vorzüge ausländischer Aufsichts-Regimes und haben daher ihre RSV-Aktivitäten auf Tochtergesellschaften ins europäische Ausland, zum Beispiel nach Luxemburg, in die Niederlande oder Frankreich, verlagert. Dort können sie unter anderem von den einfacheren Rahmenbedingungen für das Gruppenversicherungsgeschäft profitieren.

Im Bereich der RSV hat sich mittlerweile auch in Deutschland das Gruppenversicherungsvertragsmodell durchgesetzt, da es in der Verwaltung deutlich kostengünstiger und in der Produktgestaltung flexibler ist.

Deutschland: unverändert günstige Rahmenbedingungen

Unabhängig vom Stammsitz hat sich jeder in Deutschland tätige Restschuldversicherer dem deutschen Vertragsrecht und den hierzulande geltenden gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Normen in Bezug auf sein Verhältnis zu seinen Vertragspartnern und den Versicherten zu unterwerfen. Interessant ist es daher, einmal der Frage nachzugehen, mit wie vielen und welchen RSV-spezifischen Normen wir es in Deutschland eigentlich zu tun haben. Die Antwort auf diese Frage fällt kurz aus: außer § 492, Abs 1, Ziff. 6 BGB (Angabe von Kosten einer RSV, die im Zusammenhang mit einem Verbraucherdarlehensvertrag angeboten wird) gibt es nur eine einzige gesetzliche Bestimmung, die sich explizit auf die RSV bezieht. Es handelt sich dabei um § 34 d, Abs. 9, Ziff. 3 der GewO, der die Vermittlung von RSV im Vergleich zu anderen Versicherungszweigen privilegiert. Die Zulassungsrestriktionen für die Versicherungsvermittlung gelten dann nicht, wenn der Gewerbetreibende die RSV "als Zusatzleistung zur Lieferung einer Ware oder der Erbringung einer Dienstleistung im Zusammenhang mit Darlehens- und Leasingverträgen vermittelt, deren Jahresprämie einen Betrag von 500 Euro nicht übersteigt."

Hier hat sich der Gesetzgeber bei Schaffung des Ausnahmetatbestands bei der Übertragung der EU-Vermittlerrichtlinie in deutsches Recht offenbar von dem Gedanken leiten lassen, dass eine breite Absicherung der Kreditnehmer mit Restschuldversicherungen das Gemeinwohl fördert und daher deren Vermittlung möglichst wenig eingeschränkt werden soll. Dieses Privileg ist andererseits auch ein besonderer Vertrauensvorschuss des Gesetzgebers in die Qualität der RSV-Produkte, sowie ihre leicht verständliche, kunden- und bedarfsorientierte Vermittlung. Ob die gegenwärtige Produktgestaltung und die vorherrschende Vertriebspraxis für die RSV in Deutschland allerdings dieses Vertrauen auch verdient, muss gelegentlich in Zweifel gezogen werden.

Die Frage ist also: Was muss die Versicherungswirtschaft, namentlich die RSV-Anbieter, tun, um das Vertrauen zu rechtfertigen? Was muss geschehen, damit in Deutschland nicht ähnliche Rahmenbedingungen wie in Großbritannien oder den Niederlanden eintreten, wo Restschuldversicherungen nur noch als Mittel zur Ertragsgenerierung für den Vermittler herzuhalten schienen und in der Produkt- und Vertriebsumsetzung der Kundennutzen aus dem Blickfeld gerückt war? In den genannten Ländern wurden inzwischen die gesetzlichen Vermittlungsbedingungen für die RSV massiv eingeschränkt und erschwert. Volkswirtschaftlich sind diese Einschränkungen ebenso zweifelhaft in ihrer Wirkung wie zuvor die nicht kundenorientierte Ausprägung der RSV. Der Absicherungsgrad der Kreditnehmer hat in diesen Ländern bedrohlich niedrige Ausmaße angenommen und dadurch befindet sich auch die Anzahl an Privatinsolvenzen mit all ihren Negativauswirkungen auf die Wirtschaft im Anstieg.

