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Das Wertpapiergeschäft der Sparkassen: Valide Ergebnisse durch Bilanzanalyse?

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Konzentrieren sich Sparkassen zu stark auf das Depot-A-Geschäft anstatt auf das Kundengeschäft, wie es Ralf Jasny in der September-Ausgabe von bank und markt formulierte? Raffaele Parise und Dirk Braun sehen diese These nicht bestätigt. Um zu beurteilen, inwieweit die Sparkassen ihrem öffentlichen Auftrag entsprechen, müsste eine tiefergehende Analyse mit einem erweiterten Datenkranz erfolgen. Die Autoren wagen sogar eine Gegenhypothese: Gegebenenfalls kommen Sparkassen mit einem geringeren Potenzial im Kundengeschäft gerade durch eine Quersubventionierung aus anderen Geschäftsfeldern ihrem öffentlichen Auftrag nach. Red.

Die Frage, ob Sparkassen in einer Zeit der Staatsschuldenkrise, Niedrigzinsen und zunehmenden Regulierung ihres Kerngeschäfts weiterhin ihrem ursprünglichen Zweck nachkommen, ist sehr interessant und von praktischer Relevanz. In seinem Beitrag "Das Wertpapiergeschäft der Sparkassen: ein riskantes Spiel?" in bank und markt 9/2016 trifft der Autor Prof. Dr. Ralf Jasny jedoch Schlussfolgerungen, die in Teilen abgeschwächt beziehungsweise differenzierter betrachtet werden sollten, da einerseits die methodische Fundierung der Untersuchung nicht hinreichend genug erscheint und andererseits wesentliche Erkenntnisse auch für eine genau entgegengesetzte Argumentation verwendet werden könnten. Die Autoren möchten daher einige Anmerkungen zur Ableitung und hierauf aufbauende Anregungen zur Deutung der Studienergebnisse geben.

Nur auf den ersten Blick plausibel

In seiner Studie untersucht Prof. Jasny mittels Bilanzanalyse des Jahres 2014, ob der öffentliche Auftrag der Sparkassen gewahrt ist. Die Ergebnisse werden dahingehend interpretiert, dass durchaus der Großteil der Sparkassen gemäß ihrem regionalen Auftrag handelt, allerdings auch eine größere Zahl von Sparkassen in Deutschland existiert, die ihrem ursprünglichen Zweck nicht mehr nachkommt.

Dies basiert auf der Erkenntnis, dass die betreffenden Sparkassen einen Großteil ihrer Kundeneinlagen in Schuldverschreibungen beziehungsweise in Sondervermögen am Kapitalmarkt investieren, anstatt beispielsweise Kredite an den Mittelstand zu vergeben. Einige Sparkassen würden ohne die Erträge aus diesen Anlagen ein negatives Ergebnis ausweisen. In der Deutung dieser Ergebnisse wird den betreffenden Vorständen die Managementleistung abgesprochen sowie die Aufsichtsfunktion der Verwaltungsräte infrage gestellt.

Auf den ersten Blick mögen diese Rückschlüsse aufgrund ihrer Fundierung mittels veröffentlichter Bilanzen der Sparkassen plausibel wirken. Die zugrundeliegende Untersuchungsmethodik und ihre Datenbasis erscheinen allerdings bei näherer Betrachtung nicht hinreichend geeignet, um die gewonnenen Erkenntnisse abzuleiten. Diese Einschätzung soll nachfolgend anhand ausgewählter Punkte begründet werden.

Sparkassen mit komplexem Auftrag

Das Zitat des Sparkassengesetztes des Landes NRW über den Auftrag der Sparkassen ist unvollständig. Es wird damit suggeriert, dass die Versorgung der Region mit Krediten alleinig im Fokus der Sparkassen stehen sollte. Dabei bleibt jedoch der Artikel 2 Absatz 1 unbeachtet, welcher auch die geldwirtschaftliche (kostenintensive) Versorgung der Bevölkerung in den Fokus stellt. Zudem ist jede Sparkasse verpflichtet, ihrem Träger zu dienen. Dabei ist die Gewinnerzielung zweifelsfrei nicht der Hauptzweck eines Instituts, aber in Verbindung mit der langfristigen Unabhängigkeit und folglich Wettbewerbsfähigkeit einer Sparkasse eine zwingende finanzwirtschaftliche Nebenbedingung.

