Leitartikel

Neue Chance im Wettbewerb

sb - Wären da nicht die Landesbanken, könnten die Sparkassen der Finanzkrise womöglich einiges Positive abgewinnen: Eine schönere Bestätigung als das, was sich auf den internationalen Finanzmärkten tut, könnte es für die immer wieder gescholtene kleinteilige Struktur des deutschen Kreditgewerbes kaum geben. Schließlich sind es nicht die regionalen Institute, die allerorten ins Straucheln geraten. Nicht ohne Stolz nutzen Spar kassen und Genossenschaftsbanken deshalb jede Gelegenheit, zu betonen, dass sie nicht auf Mittel aus dem staatlichen Rettungspaket angewiesen sind. Ihnen verzeiht man das, obwohl es letztlich auch auf nichts anderes hinausläuft als auf jenes unselige Ackermann-Zitat, das die Gemüter so erhitzt: Wer das staatliche Geld braucht, der soll es nehmen, darf sich aber ruhig für die begangenen Fehler schämen.

Sicherheit ist wieder Trumpf. Das spürt die Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur beim boomenden Absatz der Tagesanleihe. Und das spüren schon seit einigen Monaten auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken im Retail-Geschäft. Obwohl ausländische Anbieter wie Kaupthing im Markt bislang eine untergeordnete Rolle spielten, trägt jede neue Hiobsbotschaft von den Finanzmärkten dazu bei, den Strom derer zu ver stetigen, die Gelder von (ausländischen wie deutschen) privaten Banken zurückverlagern (siehe dazu auch Kasten auf Seite 9). Selbst Nachrichten wie das Zurückgreifen der niederländischen ING Group auf die staatliche Kapitalspritze machen - obwohl ohne Einfluss auf die deutschen ING-Diba-Kunden - die private Klientel nervös. Aktuelle Zahlen, wie sich dergleichen auf das Geschäft einer regionalen Bank auswirkt, nannte zuletzt die Sparda-Bank Nürnberg: Seit Mitte September verzeichnete sie einen Anstieg der Kontoeröffnungen um 40 Prozent. Im Einlagengeschäft wurde innerhalb von drei Wochen ein Zustrom von 30 Millionen Euro verbucht.

Die Platzbanken als "Krisengewinnler" zu bezeichnen, wäre sicher dennoch verfehlt. Zum einen haben auch sie zum Teil in ihrem Retail-Geschäft mit der Krise zu kämpfen. Das betrifft namentlich diejenigen Häuser, die an ihre Kunden Lehman-Zertifikate verkauft haben, und dies noch dazu, ohne die Herkunft der Papiere deutlich zu kennzeichnen. In erster Linie sind hier Fraspa und Haspa zu nennen. Unter den laut Deutschem Institut für Anlegerschutz (DIAS) rund 60 000 Inhabern dieser Zertifikate befinden sich etwa 9 000 Kunden der beiden großen Sparkassen. Und in der Auseinandersetzung mit diesen Anlegern, die sich um ihr Geld betrogen fühlen, geht es um die Frage der Falschberatung.

Für alle Institute gilt zum zweiten: Die Angst, die ihnen jetzt Kunden in die Arme treibt, kann auf Dauer kein Argument im Wettbewerb sein. Und dennoch bietet sie Sparkassen und Genossenschaftsbanken eine neue Chance, sich zu positionieren. Jetzt muss sich zeigen, ob sie diese Gelegenheit auch zu nutzen verstehen. All das, was stets als wichtigstes Wettbewerbsargument genannt wird - Servicequalität, Beratung, persönlicher Kontakt, aktives Zugehen auf die Kunden mit wirklich bedarfsorientierten Angeboten muss sich nun beweisen. Nur derjenige Kunde, der sich mit seinen Ängsten und Bedürfnissen gut aufgehoben fühlt und Betreuungsqualität wirklich erlebt, wird auch künftig der Sparkasse treu bleiben, zu der er sich jetzt vielleicht geflüchtet hat. Die Spanne dafür ist aber vermutlich kurz. Denn sobald die Lage sich wieder beruhigt hat und die Nerven weniger blank liegen, werden die Kunden die Angebote am Markt wieder kritischer ver gleichen. Dann wird sich zeigen, was ihnen der Faktor Sicherheit und Vertrauen auch unter weniger dramatischen Umständen wert ist - und welche Argumente sonst noch für die Sparkasse oder Volksbank sprechen. Möglich, dass die Erfahrungen in der Krise einen Umdenkprozess in Gang gesetzt haben und den Trend zur Schnäppchenjägerei zumindest ein wenig abzubremsen vermögen. Darauf zu bauen wäre aber wohl doch zu blauäugig.

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