RSV in der Rechtsprechung: uneinheitliches Bild

Auch wenn auf gesetzlicher Basis über die RSV, insbesondere in der Gestaltungsform des Gruppenversicherungsvertragsmodells, wenig geregelt wurde, so sollte die dichte Fallzahl an Entscheidungen zur RSV in Deutschland keine Zweifel an der korrekten Auslegung der wichtigsten rechtlichen Fragestellungen rund um das Thema RSV lassen. Hier einige typische Streitpunkte:

Zulässigkeit und Gültigkeit der "12/24 Ausschlussklausel" zur Regelung der Wartezeit bei Arbeitsunfähigkeit,

Verbundenheit zwischen Kredit- und RSV-Vertrag,

Beraterhaftung wegen Unterlassen des Anbietens einer RSV beim Darlehensabschluss,

(keine) Effektivzinswirksamkeit der RSV,

(Un-)Zulässigkeit der sogenannten "Debt cancellation" (restschuldversicherungsähnliche Leistungsversprechen in Kredit-AGB, s),

(Keine) Versicherungssteuerpflicht auf die Arbeitsunfähigkeitsversicherung - Infektionsgefahr bei gebündelten Verträgen,

(Keine) Anrechenbarkeit von RSV-Leistungen auf den Hartz IV-Bezug.

Leider sind sich zu einzelnen dieser Fragestellungen die Gerichte auf allen Ebenen oft uneins. Mögliche Ursache für diese uneinheitliche Rechtsprechung mag die häufige Anwendung des Gruppenversicherungsvertragsmodells sein, für das es nur wenig gesetzliche Grundlagen gibt. Die meisten Vorschriften des VVG regeln nämlich das Verhältnis zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern, beim Gruppenversicherungsvertrag ist letzterer jedoch die Bank und nicht der Darlehensnehmer.

Ob und wie weit diese VVG-Normen gegenüber versicherten Personen eines Gruppenversicherungsvertrages gelten, ist höchst umstritten. So schrieb Prof. Dr. Peter Schimikowski von der FH Köln in der "Festschrift für Prof. Wälder" in 2009 zusammenfassend: "In Deutschland existieren keine Regelungen über Gruppen- oder Kollektivversicherungen. Die Rechtslage ist gesetzlich nicht fixiert und die Behandlung in der Literatur uneinheitlich."

Restschuldversicherung in den Medien

Die Würdigung der RSV in den Medien und damit in der öffentlichen Debatte wird letztendlich entscheidenden Einfluss auf die weitere Gestaltung der Rahmenbedingungen für die RSV haben; nicht nur, weil Verbraucher hiernach ihre Kaufentscheidungen ausrichten und sich die RSV-Vermittler - Bankangestellte, Handelsmitarbeiter, Autoverkäufer et cetera - von ihr beeinflussen lassen, sondern weil die politische Willensbildung und damit die weitere Gesetzgebung hiervon stark abhängt. In letzter Zeit berichten "Verbraucherschützer" und die Verbraucherpresse vermehrt negativ über die RSV.

Um Vorwürfen wirksam entgegenzutreten, ist es wichtig, in die Diskussion mehr Sachlichkeit und Objektivität einzuführen; in der Hoffnung, dass am Ende die Entscheidung für oder gegen eine RSV nicht von subjektiver Berichterstattung und Fehlinformation, sondern von der individuellen Bedarfslage des Verbrauchers auf Basis sachlich zutreffender Informationen geleitet wird. Daher nachfolgend einige Fakten zu den Hauptkritikpunkten an der RSV:

1. Gehen Restschuldversicherungen am Bedarf der Kreditnehmer vorbei? Repräsentative Studien belegen, dass die Absicherung des Risikos, einen Kredit nicht vertragsgemäß zurückführen zu können, für die Kunden von sehr großer Bedeutung ist. Einer Bank gegenüber einen vertraglich geschuldeten Betrag von zum Beispiel 5000 Euro nicht rechtzeitig zurückzahlen zu können, wird subjektiv als größeres Problem betrachtet, als beispielsweise einen entsprechend hohen Unfallschaden an seinem Fahrzeug von der Kaskoversicherung nicht ersetzt zu bekommen.

