Leitartikel

Wettbewerb mit dem Durchblick

sb - Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner hat es ganz deutlich gemacht. Produktinformationsblätter für Finanzprodukte sind mehr als eine bloße Anregung an die Bankenwelt. Sie sind ernsthaft politisch gewollt. Als erste Bank hatte Mitte September 2009 die ING-Diba deshalb die durchaus als berechtigt angesehene Forderung aufgegriffen und entsprechende "Beipackzettel" für Anlageprodukte aufgelegt. Als zweiter Marktteilnehmer folgte die Deutsche Bank. Zunächst führte sie im Dezember für Fonds und Zertifikate die Kennzeichnung der wichtigsten Produkteigenschaften (Risikoklasse, Konditionen, Fälligkeit, Kapitalrückzahlung, Region und Art der Anlagen) mit Hilfe von Piktogrammen ein, um dem Kunden die schnelle Vergleichbarkeit und Auswahl der Produkte zu erleichtern. Dieser Kennzeichnung, die im Laufe des Jahres auch auf angebotene Fremdprodukte ausgedehnt werden soll, folgten seit dem 11. Februar 2010 die ausführlicheren, ein- bis eineinhalbseitigen Produktinformationsblätter, die im Beratungsgespräch eine Diskussionsgrundlage bieten und dem Kunden die Möglichkeit zur Steuerung des Gesprächs "auf Augenhöhe" ermöglichen sollen.

Mit der Bekanntgabe dieses Schritts hin zu mehr Transparenz hat der Branchenprimus gleichwohl deutlich mehr Unruhe ausgelöst als die ING-Diba vor einigen Monaten. Während man bei der Direktbank die Schnelligkeit der Umsetzung neidlos anerkennen musste, geht es diesmal offenkundig um verletzte Eitelkeiten derer, die zwar auf Zielgeraden, aber eben noch nicht ganz so weit sind. Der Deutschen Bank wird deshalb vorgeworfen eine Abstimmung im Bankenverband nicht abgewartet zu haben. So fühlt sich zum Beispiel die Commerzbank düpiert, die mit ihren eigenen Produktblättern noch nicht ganz veröffentlichungsreif war.

Auch Lars Hille, Vorstandsmitglied der DZ Bank, äußerte sich auf dem "bank und markt-Privatkundenforum" skeptisch zum Trend, sich über schönste Umsetzung regulatorischer Vorgaben zu differenzieren, und mahnte die Eigenverantwortung der Kunden an. Eben wenn man diese zugrunde legt, erscheint die Aufregung freilich umso unverständlicher. Natürlich wird nicht zuletzt die optische Gestaltung der Produktinformationsblätter dazu beitragen, inwieweit sie ihren Zweck erfüllen. Der Großteil der Kunden wird aber durchaus in der Lage sein, nicht nur die "Beipackzettel" auf ihre Aussagekraft hin zu prüfen, sondern die jeweiligen Kreditinstitute noch anhand anderer Merkmale zu bewerten. Das schönste Info-Blatt entscheidet sicher nicht den Wettbewerb. Zudem gilt zweifellos auch hier der alte Grundsatz: Wettbewerb belebt das Geschäft. Die Kreditwirtschaft bewegt sich bei den Produktinformationsblättern auf einem neuen Terrain. Warum sollte es also von Nachteil sein, wenn sich verschiedene Konzepte aneinander messen?

Ganz Unrecht haben die Kritiker von Alleingängen dennoch nicht. Zweifellos wäre eine vom ZKA verabschiedete einheitliche Version für die gesamte Kreditwirtschaft in Deutschland die beste Lösung, weil sie die Verbraucherschutzforderung nach durchgehender Transparenz und Vergleichbarkeit am perfektesten erfüllen würde. Nur: Solche Abstimmungsprozesse brauchen bekanntlich ihre Zeit - und ob die Politik der Kreditwirtschaft diese Zeit zu lassen gewillt ist, darf bezweifelt werden. Der politische Wille ist formuliert, und die Geduld mit einer ins Kreuzfeuer der Kritik geratenen Branche ist vermutlich begrenzt. Noch gibt es keine gesetzlichen Vorgaben - und wenn Banken und Sparkassen das Thema rasch und den Vorstellungen von Politikern und Verbraucherschützern entsprechend umsetzen, bleibt ihnen eine Regulierung auf diesem Gebiet möglicherweise ganz erspart. Ein schnelles Handeln einzelner Anbieter wäre in diesem Sinne im Interesse aller. Doch selbst wenn die Politik letztlich die größtmögliche Einheitlichkeit durch gesetzliche Vorgaben der Umsetzung des Themas im Wettbewerb vorziehen sollte, werden bereits am Markt bestehende Lösungen zweifellos in die Überlegungen einbezogen. Mithin besteht jetzt die Chance, künftige Auflagen mitzugestalten.

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