Zudem wird auch Absatz 3 nur in Teilen wiedergegeben. Hier wird darauf verwiesen, dass die Geschäfte unter Beachtung kaufmännischer Grundsätze zu erfolgen haben, welche zweifelsohne die Gewinnerzielung inkludieren.1)

Der Umstand, dass der Unternehmenszweck einer Sparkasse viel umfangreicher ist, als lediglich die Konzentration auf das Kreditgeschäft in der Region, gestaltet sich auch die Untersuchung bezüglich der Orientierung eines Instituts an seinem öffentlichen Auftrag deutlich komplexer.

Wertpapierinvestitionen statt Kredite: auch strukturell bedingt

Eine wesentliche Hypothese des Beitrages lautet, dass Sparkassen rein auf Basis ökonomischer Überlegungen das Kreditgeschäft zurückfahren beziehungsweise nicht weiter ausbauen und stattdessen das vermeintlich lukrativere Kapitalmarktgeschäft forcieren. Diese Annahme wird für einen relativ großen Teil der Sparkassen als validiert betrachtet. Dabei wird argumentiert, dass diese geschäftspolitische Entscheidung aus der Bankbilanz abzulesen sei, und zwar, indem der Bestand an Kundenforderungen mit dem Bestand an Schuldverschreibungen, Aktien und nicht festverzinslichen Wertpapieren, dem sogenannten Depot A, verglichen wird.

Jedoch fließen wesentliche Einflussvariablen nicht in die Analyse mit ein. Neben dem regionalen Wettbewerb2) der jeweiligen Sparkasse sind zumindest noch die Kreditnachfrage und die demografische Struktur der betreffenden Region zu berücksichtigen. Es können nur dort Kredite vergeben werden, wo auch eine entsprechende Nachfrage besteht. Es ist folglich nicht zwangsläufig eine geschäftspolitische Entscheidung, Kredite gegen Wertpapierinvestitionen zu tauschen, sondern gegebenenfalls auch eine strukturell bedingte. Die Vermutung, dass auch in strukturschwachen Regionen die Nachfrage nach Krediten hoch sein könnte, liegt nahe. Diese müssen jedoch oftmals aufgrund der bestehenden regulatorischen Anforderungen abgelehnt oder mittels Risikoaufschlägen zu teuer für den Kunden angeboten werden. Folglich erscheint die Annahme, dass allein anhand des bilanziellen Anteils der Kundenforderungen die Orientierung am öffentlichen Auftrag abzulesen ist, nicht plausibel.

Hedgefondsähnliche Praktiken nicht hinreichend belegt

Es wird ferner die Annahme verfolgt, dass die Bilanzposition "Aktien und andere nicht festverzinsliche Wertpapiere" mit hohen beziehungsweise spekulativen Risiken einhergeht. Dabei wird diese allerdings nicht in Relation zum potenziellen Risiko der Schuldverschreibungen (festverzinsliche Wertpapiere) beziehungsweise zum originären Kreditgeschäft gesetzt. Zum Beispiel könnten sich Schuldverschreibungen aus Anleihen schlechter Bonitäten zusammensetzen, ein Fondsbestand hingegen in gute Bonitäten investieren. Dies wäre aus einer Bilanz nicht ablesbar. Allgemein ist beispielsweise eher davon auszugehen, dass ein Fondsportfolio deutlich besser diversifiziert ist als direkt gehaltene Anleihen.