Die hohe Bedeutung der Absicherung von Bankschulden gilt sowohl für Konsumentenkredite1), wie aus einer repräsentativen GfK-Studie hervorgeht, als auch für Immobiliendarlehen2), so das Ergebnis einer von Cardif in Auftrag gegebenen Studie. Über 85 Prozent der Befragten würden demnach eine Finanzierung mit RSV gegenüber einer Finanzierung ohne Absicherung bevorzugen, selbst wenn sie dafür einen Aufschlag zahlen müssten.

Wenn man die Sinnhaftigkeit eines Versicherungsprodukts kritisch hinterfragt, tut man dies am besten anhand der betreffenden Leistungs- beziehungsweise Schadeneintrittswahrscheinlichkeit und indem man überlegt, ob ein solcher Leistungsfall eine für den Betroffenen wirtschaftlich existenzbedrohende Lage darstellt oder nicht. Beide Kriterien auf die RSV angewandt führen zu einem eindeutig positiven Votum für das Produkt, denn sie kommt für den Großteil der Risiken auf, die die Ursachen von Privatinsolvenzen sind (siehe Abbildung 1).

Die Brisanz der Zahlen einer Versorgungslückenberechnung (siehe Abbildung 2) lässt keinen Zweifel offen: Die Absicherung einer Ratenverpflichtung gegen die Risiken einer längerfristigen Erkrankung (einschließlich Berufsunfähigkeit) oder gar Arbeitslosigkeit ist unbedingt geboten. Die durch solche Umstände entstehende Einkommenslücke kann selbst kurzfristig kaum ohne entsprechende Absicherung in Form einer RSV finanziell überwunden werden, wenn neben den Lebenshaltungskosten auch noch hohe Kreditverpflichtungen bestehen. Eine Absicherung dieses Risikos ist nur über die RSV möglich.

Die RSV hat aber nicht nur für den einzelnen Kunden, der finanziert, eine wichtige Bedeutung. Auch volkswirtschaftlich ist diese sehr groß, da Verbraucherinsolvenzen die Wirtschaft und den Staatshaushalt erheblich belasten. Mithilfe der Absicherung können diese Privatinsolvenzen abgefangen beziehungsweise reduziert werden. Immerhin ist Arbeitslosigkeit für ein Drittel aller Privatinsolvenzen die Hauptursache3), wie aus dem iff-Überschuldungsreport 2009 hervorgeht. Letztendlich ist auch die Bedeutung für die Banken selbst nicht zu unterschätzen, die auf diese Weise einen Teil ihrer Bankrisiken "outsourcen" und so der Nutzen der RSV im Rahmen der Kreditvergabepraxis auch dem einzelnen Endverbraucher wieder zugutekommt.

RSV deckt mehr Arbeitslosigkeitsfälle ab als Arbeitsagentur

Die Deckung des Risikos Arbeitslosigkeit hat Cardif 1996 in Deutschland erstmals auf Gruppenversicherungsvertragsbasis eingeführt. Heute versichert Cardif über zwei Millionen Personen in Deutschland in dieser Sparte, weltweit sind es fast 20 Millionen Personen. Seit Markteinführung steigt die Inanspruchnahme stetig an, inzwischen deutlich überproportional zu den Veränderungen der ALG-I-Bestandszahlen. So stieg die Anzahl der ALG-I-Empfänger im Verhältnis zu den gesetzlich Versicherten seit September 2009 nur um acht Prozent, während die Anzahl der AL-Leistungsfälle in der Restschuldversicherung um annähernd 30 Prozent anstieg. Daran zeigt sich, dass die Restschuldversicherung das Leistungsspektrum der Arbeitsagenturen durch zahlreiche Leistungserweiterungen deutlich überschreitet und damit weit mehr Arbeitslosigkeitsfälle abdeckt.

