Gespräch des Tages

Persönliches - Zu Gregor Böhmer

Ob Gregor Böhmer, der scheidende Geschäftsführende Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen, gerade dieses Amt als den Höhepunkt seiner ausgeprägt vielseitigen Karriere empfindet? Vielleicht, aber, obwohl. Was er seit seinem Antritt 2001 als Nachfolger des gelassen-klugen Sparkassenprofessors Udo Güde und Nachnachfolger des auf Gestaltungsmacht zielenden Adolf Schmitt-Weigand alles gemacht hat, war auf jeden Fall eine Menge. Grundelement dieser Menge ist dabei etwas scheinbar sehr Einfaches und gerade deshalb höchst Existenzielles gewesen: Gregor Böhmer hat die Rolle der Sparkassen in ihrer dezentralen, kommunalen Souveränität mit allen Kräften zu wahren versucht und deshalb wahrscheinlich sogar stärken können. Denn das Bewusstsein für die Bedeutung dieses besonderen "Sparkassenwesens" ist unter, mit diesem Präsidenten im Familienleben und im einigermaßen geneigten öffentlich-politischen Raum gewachsen. Schlagzeile vielleicht: Mit Hessens (-Thüringens) Sparkassen kann heute niemand anstellen, was nur er will.

Gregor Böhmer als den großen Verhinderer zu deklassieren, wie das einige seiner Unfreunde gewiss gerne pflegen, trifft nicht - wenn man es nicht ins Positive dreht: Er hat "nur" vieles verhindert, was der S-Sache nachhaltig hätte schaden können. Die größte institutionelle Herausforderung traf den geübten Bankprüfer dabei gleich beim Eintreffen. Hessens größte Sparkasse, die Frankfurter, war vielleicht noch nicht richtig pleite, aber sie befand sich damals in nachhaltigen Schwierigkeiten. Sie über die Helaba zum Gemeinschaftseigentum der gesamten hessischthüringischen Gruppe werden zu lassen und auf diese Weise endlich, endlich (aus kommunaler Sparkassensicht) die private und darum scheußlich eigensinnige Polytechnische Gesellschaft auszukaufen, war eine ambivalente Lösung. Sie ersetzte ein großes Übel durch ein kleineres. Denn das größte Unglück wäre unbedingt ein lauter Sanierungsfall "Sparkasse" mit höchst halsstarrigen Eigentümern gewesen.

Das kleinere Übel ist der Sündenfall im System. Denn natürlich bewirtschaftet die Landesbank nun die Frankfurter Sparkasse nicht nur "im Auftrag". Sondern sie pflegt sie als Wunschkind, als ersehnte Retailtochter, als Ausdruck eines glücklich-zukunftsträchtigen Geschäftsmodells. Immerhin: Wo sich die "richtigen" Sparkassen immer noch und wieder einmal über Eingriffe der Frankfurter Sparkasse in ihr Geschäft erbosen - und sei's im Direktbanking der Tochter "1822" können sie dank Böhmer heute als Miteigentümer der ganzen Geschichte maulen. Nicht mehr nur allein als Betroffene im Regionalprinzip.

Dass der gegenwärtige Status der Fraspa ein Systemfehler ist, hat Böhmer erst jüngst wieder mit der Androhung einer Korrektur bestätigt. Sollte, so hat er angemerkt, die Helaba sich mit anderen Landesbanken vereinen, müsse S-Frankfurt losgelöst werden.

Hart und laut gekämpft hat Hessens Sparkassen-Präsident (wie andere Kollegen auch) um ein neues Landes-Sparkassengesetz. Das Schlimmste aus seiner Sicht konnte er vermeiden: Die unbeschränkte Verkäuflichkeit inklusive Privatisierung von Sparkassen als Kommunalvermögen nach Art von Wasserwerken. Der volle Sieg war ihm aber bekanntlich nicht gegönnt. Verkaufen kann die Kommune vor allem an die Landesbank. Das muss alle erfreuen, die als Regierende oder auch als Landesbankvorstände aus der Helaba doch noch gelegentlich die Rhein-Main-Bank inklusive Wiesbaden, Taunus, Offenbach et cetera als nützlich fürs Platzimage bauen möchten. Zumindest zwei Zeitfenster hat der Verbandspräsident allem Eindruck nach für zwei Zusammenschlüsse auf der oberen (?) Ebene auf- und zugemacht.

Das erste guckte nach Mainz. Dass Stuttgart den Nachbarn erbeutete, musste Frankfurt einfach kränken. Und tatsächlich sollen die Vereinbarungen für einen Zweierbund Helaba/LRP denn auch ordentlich gediehen sein, bis der hessische Ministerpräsident sich dabei nicht genug geehrt und geachtet fühlte. Ein Fehler? Und dann die WestLB. Ganz am Anfang, in der Düsseldorfer Fischer-Zeit etwa noch, war man sich ziemlich nahe. Aber die landesherrliche Politik zeigte Duodez-Mentalität. Und dann später, als dieselbe sich schroff erinnerte, dass es außer der LBBW auch noch die Helaba gäbe, da roch Böhmer gottlob die furchtbaren Risiken zulasten seines Verbundes. Und er nahm die ganze Unkalkulierbarkeit derselben vielleicht noch deutlicher wahr, als mancher im Bankvorstand. Möge solches nachwirken, wenn über Deka plus WestLB plus Helaba spekuliert wird.

Feinster Arbeitssieg Gregor Böhmers ist sein Verbundkonzept aus 2003 ff. Die gemeinsame Verbundrechnungslegung fast nach Konzernmodus, das Gruppenrating nicht zuletzt zugunsten der Landesbank, die gemeinsame Risikoerfassung, der Reservefonds und (in Maßen wahrnehmbar) der gemeinsame Marktauftritt gilt inzwischen, man glaubt es kaum, auch für einst hochnäsige Nachbarverbände als exemplarisch. Dass die Helaba die Krise ordentlich zu überstehen scheint, weil Böhmers Verbund-Bauwerk ihr nicht alles erlaubte, was anderswo ohne Fragen möglich gewesen ist, passt jetzt herrlich.

Gregor Böhmer hat Hessens Sparkassen in seiner Zeit besser werden lassen. K. O.

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