Die fragliche Bilanzposition sollte in der Regel insbesondere Wertpapier-(Spezial-) Fonds enthalten. Allerdings ist insbesondere bei institutionellen Investoren, wie Sparkassen, nicht davon auszugehen, dass diese Investitionen automatisch mit hohen Risiken einhergehen. Im Gegenteil nutzt diese Art der Investoren vielmehr professionelle externe Manager, um das Risiko durch einen wesentlich besseren und breiteren Marktzugang zu verringern und eine breitere Diversifikation der Risiken zu erreichen. Zudem gibt es bilanzielle und aufsichtsrechtliche Vorteile im Bereich der Fonds, die im Direktbestand der Bank nicht vorhanden sind.3)

Als alleiniges Indiz für den Risikogehalt dieser Bilanzposition wird im Beitrag die erwirtschaftete Rendite der Fonds im Jahr 2014 herangezogen, welche mit den Bundeanleiherenditen des Jahres 2016 verglichen wird. Dabei bleibt im Aufsatz unklar, was genau unter Rendite zu verstehen ist. In der Regel sollte dies die Ausschüttungsrendite der Fonds sein, welche jedoch nicht mit der durchschnittlichen Verzinsung der enthaltenen Wertpapiere korrespondiert. Vielmehr ist es gerade im Bereich der Spezialfonds möglich, die jeweilige Ausschüttung zu gestalten. Der bilanzielle Ausweis beinhaltet dabei keine Informationen darüber, ob die Ausschüttung aus der jährlichen Wertentwicklung, den jährlichen ordentlichen Erträgen (Kupons, Dividenden) oder thesaurierten Erträgen der Vorjahre resultiert.

Die Wertentwicklung deutscher Staatsanleihen mittlerer Laufzeit (gemessen am iBoxx EUR Germany 1-10) 4) wies im Jahr 2014 etwa 5,5 Prozent auf. Folglich wären die im Beitrag genannten 2,8 Prozent (3,4 Prozent vor Kosten) Ausschüttungsrendite selbst bei einer sehr konservativen Ausrichtung eines Fonds darstellbar gewesen und hätten trotz einer relativ hohen Ausschüttung noch zu höheren stillen Reserven im Spezialfondsbereich geführt.

Damit sehen die Autoren dieses Kommentars auch die im Beitrag getätigte Schlussfolgerung, dass es sich bei den Geschäftspraktiken vieler Sparkassen um hedgefondsähnliche Strukturen handele, als nicht hinreichend belegt an. Vielmehr könnten auf Basis der isolierten Bilanzdaten im Marktvergleich eher konservative Investitionsstrategien vermutet werden.

Kapitalmarktgeschäft nicht zwangsläufig risikoreicher als Kundengeschäft

Abschließend sei zu diesem Punkt angemerkt, dass die Annahme, Kapitalmarktgeschäft sei zwangsläufig risikoreicher als Kundengeschäft, einer institutsspezifischen Betrachtung bedarf. Regionale Konzentrationen im Unternehmens- beziehungsweise Geschäftskundenbereich können aufgrund der geringen Diversifikation deutlich risikoreicher sein als ein gut diversifiziertes globales Anleiheportfolio.

Neben den genannten Punkten kann die Bilanzposition "Forderungen an Kunden" auch sogenannte Schuldscheindarlehen enthalten, sofern diese nicht von einem Kreditinstitut begeben sind. Dabei handelt es sich zwar bilanziell um ein Darlehen an Kunden, da bei solchen Investitionen der normale Kreditprozess durchlaufen wird. Sie weisen nichtsdestotrotz große Ähnlichkeit mit normalen Anleihen auf, werden jedoch nicht als Wertpapier am Kapitalmarkt gehandelt.5)

Oftmals handelt es sich nicht um Emittenten aus der eigenen Region, dennoch wird mit diesen Investitionen (entsprechend der im Beitrag genutzten Methodik) suggeriert, dass das originäre Kreditgeschäft wachse. Zum Vergleich der geschäftspolitischen Ausrichtung von einzelnen Sparkassen sollte man somit tiefer in die jeweiligen Bilanzpositionen einsteigen.

Gegenhypothese: Wertpapiergeschäft stützt öffentlichen Auftrag

Der Beitrag legt offen, dass einige Sparkassen ohne die Erträge der Bilanzposition "Aktien und nicht festverzinsliche Wertpapiere" nicht mehr profitabel sind. Allerdings ist zu beachten, dass die Erträge aus festverzinslichen Wertpapieren (Schuldverschreibungen) in das Zinsergebnis einfließen, sodass ein valider Vergleich zwischen Kundengeschäft und Eigenanlagen nur dann möglich ist, wenn das Zinsergebnis um die Erträge aus Wertpapieren korrigiert wird.