Als neue Leistungsbausteine innerhalb der in der Sparte "Versicherung gegen sonstige finanzielle Verluste" abgegebenen Arbeitslosigkeitsversicherung hat Cardif neben anderen Anbietern innovative Deckungserweiterungen eingeführt, die das Leistungsgeschehen auf der Schadenseite stark beeinflussen: Unter anderem sind das die Mitversicherung

von Freiberuflern und Unternehmern bei Unternehmensaufgabe und Insolvenz (Anwendungsbereich Firmenkredit),

der berufsbedingten Versetzung (Anwendungsbereich Baufinanzierungen),

der freiwilligen Arbeitslosigkeit bei Pflegebedürftigkeit eines Familienangehörigen im eigenen Haushalt,

der Arbeitslosigkeit von geringfügig Beschäftigten (ab 15 Wochenarbeitsstunden),

der Arbeitslosigkeit bei Arbeitsverhältnissen während der Befristung.

Zudem hat Cardif als erster Restschuldversicherer in Deutschland neben der Restschuld- oder Ratenübernahme zusätzliche Assistance-Services in den Versicherungsumfang integriert. Die Dienstleistungen helfen dem Kunden, die persönliche Ausnahmesituation einer Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit schneller zu überwinden. So erhält der Kunde bereits im Falle einer drohenden Arbeitslosigkeit umfangreiche Unterstützung im Bewerbungsprozess und juristischen Rat. Die Assistanceleistungen werden losgelöst von einem ersatzpflichtigen Leistungsfall erbracht.

Auch in den anderen RSV-Sparten wurde inzwischen der Leistungskatalog ausgebaut, so zum Beispiel in der Arbeitsunfähigkeits- (AU-) Versicherung:

Mitversicherung von AU infolge psychischer Erkrankungen (zum Beispiel "Burn-out-Syndrom"),

Mitversicherung von AU infolge Krankheiten des Gelenk- und Stützapparats,

Fortzahlung der AU-Leistung auch bei Feststellung der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder der Pflegebedürftigkeit in den Pflegestufen 1 bis 3.

Auch für das Risiko Arbeitsunfähigkeit wurden Assistance-Services integriert. Diese reichen von praktischen Alltagshilfen über Organisationsleistungen bis hin zu Kostenübernahmen für die Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung, Krankentransporte und Reha-Hilfen. Ziel ist auch hier die zügige Wiederherstellung der Gesundheit und somit auch die Wiedereingliederung ins Erwerbsleben. Auch die konventionelle Todesfallversicherung, die im Leistungsfall die Restschuld oder die bis Kreditvertragsende noch fälligen Darlehensraten ablöst, wurde in ihrer Leistungsbreite erweitert: Durch Mitversicherung von Schweren Erkrankungen ("Dread Diseases") und von Pflegebedürftigkeit.

2. Sind Restschuldversicherungen zu teuer? Eines der immer wieder zu hörenden Vorurteile gegen die RSV ist der angeblich zu hohe Preis dieser Absicherung. Doch das Gegenteil ist oftmals richtig, denn: Im Vergleich zur Kombination von Einzelversicherungen ist die RSV häufig billiger. Aufgrund der kollektivvertraglichen Konstruktion und damit niedrigeren Kostenstrukturen von RSV-Spezialanbietern können Restschuldversicherer wie etwa Cardif ihre Prämien im Vergleich zur Kalkulation von Individualversicherern sehr günstig gestalten. Selbst bei relativ hohen Provisionsmargen gelingt es ihnen, ihre Risiken günstiger zu kalkulieren, als es der Markt der Individualversicherer in Deutschland macht (siehe Abbildung 3).

Dem Vergleich in der Abbildung 3 liegt ein durchschnittlicher Prämientarif von Cardif (inklusive marktüblicher Provisionen) auf Basis monatlicher Beitragszahlung bei zehn Jahren Laufzeit und einer einmaligen Versicherungssumme von 24 000 Euro im Todesfall sowie 200 Euro monatlich bei Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit zugrunde. Verglichen wurden die Prämien für Individualversicherungsverträge in Form einer Risikolebensversicherung, einer Krankentagegeldversicherung (Karenzzeit 43 Tage), einer Berufsunfähigkeitsversicherung sowie einer kalkulatorischen Prämie für die Absicherung des Arbeitslosigkeitsrisikos (auf Basis des Beitragssatzes der gesetzlichen Arbeitslosigkeitsabsicherung), da dieses nicht anderweitig privat abgesichert werden kann.

