Bargelddiskussion

"Der Bargeldentzug greift in die Freiheitsrechte der Bürger ein" Fragen an Thorsten Polleit

Prof. Dr. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt, Degussa Goldhandel GmbH, Frankfurt am Main, und Präsident, Ludwig von Mises Institut Deutschland, München

Es ist nicht durch Studien belegt, dass eine Bargeldeinschränkung zur Kriminalitätsbekämpfung wirkt, so Thorsten Polleit. Die wahren Gründe für die derzeitigen Bestrebungen sieht er in dem Wunsch, Negativzinsen durchzusetzen, ohne dass Kunden sich dem durch Barabhebungen entziehen können. Die Konsequenz könnte ein Boom von Parallelwährungen wie Bitcoins sein. Red.

Sind die Einführung einer Bargeld-Obergrenze und die mögliche Abschaffung der 500-Euro-Banknote der erste Schritt zur Abschaffung des Bargelds? Sind Beteuerungen seitens der Politik, dass dies nicht gewollt ist, nur Lippenbekenntnisse?

Es gibt zweifelsohne politische Bestreben, Bargeldzahlungen zurückzudrängen beziehungsweise unmöglich zu machen. Große Scheine aus dem Verkehr zu ziehen und den Menschen vorzuschreiben, bis zu welcher Höhe sie Bargeldgeschäfte tätigen dürfen, sind unzweifelhaft Schritte in diese Richtung.

Ich denke, jeder tut gut daran, nicht alles zu glauben, was die Politiker sagen - Politiker, die kommen und gehen, und die nicht die Verantwortung und die Kosten für ihr Tun tragen.

Rechnen Sie damit, dass es auf dem Weg über Europa letztlich doch zu einem Bargeldverbot kommt?

Die Zukunft ist nicht vorbestimmt. Sie hängt in entscheidendem Maße von den Handlungen der Menschen ab. Wenn die Wahlbürger allerdings weitermachen wie bisher - wenn sie also dem Staat immer mehr Macht zubilligen -, dann muss man in der Tat befürchten, dass es zum Bargeldverbot kommt - ob nun über Europa oder die Vereinigten Staaten von Amerika.

Wirken solche Maßnahmen tatsächlich in Sachen Kriminalitätsbekämpfung? Lässt sich das nachweisen? Oder stehen andere Ziele (zum Beispiel der Kampf gegen Steuerhinterziehung) im Vordergrund?

Mir sind keine Studien bekannt, aus denen man den Schluss ziehen kann, eine Bargeldeinschränkung beziehungsweise ein Bargeldverbot werde die Kriminalität aus der Welt schaffen.

Hinter dem Vorhaben, Bargeldzahlungen zu beschränken, verbirgt sich etwas anderes: Die Staaten wollen Negativzinsen einführen. So sollen die aus dem Ruder gelaufenen Staats- und Bankschulden entwertet werden. Werden aber Negativzinsen auf Bankeinlagen erhoben, werden die Kunden versuchen, sich der Enteignung zu entziehen - indem sie ihre Guthaben in bar abheben. Ohne Bargeld wäre dieser Fluchtweg versperrt.

Wäre eine bargeldlose Gesellschaft volkswirtschaftlich gesehen günstiger?

Worauf es in diesem Zusammenhang ankommt, ist die Freiheit des Einzelnen, und nicht darauf, ob es einer abstrakten "Volkswirtschaft" nützt. Ein jeder, der mit Bargeld zahlen möchte, soll und muss die Freiheit dazu haben - in gleicher Weise, in der er die Freiheit haben muss, das zu essen, zu lesen, zu diskutieren, abzuweisen, zu befürworten, was er wünscht - soweit er dadurch nicht die Rechte seiner Mitmenschen verletzt.

Was spricht aus Ihrer Sicht gegen Eingriffe in den Barzahlungsverkehr?

Der Bargeldentzug greift in die Freiheitsrechte des Bürgers ein. Der Bürger hätte dann bei Zahlungen keine Wahlmöglichkeit mehr, denn der Staat hält ja das Zwangsmonopol der Geldproduktion.