Die Schlussfolgerung des Beitrags, dieser Umstand stütze die Hypothese, dass einige Sparkassen ihre Gemeinwohlorientierung zugunsten der Gewinnmaximierung aufgegeben hätten, erschließt sich den Autoren dieses Kommentars nicht. Gemäß dieser Annahme hätten die Vorstände die Infrastruktur des Instituts bereits so weit reduzieren müssen, dass der originäre Geschäftsbetrieb nicht mehr unprofitabel ist.

Im Umkehrschluss könnte man auch argumentieren, dass gerade jene Sparkassen mit schwachem Kredit- beziehungsweise operativem Geschäft den öffentlichen Zweck am ehesten verfolgen.

- Diese Sparkassen schreiben operativ Verluste und sind nur mit den Erträgen aus dem Wertpapierbereich profitabel.

- Das bedeutet, gerade sie halten den teuren beziehungsweise unprofitablen Filialbetrieb aufrecht, um zumindest eine gewisse Grundversorgung mit Geldgeschäften in der Region darzustellen.

Sind es also nicht gerade diese Institute, die weder Gewinnmaximierung betreiben noch den öffentlichen Auftrag missachten? Vielmehr könnte es gar als löblich angesehen werden, wenn die Vorstände der betreffenden Sparkassen die Erträge aus dem Depot A nutzen, um den Filialbetrieb quer zu subventionieren, um damit eben genau den Hauptzweck einer Sparkasse zu erfüllen.

Die vorangegangene Diskussion zeigt, dass die Fragestellung, ob Sparkassen im Allgemeinen oder institutsspezifisch ihren öffentlichen Auftrag erfüllen, durchaus komplex ist. Allein aus Bilanzdaten lassen sich hierzu kaum valide Schlüsse, sondern höchstens erste Indizien ableiten, die im Anschluss einer genaueren Überprüfung unter Einbeziehung weiterer Variablen bedürfen. Andernfalls kann die alleinige Nutzung von Bilanzkennzahlen im Kontext der Risikopositionierung von Sparkassen zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen führen.

Genauere Überprüfung erforderlich

Um die aufgeworfene Frage valide zu untersuchen, sollte die zukünftige Forschung einen deutlich umfangreicheren Datenkranz nutzen, welcher sowohl die bilanziellen, als auch die aufsichtsrechtlichen und steuerungsrelevanten Besonderheiten deutscher Kreditinstitute berücksichtigt. Darüber hinaus würde eine Analyse von Kosten und Erträgen auf der Ebene einzelner Geschäftsfelder zu einem detaillierteren Verständnis führen, ob eine Sparkasse ihr Kundengeschäft (oder bestimmte Teile) subventioniert.

In diesem Kontext erscheint den Autoren auch eine Untersuchung der (Gegen-) Hypothese, dass gegebenenfalls gerade jene Sparkassen mit geringerem Potenzial im originären Kreditgeschäft mittels Quersubventionierung durch andere Geschäftsfelder ihrem öffentlichen Auftrag nachkommen, interessant.

Fußnoten

1) Vgl. Sparkassengesetz NRW § 2 Abs. 1-4 vom 1.9.2016

2) Vgl. Parise und von Nitzsch (2012): "Auswirkungen der europäischen Basel III-Umsetzung auf die Kreditvergabe deutscher Genossenschaftsbanken", ZfgG, S. 12.

3) Vgl. Deutscher Sparkassen und Giroverband (2014): "Mindestanforderungen an das Risikomanagement Interpretationsleitfaden", S. 186, S. 244, etc., Version 5.1

4) Quelle: Markit, Stand: 31.12.2014

5) Vgl. Nord-LB (2016): Der deutsche Schuldschein, S. 3 f, Fixed Income Special vom 18. März 2016

Zu den Autoren

Raffaele Parise, RWTF Aachen University, und Abteilungsdirektor Regionales Accountmanangement, Union Investment Institutional GmbH, Frankfurt am Main. Prof. Dr. Dirk Braun, Allgemeine BWL, insbesondere Bank und Finanzwirtschaft, FOM Hochschule für Oekonomie und Management, Aachen

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