Wie man sieht, ist die altersunabhängige Tarifierung in allen Altersklassen günstiger als die zusammengesetzten Produktbeiträge aus dem Individualversicherungsmarkt (zugrunde gelegt wurden Beiträge von marktdurchschnittlichen Serviceversicherern). Hier zu argumentieren, die RSV sei "zu teuer", ist schlichtweg falsch und von denjenigen, die so (vor-)urteilen, nie durch einen entsprechenden Vergleich belegt worden. Dass dennoch teilweise hohe Prämien im Vergleich zur abzusichernden Darlehensverpflichtung angeboten werden, liegt einmal daran, dass ein Einmalbeitrag subjektiv nach mehr aussieht als ein Monatsbeitrag, zum anderen daran, dass einige RSV-Anbieter immer noch mit alters- und geschlechtsabhängigen Tarifen arbeiten und bei hohen Eintrittsaltern der Darlehensnehmer entsprechend hohe Tarifsätze angesetzt werden.

Besonders kritisch ist dann eine RSV-Prämie, wenn bei altersspezifischer Tarifierung neben dem älteren Darlehensnehmer auch noch dessen älterer mithaftender Ehepartner versichert wird. Solche Konstellationen führen dann - berechtigterweise - zu Unverständnis und Kritik. Daher empfehle ich, grundsätzlich nur auf altersunabhängige RSV-Tarife zu setzen und im Falle der Mitversicherung eines zweiten Darlehensnehmers diesem einen angemessenen Rabatt einzuräumen.

3. Enthalten Restschuldversicherungen zu hohe Provisionen? Vielfach geht mit der Kritik am (zu) hohen Preis einer RSV der Vorwurf einher, ihre Provisionen seien grundsätzlich zu hoch. Dieses Vorurteil scheint die Versicherungswirtschaft insgesamt zu treffen, betrachtet man die ganze Diskussion um die Ausweisverpflichtung von Abschlusskosten bei Lebensversicherungen.

Wenn es um Anspar- oder Altersrentenprodukte geht, kann man dafür noch Verständnis haben, da der Anleger/Sparer zurecht den Anspruch hat, dass die prospektierten Renditen oder Zinsen seines Produkts nicht durch zu hohe Kosten wieder aufgezehrt werden. Aber beim klassischen Absicherungsprodukt ohne Anlagecharakter habe ich für diese Debatte überhaupt kein Verständnis. Es gibt auch niemanden, der sich ernsthaft darüber beklagt, dass die Marketing- und Vertriebskosten eines Marken-Turnschuhs 80 Prozent seines Preises ausmachen. Verbraucherschützer, die dennoch glauben, die vermeintlich zu hohen Provisionen einer RSV kritisieren zu müssen, sollten sich vor Augen halten, dass der Preis anderer alltäglicher Produkte wie der Abonnementtarif für eine Tageszeitung zum Beispiel mit Vertriebskosten von deutlich über 50 Prozent kalkuliert wird. Auch hieran gibt es nichts zu kritisieren, wenn der Kunde in seinem individuellen Kosten-Nutzen-Vergleich diesem Preis einen angemessenen Gegenwert gegenübersieht und sich aufgrund dessen für den Kauf entscheidet.

Die Frage der Angemessenheit der RSV-Provision hat natürlich auch eine moralische Dimension. Dürfen Banken an den von ihnen vermittelten Produkten "so viel" verdienen? Ja, sie dürfen, wenn dafür eine angemessene Gegenleistung von ihnen als Vermittler oder Gruppenvertragspartner erbracht wird! Und das gilt bei der RSV um vieles mehr, als bei konventionellen Versicherungsprodukten, da hier die Leistungsbreite und -tiefe weit über eine reine Vermittlungsleistung hinausgeht.

