Schwerpunkt Bausparen

Bausparen und Demografie - Zielkunden im Wandel

Das Damoklesschwert des demografischen Wandels schwebt auch über dem Bauspargeschäft. Was passiert, wenn die Bausparkollektive immer älter werden? Ältere Menschen haben keinen Finanzierungsbedarf mehr, so die landläufige Meinung. Diejenigen, die schon im Eigenheim leben, stecken kein Geld mehr hinein. Und aus Senioren, die ihr Leben lang zur Miete gewohnt haben, werden keine Eigentümer mehr. Mit frischem Blut für die Gemeinschaft der Bausparer ist weniger zu rechnen. Die schrumpfende junge Zielgruppe wird massiv umworben und hat ohnehin anderes im Sinn als sich eine Immobilie zu kaufen. Viel zu spießig. Bedeutet die Bevölkerungsentwicklung also das schleichende Ende der genialen Idee vom Bausparen? Definitiv: "Nein! " Aber Marktstrukturveränderungen zeigen die Grenzen von klassischen Strategien auf, die bei der Produktentwicklung und -vermarktung auf das Lebensalter der Zielgruppen fokussieren. Nur auf diese Punkte soll in den folgenden Ausführungen eingegangen werden. Wer ausschließlich das biologische Alter zugrunde legt, um den Bedarf potenzieller Kunden zu ermitteln, liegt häufig daneben. Relativ homogene Zielgruppen finden sich eher noch bei Jugendlichen und Ruheständlern. Innerhalb dieser Altersgruppen sind die soziodemografischen Daten in etwa vergleichbar. Die breite Zielgruppe der 19- bis 65-Jährigen hingegen wird zunehmend heterogener und ist dadurch schwerer zu beschreiben. So befinden sich immer häufiger unterschiedliche Altersgruppen im gleichen Lebensabschnitt. Ein 25-Jähriger kann sich ebenso mit Familiengründung und "Nestbau" befassen wie ein 50-Jähriger - Patchwork-Familien und späte Vaterschaft machen es möglich. Zudem ist seit einigen Jahren vermehrt ein hybrides Käuferverhalten zu beobachten. Bildhaft dafür steht die Porschefahrerin, die bei Aldi ihre Grundnahrungsmittel ersteht und im Internet auf Schnäppchenjagd geht. Kundenansprache in bestimmten Lebensphasen Wenn aber klassische soziodemografische Merkmale wie Alter, Einkommen oder Lebensstil nicht mehr greifen, um die Erwartungen und Bedürfnisse von bestimmten Zielgruppen zu umreißen, wie sollen Unternehmen dann künftig ihre Marketingstrategien entwickeln? Erschwerend kommt für die Bausparkassen hinzu, dass für Finanzdienstleistungsprodukte - im Gegensatz zu beispielsweise Konsumprodukten - ein latenter Bedarf besteht, also der Bedarf erst geweckt werden muss. Umso wichtiger wird es für die Bausparkassen, Menschen gemäß ihren Lebensphasen anzusprechen. Leichter gesagt als getan! Wie ist die Branche auf verstärkt fragmentalisierte Erwerbsbiografien und Lebensentwürfe vorbereitet? Bei der Produktgestaltung schon recht gut. Sowohl fest entschlossene Eigenheimerwerber wie auch diejenigen, die bereits ansparen und Darlehensansprüche erwerben wollen, sich aber noch nicht endgültig festlegen, finden passende Produktangebote, so sie denn von der Bausparidee überzeugt werden konnten. Optimierungsbedarf gibt es in der Ansprache der (potenziellen) Bausparkunden. Die Menschen sind in den vergangenen Jahren hinsichtlich Kommunikation und Services anspruchsvoller geworden. Vor diesem Hintergrund stellt sich unter anderem die Frage, ob die Bausparkassen über ihre klassische Werbe-Bildwelt gerade die heterogene Gruppe der 19- bis 65-Jährigen noch erreichen? Die traditionelle Botschaft mit der vierköpfigen Familie, die ihr Glück im Eigenheim findet, berührt eben nur noch einen Teilausschnitt. Menschen wollen heute als Individuen mit spezifischen Bedürfnissen wahrgenommen und angesprochen werden. Das