Leitartikel

Nur eine Atempause

sb - Die Meldung vom 14. Januar, dass Fortis Consumer Finance Deutschland alle Aktivitäten der Fortis Finanz GmbH (früher Credit4me) einstellt, kam so überraschend nicht. Der Erfolg der Shops, so war im Markt seit geraumer Zeit bekannt, hielt sich in Grenzen, lag jedenfalls deutlich unter den selbst gesteckten Zielen. Unter anderem mag das an der Standortpolitik gelegen haben: Wo Wettbewerber in den Fußgängerzonen präsent sind, sind Standorte abseits der Lauflagen wohl doch nicht ausreichend - zumal, wenn es noch an Vertrautheit mit der Marke und dem Vertriebskonzept fehlt. Sowohl das Filialgeschäft als auch der Direktvertrieb hätten deshalb jetzt und in naher Zukunft weitere, hohe Investitionen gefordert, um substanziell profitabel arbeiten zu können, so Charles McArthur, CEO von Fortis Consumer Finance Deutschland. Nicht zuletzt wären dies wohl Marketingmaßnahmen gewesen, die in zweierlei Hinsicht ein ehrgeiziges Ziel hätten verfolgen müssen: Die Stärkung der Markenbekanntheit einerseits und - noch schwieriger - das Werben um Vertrauen für eine Marke, die so manchem Verbraucher in Deutschland erst im Zusammenhang mit den Krisenmeldungen begegnet sein dürfte. Für solche Anstrengungen aber fehlt in der jetzigen Situation offenkundig das Geld. Ohne die Aktivitäten der Von Essen Bank als Standbein des Privatkundengeschäfts in Deutschland zu gefährden, sind die nötigen Aufwendungen derzeit nicht zu leisten.

Die Entscheidung der Belgier, sich in schwierigen Zeiten von mäßig erfolgreichen Aktivitäten im Ausland zu trennen, mag schwer gefallen sein. Neu ist ein solcher Schritt nicht. Der Ratschlag der Bibel, sich von nicht funktionierenden Gliedern zu trennen, um den Organismus als Ganzes zu retten ("Es ist dir besser, dass eins deiner Glieder verderbe, und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde.", Matthäus 5,30) wurde auch von anderen Häusern wiederholt befolgt. So haben die deutschen Discount-Broker nach dem Einbruch 2000 ihre Auslandsaktivitäten gekappt. Umgekehrt hat sich die Royal Bank of Scotland jetzt aus dem Ratenkreditgeschäft und dem Kartengeschäft in Deutschland zurückgezogen.

Für den Moment genießen Finanzdienstleister "Made in Germany" also zweifellos eine Atempause im zunehmend internationalen Wettbewerb. Im Einlagengeschäft profitieren sie nach dem Kaupthing-Debakel von einem Vertrauensvorschuss - wenn auch dieser Vorteil durch das Eingreifen der Bundesregierung zugunsten der 30 000 Anleger, die alle Warnungen in den Wind schlugen, schon wieder gemildert sein dürfte. Im Kreditgeschäft zieht sich die ausländische Konkurrenz freiwillig zurück. Das mag den deutschen Banken helfen, sich beim Kunden als vertrauenswürdige Anbieter zu positionieren. Vielleicht kann auch der heftige Konditionenwettbewerb ein bisschen gebremst werden.

Schadenfreude über die gebeutelten Wettbewerber, die sich zum (einstweiligen) Rückzug genötigt sehen, ist aber gleichwohl nicht angesagt. Die gewonnene Atempause muss intensiv genutzt werden. Denn wirklich verabschiedet haben sich die Ausländer aus dem deutschen Markt keineswegs: Der Crédit Mutuel beginnt gerade vorsichtig, mit der Citibank Präsenz zu zeigen. Fortis bleibt mit der Von Essen Bank in Deutschland präsent - und hält sich damit die Option offen, von dieser Basis aus irgendwann auch wieder aggressiver in den Markt einzugreifen. Und die Royal Bank of Scotland hat vom Kartengeschäft einen interessanten Brocken behalten: Unter der Marke World Pay agiert sie im Acquiring-Geschäft und kann hier im Sepa-Umfeld vielleicht bald Größenvorteile gegenüber den nationalen Champions ausspielen. Der vermeintliche Rückzug aus dem deutschen Markt ist somit nur ein Abschied von schwierigen Geschäftsfeldern, die man gern den Deutschen überlässt - doch das nur auf Zeit.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X