Zieht der Staat das Bargeld ein, müssen alle Transaktionen elektronisch abgewickelt werden. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt, bis der Fiskus quasi in Echtzeit erfährt, wer was wann kauft und wer wann wohin reist. Der Bürger wird vollends gläsern - und seine Privatsphäre ist endgültig perdu. Allein die prinzipielle Möglichkeit, jederzeit ungewollt bespitzelt werden zu können, verletzt schon fundamentale Freiheitsrechte des Bürgers.

Warum kommen die Themen Datenschutz und Cyberkriminalität in den aktuellen Überlegungen seitens der Politik kaum vor?

Vermutlich deshalb, weil die Bargeldabschaffer sich meist nicht ausgewogen, umsichtig und ehrlich zu Wort melden. Das Vorhaben, das Bargeld abzuschaffen, ist übrigens symptomatisch für das Grundproblem unserer Zeit: Der Staat - der territoriale Zwangsmonopolist, der zum obersten Richter für alle Konflikte mutiert ist - zerstört immer mehr die bürgerlichen und unternehmerischen Freiheiten.

Seit Jahren sinkt der Anteil der Barzahlungen an den Umsätzen des deutschen Einzelhandels laut EHI pro Jahr um etwa einen Prozentpunkt. Schafft der Verbraucher damit nicht selbst irgendwann das Bargeld ab, sodass die Politik diesen Prozess vielleicht nur beschleunigt?

Gegen elektronische Zahlungen ist prinzipiell nichts einzuwenden. Das Problem ist das Folgende: Alle Währungen - ob Euro, US-Dollar oder Schweizer Franken - sind staatliches Zwangsmonopolgeld. Das heißt, es gibt nur einen Anbieter, den Staat.

Wenn der Staat den Menschen das Bargeld per Zwangsakt verwehrt, haben die Menschen im Prinzip keine Alternative, auf die sie ausweichen können. Sie sind gezwungen, Geldtransfers elektronisch abzuwickeln.

Sind sich Verbraucher des Datenschutzaspekts von Bargeld überhaupt bewusst?

Das kann ich abschließend nicht beantworten. Vermutlich sind sie es zum Teil. Aber vielleicht ist ihnen nicht vollends bewusst, welche Folgen eine bargeldlose Gesellschaft, in der der Staat der Zwangsmonopolist der Geldproduktion ist, für sie hätte: Wer dem Staat erlaubt, das Bargeld per Handstreich abzuschaffen, der übergibt gewissermaßen dem Fuchs den Schlüssel für den Hühnerstall.

Aber vermutlich erkennen die Menschen recht bald, dass das Abschaffen des Bargeldes unter den herrschenden Bedingungen totalitär wirkt; dass es im Grunde eine Maßnahme ist, die die Nationalsozialisten und auch die Sozialisten der DDR, wäre es ihnen technisch möglich gewesen, nur allzu gern vollzogen hätten.

Würde ein Bargeldverbot einen Boom von "Parallelwährungen" nach Art von Bitcoins, die noch anonyme Zahlungen ermöglichen, bewirken?

Ich denke ja, weil viele Menschen vermutlich den Wunsch haben, ein anonymes Zahlungsmittel verwenden zu können. Das wäre natürlich auch eine wünschenswerte Entwicklung! Der Markt ist bekanntlich eine geradezu wunderbare Einrichtung, bessere und billigere Problemlösungen hervorzubringen. Diese wohlstandsmehrende Kraft des Marktes würde sich natürlich auch im Geldwesen entfalten.

Was kann eine Initiative wie stop-bargeldverbot.de bewirken? An der Sensibilität für das Thema ist ja durchaus vorhanden, wie die breite Medienberichterstattung über das Thema zeigt ...

Der Bürger, nicht die Politik, muss in dieser Sache souverän entscheiden. Daher ist es wichtig, den Diskurs über diese wichtige Fragestellung in der Öffentlichkeit zu führen. Die Initiative "stop-bargeldverbot.de" leistet so gesehen einen konstruktiven Beitrag - und verdient breite Aufmerksamkeit und, wie ich meine, allergrößte Unterstützung.

Und es soll natürlich Hoffnung machen: Die Bürger können Politiker und Parteien abwählen, die ihnen das Bargeld abspenstig machen wollen. Allerdings muss jeder Wähler dabei bedenken: Selbst wenn er der Meinung ist, ohne Bargeld wäre alles besser, so gibt ihm das noch lange nicht das Recht, seinen Willen anderen, die anderer Meinung sind, aufzuzwingen.

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