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Nachlassmanagement: Erbschaftsteuer-Urteil als Vertriebsargument

Das Urteil aus Karlsruhe kam nicht unerwartet - auch nicht unerwartet kam die Flut von Artikeln, die der Blätterwald seither produziert. Liegt es an der (laut Focus) "Sensationalität des Urteils" oder vielmehr an der bisher nicht erfolgten Ansprache und Schaffung von Fakten beim überwiegenden Teil der sogenannten "vermögenden Kunden"? Fakt ist: Die derzeitige Erbschaftsteuer ist verfassungswidrig und verstößt gegen den Gleichheitssatz des Artikels 3 GG.

Die Folgen sind weitreichend, jedoch noch nicht abschließend transparent. Das Bundesverfassungsgericht hat der Bundesregierung eine Frist bis Ende 2008 gesetzt. Der Gesetzgeber wird das Erbschaftsteuerrecht bis Ende 2008 grundlegend überarbeiten und neu systematisieren müssen. Wie im Einzelnen eine neue Gesetzgebung aussehen könnte, lassen die Karlsruher Richter weitestgehend offen. Spekuliert wird derzeit über eine Annäherung an den gemeinen Wert (Verkehrswert). "Die Wertermittlung soll sich an den jeweiligen Marktpreisen orientieren." Vergleicht man nüchtern beide Wertansätze (siehe Abbildung 1), führt dies zweifelsfrei zu einer Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungssteuer. Ob es in einer möglichen Neuregelung nicht doch noch Privilegien bei der Bewertung von Immobilien gibt, bleibt abzuwarten. Die Erfahrung lehrt leider, dass der Gesetzgeber oftmals Neuregelungen zum Anlass nehmen wird, die Steuern zu erhöhen.

Sind Finanzdienstleister, speziell Banken und Sparkassen, eigentlich verpflichtet, ihre Kunden auf Vermögensübertragungen anzusprechen? Diese Frage können wir im ersten Schritt sogar, ohne auf die Bedürfnisse der Kunden näher einzugehen, mit Ja beantworten. Eine große Sparkasse mit einem Geschäftsvolumen von etwa sieben Milliarden Euro hat im Rahmen einer Voruntersuchung "Kundenansprache zum Thema Vererben und Vermögensübertragungen" folgendes festgestellt:

86 Prozent des Vermögensbestands im Bereich vermögende Kunden befindet sich bei Kunden im Alter größer 50.

In den nächsten fünf Jahren werden in diesem Institut rund 1,6 Milliarden Euro zwangsläufig im Zuge von Erbvorgängen an die nächste Generation übertragen.

Psychologische Barrieren überwinden

Die Sparkasse hat im Rahmen dieser Voruntersuchung erkannt, dass vor dem Hintergrund der Vermögensabflüsse ein neues Betreuungskonzept erarbeitet werden muss. Die Zielsetzung ist eindeutig: Sicherstellen, dass eine Ansprache des Erblassers auf ein Nachlassmanagement durch den Berater aktiv erfolgt. Potenzielle Erben müssen frühzeitig erkannt und an das Haus gebunden werden. Die heutigen Bestände sind nachdrücklich gegen Abflüsse an Wettbewerber zu sichern.

Gerade vor dem Hintergrund des verschärften Wettbewerbes und der sinkenden Kundentreue sind Banken und Sparkassen gefordert, Ihre Kundenbetreuung zu perfektionieren und eine bessere, frühzeitige und vor allem ganzheitliche Beratung anzubieten. Sonst drohen ein nicht zu kalkulierender Vermögensabfluss und extreme Folgen für den Ertrag.

Das Thema Kundenbedürfnis darf natürlich bei der Ansprache nicht unterschätzt werden. Das Bedürfnis eines Kunden, mit dem eigenen Tod konfrontiert zu werden, ist mit Sicherheit nicht allzu ausgeprägt. Es gilt daher vor allem, Strategien zu erarbeiten, die die psychologischen Barrieren bei allen Beteiligten überwinden. Berater und Kunden müssen eine Nachlassregelung als selbstverständlichen Teil der Anlagestrategie verstehen. Das Angebot muss sich von der reinen Finanzdienstleistung zu weiterführenden Beratungsleistungen und finanzübergreifenden Dienstleistungen erweitern.

Alleine der Blick auf das Wertpapierdepot und das Anbieten von mittlerweile häufig standardisierten Anlageprodukten kann in Zukunft nicht die Lösung sein.

Beispiele für Anspracheanlässe in der alltäglichen Beratung

Die erfolgreiche Ansprache innerhalb der Beratung ist für den Berater oftmals einfacher als erwartet. Häufig bietet die bisherige Kundenbeziehung genügend Informationen darüber, ob für den Kunden die Beschäftigung mit dem Thema wichtig ist.

Über diese Anknüpfpunkte kann sehr schnell ein zielgerichtetes Gespräch initiiert werden:

das Vermögen liegt über den Verwandtschaftsfreibeträgen;

es sind keine direkten Nachfahren vorhanden/bekannt;

komplexe Familiensituationen (mehrere Nachfahren aus unterschiedlichen Ehen);

bekannte Streitigkeiten in der Familie;

existierende Vollmachten, zum Beispiel Vollmachten zugunsten Dritter;

hohe, nicht liquidierbare Vermögen, zum Beispiel auch Immobilien (fehlende Liquidität im Erbschaftsfall);

ausländische Vermögenswerte (Ferienimmobilien, Vermögensverwaltungen, Konten);

vorhandenes Betriebsvermögen, zum Beispiel Real oder auch reine Beteiligungsprodukte;

besondere Familiensituationen, zum Beispiel potenziell minderjährige Erben, behinderte Kinder;

Familienvermögen soll weitestgehend erhalten bleiben.