Hier nur einige der Tätigkeitsbereiche, die einer Bank im klassischen RSV-Modell als Gruppenversicherungsvertragspartner obliegen: Die Gewinnung von Versicherten für den Beitritt zum Gruppenversicherungsvertrag (Vermittlungsleistung im eigentlichen Sinne), die Beratung, Information interessierter Personenkreise, die Dokumentation des Versicherungsschutzes, die Verwaltung der Kundendaten, die Erstellung von Statistiken und Reportings, die Rückrechnung bei Darlehensablösung, Ratenplanänderungen et cetera, die Incentivierung und Schulung des eigenen Beratungspersonals, die Annahme von Leistungsfällen und die Beratung und Auskunft zu Leistungsfragen und ganz besonders zu erwähnen im Gruppenversicherungsvertragsmodell: Die Sicherstellung eines ausgeglichenen und versicherungstechnisch ausgewogenen Versichertenkollektivs (Risikosteuerung)!

4. Sind die Allgemeinen Versicherungsbedingungen von Restschuldversicherungen kundenunfreundlich? Vielfach beklagt sich der Verbraucherschutz über die angeblich hohe Zahl an Leistungsfällen, die aus dem Katalog einer RSV ausgeschlossen sind. Auch dieses Vorurteil ist nicht zutreffend, denn - wie schon oben dargestellt - der Leistungskatalog einer modernen RSV ist extrem weit gefasst.

Fakt ist allerdings, dass es in der RSV in deutlich mehr Fällen zu Leistungsablehnungen kommt als in anderen Versicherungssparten. Dies liegt an der für das RSV-Modell üblichen, sogenannten "Ausschlussklausel 12/24". Diese Klausel ist aufgrund der Tatsache notwendig, dass die RSV ohne vorherige Antrags- und Risikoprüfung abgeschlossen wird und damit jedem Darlehensnehmer zur Verfügung steht, unabhängig von seinem persönlichen Gesundheits- oder Risikostatus. Die "Ausschlussklausel 12/24" ersetzt somit die sonst übliche wirtschaftliche und medizinische Antragsprüfung und Selektion.

Das Prinzip dieser Klausel ist ebenso einfach wie transparent: In den ersten 24 Monaten des Versicherungsschutzes sind Versicherungsfälle ausgeschlossen, die auf Krankheiten beruhen, wegen derer die versicherte Person in den letzten zwölf Monaten vor Versicherungsbeginn ärztlich behandelt oder beraten wurde. Diese Klausel ist bei genauerer Betrachtung besonders kundenfreundlich, denn:

Entscheidend für die Ausschlussklausel sind lediglich ernstliche Vorerkrankungen, die in den letzten zwölf Monaten vor Vertragsabschluss ärztlich festgestellt und behandelt wurden. Bei anderen Personenversicherungen wird nach den letzten fünf bis zehn Jahren zurückgefragt.

Auch Personen mit schweren Vorerkrankungen, die üblicherweise als nicht mehr versicherbar gelten, genießen Versicherungsschutz für alle nicht vorerkrankungskausalen Leistungsfälle.

Keine Einrede der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung.

Versicherungsschutz wird mit Beitrittserklärung gegeben.

Keine umständlichen Arztanfragen oder kostenaufwändigen Arztatteste.

Nach 24 Monaten besteht sogar für alle Vorerkrankungen voller Versicherungsschutz!

5. Werden Restschuldversicherungen üblicherweise ohne angemessene Beratung, Information und Wahlfreiheit angeboten? Kunden, die eine RSV abschließen, werden in der Regel folgende Informationsdokumente beim Abschluss eines Kredits mit RSV überreicht: Beratungsprotokoll, Beitrittserklärung, Allgemeine Versicherungsbedingungen, Produktinformationsblatt (nur bei Einzelversicherung von Verbrauchern zwingend), Widerrufsbelehrung. Ein Defizit in Sachen Informationsumfang ist daher nicht feststellbar. Doch bekanntlich ist Informationsmenge nicht immer gleichzusetzen mit Informationsqualität. In punkto Informations- und Beratungsqualität in der RSV könnten manche RSV-Anbieter (Banken, sonstige Vermittler und Versicherer) durchaus noch mehr Sorgfalt und Kundenorientierung walten lassen.

