Gespräch des Tages

Landesbanken - Vertikale Integration? - SGVHT als mitfühlender Beobachter

Für die nachweislich diskussionserprobte Sparkassenorganisation war die (Reaktions-)Geschwindigkeit, mit der sowohl die Liquiditätsstützung als auch die Neuordnung der Eigentümerverhältnisse der Sachsen-LB entschieden und umgesetzt wurden, fast schon beängstigend. Doch solch knappe Entscheidungsfristen wie bei der jetzigen Nottransaktion in Sachsen werden die Ausnahme bleiben. Gewöhnlich erfordert allein schon die ordnungsgemäße Einbindung aller Gremien im dezentral organisierten Sparkassenlager deutlich mehr Zeit als bei Konzernstrukturen. So geht die weitere Konsolidierung des Landesbankensektors allem Eindruck nach wieder ihren gewohnten Gang - das zeigt schon der Blick auf Nordrhein-Westfalen mit einem (einsam?) kämpfenden Ministerpräsidenten.

Dass sich der durch den erfolgreichen Erwerb der Landesbank Berlin gestärkte Heinrich Haasis als DSGV-Präsident trotz der sperrigen Haltung der nordrhein-westfälischen Landesregierung weiter für eine Verbindung von Düsseldorf mit Stuttgart einsetzt, bedeutet freilich eine gewichtige Parteinahme mit Präferenz für eine schnelle Lösung. Und gewissen Handlungsdruck zur zügigen Ausnutzung des günstigen Zeitfensters für eine zukunftsweisende Gestaltung der Landesbankenlandschaft üben auch die sanften Ermunterungen der Bundespolitik aus. Doch entschieden wird

über die weiteren Schritte zur Neugestaltung der Landesbankenszene durch die Gremien der Sparkassenorganisation und in besonders hohem Maße die Landespolitik. Klare Willensbekundungen durch S-Mehrheitseigentümer, wie sie Ende August anlässlich ihrer Sonder-Verbandsversammlungen beispielsweise beide nordrhein-westfälischen Sparkassenverbände mit gleichlautenden Beschlüssen für Verhandlungen über "einen Zusammenschluss der WestLB AG und der LBBW" abgegeben haben, bilden dabei allenfalls einen Orientierungsmaßstab. Wahrscheinlich vergebens denn ohne Einsicht der Düsseldorfer Landespolitik kann es keinen wirklichen Fortgang der Dinge geben.

Wie stark der politische Einfluss beziehungsweise die demokratische Legitimation der Bundesländer in sparkassenpolitischen Fragen einzuschätzen ist, haben nicht zuletzt die Sparkassen in Hessen und Thüringen im ersten Halbjahr gleich zweimal spüren dürfen. Dort hat die Landespolitik gegen den erklärten Willen und unter Missachtung der grundsätzlichen Bedenken der Sparkassenbasis die Möglichkeit zur Bildung von Stammkapital eingeräumt und dann auch noch das sogenannte Fraspa-Umwandlungsgesetz im Landtag durchgebracht (ZfgK 4-2007). Entsprechend mitfühlend und vorsichtig geben sich mit Blick auf die aktuelle Gefechtslage rund um die WestLB die hessisch-thüringischen Sparkassen und ihr Präsident Gregor Böhmer. Sparkassenrecht ist Sache der Landespolitik, so hat der SGVHT erfahren müssen, und im Zweifelsfall kann sich die demokratische Legitimation der Landesregierung gegenüber der unternehmerischen Legitimation der Sparkassenseite schon mal durchsetzen, auch wenn die Eigentümerverhältnisse eine andere Gewichtung erwarten lassen.

Wenn sich schon die Sparkassen in Hessen und Thürigen mit ihrem erdrückenden Anteil von zusammen 85 Prozent an der Helaba in wichtigen sparkassenpolitischen Gesetzgebungsprozessen schon der Landespolitik beugen mussten, sollte man - auf Nord- rhein-Westfalen übertragen - die Möglichkeiten der dortigen Sparkassen bei der Zukunftsgestaltung der WestLB keinesfalls überschätzen. Denn dort sind die Eigentümerverhältnisse mit Sparkassenanteilen von gerade mal 51 Prozent an der WestLB deutlich wackliger als in Frankfurt, und der politische Einfluss der Landespolitik reicht bekanntlich überall bis in die Verwaltungsräte der Sparkassen. Und aus der Düsseldorfer Politik kommen mal wieder ganz klare Signale in Richtung einer Stärkung der vertikalen Integration im Sparkassensektor. Und genau dieses Thema wird deshalb bei der Neuordnung der Landesbankenlandschaft ganz oben auf der Agenda bleiben. Es obliegt in nahezu allen Fragen der Sparkassengesetzgebung immer wieder der Landespolitik zu entscheiden, wohin sie in dieser zentralen Frage künftig will.

Aus standortpolitischen Überlegungen tendiert die Politik in den gewichtigen Bundesländern NRW (zumindest in Person des Ministerpräsidenten) und - weniger offen im bereits wahlkämpferischen - Hessen derzeit zu einer Stärkung der vertikalen Integration. Baden-Württemberg braucht sich zu dieser Frage nicht dringlich zu erklären, denn die LBBW hat die Verknüpfung mit der Privatkundenbasis über die BW-Bank in Maßen verwirklicht. Und dass alle anderen Bundesländer diese sparkassenpolitische Grundsatzfrage bei der Festlegung von Strategien und der Neuordnung von Landesbankstrukturen sehr wohl im Blick haben, mag die wohlwollende Duldung der Rolle der DKB in Bayern unterstreichen. Auf der anderen Seite hält die S-Finanzgruppe als Ganzes an ihrer grundsätzlichen Position fest: Sie hat sich in der Berliner Erklärung vom November 2005 ganz klar und unmissverständlich gegen die vertikale Integration ausgesprochen. Wie also sollen bei solchen Diskrepanzen der relevanten Entscheidungsträger in einer Kernfrage in den nächsten Wochen und Monaten wirklich neue Konstellationen mit tragfähigen (Geschäfts-)Modellen für die Landesbanken entwickelt werden? Sind Überlegungen jenseits der Option einer vertikalen Integration nicht von vornherein tabu?

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