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"Eine Obergrenze zu fordern gehört für mich in die Abteilung Symbolpolitik" Interview mit Thomas Schäfer

Dr. Thomas Schäfer, Finanzminister, Hessisches Ministerium der Finanzen, Wiesbaden

Dem Vorstoß des Bundesfinanzministeriums zur Einführung einer Obergrenze für Barzahlungen steht Thomas Schäfer skeptisch gegenüber. Die Argumentation, mit einer solchen Obergrenze dem Terrorismus nachdrücklich schaden zu können, gehört für den hessischen Finanzminister in den Bereich der Symbolpolitik. Vor einer entsprechenden Diskussion auf europäischer Ebene müsse erst einmal analysiert werden, welche Erfahrungen andere Mitgliedsstaaten mit Obergrenzen gemacht haben. Sonst drohe eine Verunsicherung der Bevölkerung - anders als bei dem Modellversuch des Klever Einzelhandels mit dem "schwedischen Rundungsmodell". Denn Bargeld sei auch Datenschutz und persönliche Freiheit. Red.

Herr Minister Schäfer, droht das Ende des Bargelds in Deutschland?

Nein. Das Ende des Bargelds in Deutschland droht nicht. Was aber droht, ist eine Verunsicherung der Bevölkerung. Und das sollten wir uns sparen. Gerade älteren Menschen ist Bares oftmals vertrauter als Online-Banking oder die Kreditkarte. Bargeld ist persönliche Freiheit, die wir uns erhalten sollten.

Was ist von dem Vorstoß des Bundesfinanzministeriums zu halten, Bargeldzahlungen auf 5 000 Euro zu begrenzen? Kann damit das angestrebte Ziel der Geldwäschebekämpfung, Schwarzgeldeindämmung und Terrorismusfinanzierung wirklich erreicht werden, oder ist es nur "Symbolpolitik"?

Bargeld gehört in Deutschland zur Kultur - und das ohne böse Hintergedanken wie Geldwäsche und Terrorfinanzierung. Deshalb halte ich von Bargeldobergrenzen wenig. Natürlich müssen wir Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Terrorfinanzierung konsequent bekämpfen. Eine Obergrenze zu fordern gehört für mich aber in die Abteilung Symbolpolitik. Der internationale Terrorismus hat leider ganz andere Möglichkeiten, sich zu finanzieren. Zu glauben, mit einer Bargeldobergrenze dem Terrorismus nachdrücklich schaden zu können, halte ich für naiv.

Wäre eine solche Obergrenze überhaupt auf europäischer Ebene durchsetzbar?

Die EU-Kommission hat in ihrem Aktionsplan zur Terrorismusbekämpfung angekündigt, dass eine Obergrenze für sie in Betracht kommt. In der zweiten Jahreshälfte möchte sie konkrete Vorschläge dazu vorlegen. Insofern könnte auf EU-Ebene eine Begrenzung bei einer etwaigen Überarbeitung der Geldwäscherichtlinie zur Diskussion stehen.

Aus meiner Sicht sollte man jedoch zunächst genau analysieren, welche Erfahrungen die Mitgliedsstaaten gemacht haben, die bereits Obergrenzen haben. Da die Freiheitsrechte der Bürger erheblich eingeschränkt werden, müsste der positive Nutzen eindeutig belegt sein und eine besonders sorgfältige Abwägung erfolgen.

In Kleve versucht der Einzelhandel, Ein- und Zwei-Cent-Münzen aus dem Bargeldumlauf zu verbannen: Ist das rechtens, der Euro ist doch gesetzliches Zahlungsmittel? Führen solche Alleingänge nicht zu einer zunehmenden Verunsicherung der Verbraucher?

Im gesamten Euroraum sind Euro-Banknoten und Centmünzen das einzige gesetzliche Zahlungsmittel. Eine unbeschränkte Annahmepflicht besteht allerdings nur für Banknoten. Mit Ausnahme der ausgebenden Behörden muss niemand in Deutschland mehr als fünfzig Münzen bei einer Zahlung annehmen. Der Einzelhandel kann also nicht eigenmächtig Ein- und Zwei-Cent-Münzen "abschaffen". Das ist in Kleve auch nicht passiert. Die teilnehmenden Händler dort runden nur den Betrag an der Kasse auf den nächsten Fünf-Cent-Betrag auf oder ab. Dies ist - ähnlich wie Allgemeine Geschäftsbedingungen - eine zivilrechtliche Vereinbarung mit dem Kunden, die nicht zu beanstanden ist, soweit die Kunden vom Einzelhändler klar darauf hingewiesen werden.

Ich halte die Klever Initiative für ein Modellprojekt, das nicht zur zunehmenden Verunsicherung der Verbraucher führen dürfte.

Die Kreditwirtschaft klagt seit Längerem über die hohen Kosten des Bargeldhandlings - spielen die erwähnten Entwicklungen den Befürwortern einer bargeldlosen Gesellschaft in die Hände?

Natürlich fallen durch das Bargeld Kosten an, die aber auch durch Gebühren oder Preise an die Verbraucher weitergegeben werden. Im Gegenzug aber hätte etwa der Einzelhandel mit den kleinen Einzelumsätzen wie beim Bäcker und beim Metzger auch erhebliche Handlingkosten für bargeldlose Zahlungen, wenn Kunden zwei Brötchen und ein Stück Fleischwurst mit der Kreditkarte bezahlen würden.

So stehen meines Erachtens die Kosten des Bargeldhandlings den gewichtigeren Belangen und Vorzügen des Bargeldverkehrs für den Geschäftsverkehr in Gänze gegenüber. Insofern sehe ich darin eher eine untergeordnete Bedeutung bei den Argumenten für eine bargeldlose Gesellschaft.

Ist Bargeld auch gleichzeitig Datenschutz?

Ja, denn unser Konsumverhalten lässt vielfältige Rückschlüsse über persönliche Präferenzen sowie unser Berufs- und Privatleben zu. Während Zahlungen mit der ec- oder Kreditkarte nachverfolgbar sind, bleiben die Verbraucher bei der Bargeldzahlung anonym. Ich möchte nicht, dass meine Bank alles über mich weiß - und sei es nur, wo ich am Wochenende meine Brötchen kaufe.

In Österreich wurde zum 1. Januar 2016 eine Registrierkassenpflicht eingeführt, um die Steuerhinterziehung und Geldwäsche einzudämmen. Wäre das aus Ihrer Sicht ein Modell auch für Deutschland?

Wir arbeiten an einer Lösung, um verbindliche Standards für manipulationssichere Ladenkassen einzuführen. Das Problem ist nicht das Bargeld an sich, sondern manipulierte Mogelkassen: Mit ihnen wird mancherorts in der Gastronomie oder im Einzelhandel am Fiskus vorbei gewirtschaftet. Die einzelnen Summen sind dabei oft klein, in Summe entgehen dem Staat und letztlich unserer Gesellschaft dadurch aber bis zu 10 Milliarden Euro pro Jahr. Hier müssen wir, muss vor allem der Bund handeln. Dann soll auch weiter das Bargeld in den Kassen klimpern.

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