Natürlich gilt auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes als "Steilvorlage" für eine Ansprache. In den letzten Wochen gab es nicht ein Nachrichtenmagazin, das nicht über die Entscheidung berichtet hat. Das derzeit hohe öffentliche Interesse am Thema "Vererben und Vermögensübertragung" in der täglichen Kundenansprache muss vertrieblich genutzt werden.

Für eine erfolgversprechende Beratung müssen folgende Handlungsfelder bearbeitet werden.

Zu Beginn steht immer die Formulierung einer eindeutigen Geschäftsstrategie innerhalb des Institutes. Diese Ziele dürfen natürlich keine negativen Wechselwirkungen mit bereits etablierten Beratungsprozessen hervorrufen. Die alten Beratungsstrukturen müssen gegebenenfalls deutlich reformiert werden.

Ansprechpartner zum Thema Rechtsberatung

Der Weg geht weg von der großen Beratungsfabrik mit Standardprodukten zu einer ganzheitlichen Sicht. Die Kunst hierbei ist es, die Mitarbeiter auf den Weg dorthin mitzunehmen und nicht zu überfordern.

Die Mitarbeiter müssen die Ansprache der Nachlassregelung als selbstverständlichen Teil der Anlagestrategie begreifen, und zusätzlich muss klar sein, dass es eine einmalige Chance gibt, ihr Institut vor Ertragseinbußen zu schützen.

Zusätzlich gilt es, Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter zu schaffen, die fachlich qualifizierte Beratungen ermöglichen, ohne dabei in die Steuer- und Rechtsberatung abzudriften. Informationsmängel müssen durch fachliche und vertriebliche Trainings beseitigt werden. Einheitliche Aus- und Weiterbildungsstandards für die Mitarbeiter müssen etabliert und mit einer aktiven und zielgerichteten Personalentwicklung koordiniert werden.

Zusätzlich ist es gerade vor dem Hintergrund der Rechtsberatung äußert wichtig, Prozesse eindeutig zu beschreiben und dem Mitarbeiter klare Grenzen in der Beratung aufzuzeigen. Ein funktionierendes Netzwerk oder zumindest ein existierender Ansprechpartner zum Thema Rechtsberatung ist erforderlich. Die Rollenverteilung muss klar geregelt sein. Es ist wünschenswert, dass der Kunde seinen Vermögensberater in Zukunft als Koordinator für alle Belange der Finanzen sieht.

Erweiterte Dienstleistungen und Potenzial im Marketing

Beinhaltet die Institutsstrategie den Aufbau eines Stiftungsmanagements und, oder das Anbieten von Testamentsvollstreckungen, müssen auch diese Rahmenbedingungen geschaffen und kommuniziert werden.

Mit der Begleitung durch das Marketing wird die Akquise von Neukunden vereinfacht. Regelmäßig stattfindende Veranstaltungen zum Beispiel mit dem Titel "Erbschaftstage 2007" sind Garanten für einen hohen Zulauf und eine positive Außenwirkung. Neu hinzu kommen können auch finanzfremde Themen wie Pflegeunterstützung, Weiterbildung und Gesundheitsdienste sowie Planung von Freizeitangeboten. Zielgruppenangebote "Generation 50+" sind ohne das Thema "Vererben und Vermögensübertragungen" nicht denkbar.

Technische Unterstützung und Instrumente

Die Kalkulation und Prüfung einer gewünschten Nachlassplanung stellt den Berater in der Praxis häufig vor komplexe Fragestellungen. Manuelle Berechnungen ohne EDV-Unterstützung führen hier meist nicht zum Ziel. Alleine aus Haftungsgründen müssen Rechenwege, Annahmen und eventuelle Pauschalierungen innerhalb einer Kalkulation herausgestellt und dokumentiert werden. Gerade vor dem Hintergrund anstehender gesetzlicher Neuregelungen wie Mi FiD und VVG kann mit vertretbarem Aufwand nur eine praxiserprobte und gut organisierte IT-Lösung für zusätzliche Sicherheit sorgen.

Auch eine Prüfung von komplexen Fällen, zum Beispiel auf Pflichtteilsansprüche oder auch die Abbildung von verschiedenen Güterständen kann im Regelfall nicht mehr ohne methodische Instrumente erfolgen. Auch und vielleicht gerade die älteren Kunden von Banken und Sparkassen sind heute informierter, skeptischer und haben weniger Zeit. Fundierte Informationen, Simulationen und individuelle Strategien sind gefragt. Kein Berater möchte seinem Kunden heutzutage eine Zettelwirtschaft mit selbst gezeichneten Grafiken anbieten.

Handgeschriebene Lösungen erscheinen zumindest in der Präsentationsphase als nicht mehr zeitgemäß und im Bereich der vermögenden Kunden inklusive deren Nachfahren als deplaziert.

Banken und Sparkassen müssen das Erbe ihrer Kunden retten. Es gilt, ein neues Kompetenzfeld in der Beratung erfolgreich zu besetzen und die vorhandenen Potenziale zu heben. Die derzeitige Aktualität und Präsenz in der Öffentlichkeit ermöglicht einen reibungslosen und einfachen Start.

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