Auch den RSV-Versicherern - selbst wenn sie nicht unmittelbar in die Endkundenberatung involviert sind - kommt eine besondere Verantwortung zu, hohe Beratungs- und Informationsqualität sicherzustellen. Die RSV-Versicherer sollten es nicht alleine ihren Vertriebspartnern überlassen, über die Ausgestaltung des Beratungs- und Vertriebsprozesses zu entscheiden, denn Fehler und Versäumnisse treffen am Ende Bank und Versicherer. Ein guter RSV-Versicherer zeichnet sich daher auch darin aus, dass er Schulungs-, Trainings- und Marketingressourcen für seine Partner bereithält. Bei Cardif sind das mehr als 20 Prozent der für die RSV bereitgehaltenen Personalstärke. Zudem bietet der Versicherer den institutionellen Partnern e-Learning-Programme an, um die Beratungsqualität nachhaltig sicherzustellen.

Aufgrund der Besonderheit des Geschäftsmodells der RSV war es einem Kreditnehmer bislang nicht möglich, eine RSV außerhalb des Angebots der kreditgebenden Bank abzuschließen. In der RSV zur Baufinanzierung hat sich diese Situation bereits verändert: Große Baufinanzierungsplattformen und -vermittler bieten bereits eigenständige RSV-Tarife losgelöst vom Angebot der finanzierenden Banken an. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis entsprechende Angebotsalternativen auch für den Bereich des Ratenkredits oder anderer Kreditformen üblich werden. Dann spätestens gilt auch das Argument einiger RSV-Kritiker nicht mehr, der Kunde habe keine Wahlmöglichkeiten bei Abschluss einer RSV.

Verbesserungspotenzial für die Restschuldversicherung

Die RSV steht unter kritischer Beobachtung durch Verbraucherschutzorganisationen und Judikative. Dies ist meines Erachtens größtenteils darauf zurückzuführen, dass Medien und Öffentlichkeit unzureichend über die Faktenlage zur RSV aufgeklärt werden. Die RSV in ihrer modernen Form braucht sich nicht zu verstecken. Ihre Leistungsinhalte sind meist besser als die Versicherungsangebote außerhalb der RSV-Branche. Das gilt insbesondere für das nach wie vor in der RSV exklusive Angebot der Arbeitslosigkeits-Versicherung. Aber auch der Preis ist fair und angemessen, unbeschadet der Tatsache, dass RSV-Anbieter in der Regel höhere Provisionen an ihre Vertriebspartner zahlen als konventionelle Versicherer. Dies ist durch den deutlich höheren Arbeitsaufwand der vermittelnden Bank auch gerechtfertigt. Selbst die häufig kritisierte "Ausschlussklausel 12/24" birgt mehr Vor- als Nachteile für die Verbraucher, wenn man sich einmal die Mühe macht, sie genauer zu analysieren.

Trotzdem will ich nicht den Eindruck erwecken, Restschuldversicherungen könnten nicht noch besser werden. Einige Trends scheinen dabei unvermeidbar:

Es werden künftig mehr Verträge auf Basis von Monatsprämien (anstatt Einmalprämien) anzubieten sein.

Mit Einführung von Assistanceleistungen und weiterem mehr werden kundenfreundlichere Entscheidungen beim Schadensmanagement anzustreben sein.

Restschuldversicherer werden sich einen breiteren Produkt-Mix und neue Vertriebskanäle schaffen (Stichwort "Payment Protection").

Größte Sorgfalt werden Restschuldversicherer bei Vertrieb, Kommunikation und Marketing walten lassen müssen, auch wenn scheinbar nur ihr Vermittlungspartner dem Endverbraucher gegenüber in Erscheinung tritt.

Unterm Strich wird jeder Restschuldversicherer gut beraten sein, der Handlungsmaxime zu folgen: "Treat your customers fairly! ", auf Deutsch: "Behandle Deine Endkunden freundlich und korrekt".

Anmerkungen

1 GfK-Studie im Auftrag des Bankenfachverband "Kundenzufriedenheitsstudie Restkreditversicherung" im Januar 2008

2 GfK-Studie im Auftrag von Cardif "Absicherung einer Immo-bilien-Finanzierung" im April 2004

3 Studie des Instituts für Finanzdienstleistungen e. V. "iff Überschuldungsreport"

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors bei der Expertenkonferenz Payment Protection 2010.

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