Gespräch des Tages

Royal Bank of Scotland Schrumpfender Riese

Es ist lange, lange her, dass die Menschen vor allem an den Küsten Norddeutschlands, der Benelux-Länder und Frankreichs die Riesen aus dem Norden gar schrecklich fürchteten. Gemeint sind damit natürlich die Wikinger, germanischen und sächsischen Ursprungs, die von Skandinavien und England aus mit ihren Überfällen Angst und Schrecken unter den Küstenbewohnern verbreiteten. Sie sind bekanntlich dahingegangenen, die Wikinger, sesshaft geworden und haben ihre Plünderungen schon lange eingestellt. Auch ein anderer "Riese aus dem Norden" schrumpft derzeit auf Normalmaß zurück. Dabei hat die Royal Bank of Scotland in den vergangenen zehn Jahren die europäische Bankenlandschaft fast genauso beunruhigt wie die Wikinger die Küstenbewohner. "Royal Bank of Scotland läuft auf Hochtouren", "Furioser Ergebnisauftakt nach Fusion", "Royal Bank of Scotland zeigt keine Schwäche" - Headlines dieser Art konnte man Jahr für Jahr in Zeitungen aller Art zuhauf lesen. Staunen, vielleicht gar ein wenig Bewunderung und sicherlich Neid waren die Empfindungen der Kollegen auf der Insel, aber auch auf dem Festland.

Zu Recht: Seit dem Amtsantritt des noch amtierenden CEO, Fred Goodwin, im Jahr 1999 sprudelten die Gewinne, lagen die Eigenkapitalrenditen deutlich im zweistelligen Bereich, wurden Aktionäre mit schönen Dividenden verwöhnt. Selbst im schwierigen Jahr 2007, geprägt von der Finanzmarktkrise und belastet durch den Erwerb der niederländischen ABN Amro, legte der Gewinn vor Steuern der im schottischen Edinburgh residierenden Großbank um acht Prozent auf fast zehn Milliarden Pfund zu. Begonnen hatte der Aufstieg der fast 300 Jahre alten und seit 1965 an der Börse notierten schottischen Provinzbank 2000 mit der feindlichen Übernahme der wesentlich größeren Natwest, dem ersten Coup von Goodwin, damals noch stellvertretender CEO. Es folgten zahlreiche weitere Übernahmen, bis die Royal Bank of Scotland 2004 schließlich mit der Übernahme der US-amerikanischen Charter One ganz oben unter den Topspielern der weltweiten Bankenliga angekommen ist. Die gemeinsam mit Fortis und dem langjährigen Verbündeten Santander betriebene feindliche Übernahme der niederländischen ABN Amro im vergangenen Jahr - man wollte dem Konkurrenten Barclays diesen leckeren Happen auf dem europäischen Festland wegschnappen - ist das jüngste Beispiel der vielen Zukäufe. Begleitet wurde diese Zeit von mindestens genauso vielen Auszeichnungen für Fred Goodwin.

Umso tiefer ist nun der Absturz: Für das erste Halbjahr 2008 weist die Bank das schlechteste Ergebnis ihrer mehr als vierzigjährigen Börsengeschichte aus. Der Verlust vor Steuern summiert sich auf 691 Millionen Pfund (rund 885 Millionen Euro), verglichen mit einem Gewinn in der Vorjahresperiode von 5,1 Milliarden Pfund. Bedingt ist dieser Negativrekord durch eine enorme Abschreibung von 5,9 Milliarden Pfund für das RBOS-Engagement im amerikanischen Subprime-Markt, in Kreditderivaten und anderen Wertpapierpositionen, mit der die Bank nach eigenen Angaben nun alle erkennbaren Risiken umfassend korrigiert. Auch dieses schonungslose "Großreinemachen" trägt die Handschrift des gelernten Controllers und so erfolgreichen Integrators Goodwin. Es zeigt aber auch eindeutig die Schwächen des Geschäftsmodells der traditionellen Firmenkundenbank, deren Corporate Finance Abteilung sich mittlerweile zur größten Investmentbank der Insel entwickelt hat. Diese stark ausgebaute Kapitalmarktnähe schmerzt in schwierigen Zeiten. Zusätzlich belastend wirkt, dass das eigentlich zur Diversifizierung und Stabilisierung erworbene US-Retailgeschäft derzeit ebenfalls zu allem anderen als zur Freude gereicht. Die Kreditrisikovorsorge im Konzern ist um 58 Prozent auf 1,5 Milliarden Pfund explodiert, der Gewinn der US-Einheit im ersten Halbjahr um 32 Prozent auf 534 Millionen Pfund eingebrochen. Aussterben wie die Wikinger wird die Royal Bank of Scotland zwar nicht, aber die gefürchteten Beutezüge werden in näherer Zukunft sicherlich ausbleiben.

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