Blickpunkte

Zinspolitik - Rufer in der Wüste

Sparer haben derzeit in Europa keine Lobby. Gespart werden soll primär auf Staatsebene, um die Staatsschulden der "Wackelkandidaten" in den Griff zu bekommen. Und der Rettung der hoch verschuldeten Staaten scheint sich alles andere unterordnen zu müssen. Auch die EZB erscheint in diesem Sinn zunehmend politisch instrumentalisiert. Zweifellos gibt es Gründe für die Niedrigzinspolitik. Doch ob sie eine echte Lösung der Probleme bringen kann, steht auf einem anderen Blatt. Natürlich tut ein niedriges Zinsniveau allen Schuldnern gut. Und doch wird man fragen dürfen, ob hier nicht an einer Stelle versucht wird, ein Loch zu stopfen, wohl wissend, dass dafür später an anderer Stelle ein neues aufbrechen wird: bei der Altersvorsorge.

Die sozialen Sicherungssysteme stehen nicht nur in Deutschland auf wackeligen Füßen. Das Problem der demografischen Entwicklung mag in Deutschland prekärer sein als in manchen anderen Ländern. Es ist aber kein deutsches Problem allein.

Private Vorsorge ist also wichtiger denn je. Doch der alte Grundsatz "Spare in der Zeit, so hast Du in der Not" verliert bei einem Zinsniveau nahe Null immer mehr an Glaubwürdigkeit: Ein Viertel der ohnehin mageren Erträge verschlingt die Steuer, der Rest kann den Wertverlust durch die Inflation nicht mehr ausgleichen. Wie will man in diesem Umfeld die Menschen zur Vorsorge motivieren?

Eines scheint damit schon heute gewiss: Die materielle Situation der künftigen Rentner wird zum Problem werden. Natürlich lässt sich das Rentenalter beliebig weiter heraufsetzen - und damit auch den Anteil derer, die entweder aufgrund von Berufsunfähigkeit vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden oder aus Altersgründen arbeitslos sind, weiter steigern. Summa summarum läuft es für viele auf ein sinkendes Rentenniveau hinaus. Wird dabei ein bestimmtes Minimum unterschritten, werden die sozialen Sicherungssysteme eingreifen müssen. Aufgebracht werden muss das Geld für die Versorgung der Senioren so oder so, aus welcher Kasse auch immer. Doch woher soll es kommen?

Die beiden Verbünde in Deutschland machen sich daher schon seit geraumer Zeit zur Stimme der Sparer und warnen als (freilich ungehörte) "Rufer in der Wüste" vor der kalten Enteignung durch die anhaltende Niedrigzinspolitik, so auch vor dem neuerlichen Zinsschritt am 2. Mai. Diesmal hatte sich ihnen sogar der GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., Berlin, angeschlossen und eine "Große Koalition für Sparer" gebildet, wie es in der Überschrift der Pressemitteilung hieß.

Natürlich wird man immer argumentieren können, dass bei solchen Verlautbarungen ein gutes Stück Eigeninteresse mit im Spiel ist. Denn jeder Euro, der in den Konsum statt in die privaten Rücklagen fließen, landet nicht in den Büchern von Banken, Sparkassen oder Versicherern. Die angeführten Argumente behalten deswegen aber dennoch ihre Berechtigung. Dass ein wegen der geringen Sparneigung verringertes Einlagevolumen nicht unbedingt zur Stabilität der Kreditwirtschaft beiträgt, wie VÖB-Präsident Christian Brand zu bedenken gab, kommt ergänzend hinzu. Red.

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