zeigt zum Beispiel der erstaunliche Erfolg von Social-Media-Angeboten. Diese Form des - eigentlich öffentlichen - Dialogs wird als persönliche Kommunikation bewertet und findet große Akzeptanz. Unternehmen, denen es gelingt, Kunden mit einer stark individualisierten Ansprache zu erreichen, haben einen enormen Wettbewerbsvorteil. "Know your customer"... ... sollte nicht als regulatorische Vorgabe betrachtet werden, sondern ist künftig grundlegende Voraussetzung einer zielgerichteten Kunden- und Marktbearbeitung. Der Schlüssel zum Verkaufserfolg liegt vereinfacht in einer möglichst persönlichen Ansprache, zum rechten Zeitpunkt, mit dem passenden Produkt. Das setzt umfassende Kenntnisse über die Lebenssituation und -planung eines Menschen voraus. Alleine Vertragsdaten wie Alter, Familienstand und ähnliches aus den Kernsystemen und dem Data-Ware-House reichen dafür nicht aus. Diese Daten sind schlicht zu statisch. Es gilt, möglichst laufend Informationen zu den Lebensphasen der Kunden und ihrem familiären Umfeld zu erhalten, um den "dynamischen Bedarf" zu erkennen - natürlich alles unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Wie alt sind die Kinder, und sind sie bereits berufstätig? Wie ist die berufliche Situation des Kunden? Wird das Elternhaus auf ihn übertragen? An dieser Stelle wandeln sich die Aufgaben des Außendienstes. Den Zentralen wird es nicht möglich sein, den "dynamischen Bedarf" zu erkennen. Mailing-Aktionen klassischer Prägung werden bei dieser Entwicklung noch höhere Streuverluste verursachen und die Konvertierungsraten gehen zurück. So kommt der Interessentengewinnung und den bestandspflegenden Kontakten durch den Außendienst größere Bedeutung zu. Eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, bei der es gelingen muss, alle relevanten Daten aus Kontaktgesprächen zu extrahieren und weiterzuverarbeiten. Zusätzlicher Mehrwert Ziel ist es natürlich, durch den Außendienst selbst Ansätze für das Verkaufsgespräch zu identifizieren und damit die Abschlusschancen durch eine stets bedarfsorientierte Beratung zu erhöhen. Doch bei noch so konsequenter Anwendung stößt der Außendienst durch den laufenden Bedarfswandel an seine Grenzen. Hierfür ist die Unterstützung mit einem passenden Customer-Relation-ship-Management-System (CRM) erforderlich. Die Synchronisierung von Vertragsdaten der Zentrale und Kundendaten des Außendienstes wird die Grundlage einer lebensphasenorientierten, punktgenauen Kundenansprache. Die Kombination aus der (inhalts)passenden Verkaufsvorbereitung (Mailing) und dem zeitpunktgerechten Verkaufsgespräch (Berater) kann der komplexen Anspruchshaltung heterogenerer Zielgruppen besser gerecht werden. Aber nicht nur die direkte Marktbearbeitung profitiert von solchen Systemen der konsequenten Datensammlung. Diese Informationen können auch kaufverhaltensorientierte Ansätze (vergleiche Kirchner, S., Erfurter Hefte zum angewandten Marketing, 2011) befördern und damit einen zusätzlichen Beitrag zur Marktsegmentierung leisten. Zum Beispiel für die zuvor als homogener bezeichnete Zielgruppe der Ruheständler. Auch deren Ansprüche sind hinsichtlich des Themas Wohnen durchaus differenziert. Ihnen ist klar, dass in den kommenden Jahren Einschränkungen der körperlichen Mobilität eintreten könnten. Für manche ist ein Altenheim eine Option. Andere werden in späten Jahren noch einmal Wohneigentümer. So organisieren sich in größeren Städten etwa altersgemischte Bauherrengemeinschaften, die zusammen private Projekte für gemeinschaftliches Wohnen realisieren. Schon stellen sich neue Fragen, die für die Bausparkasse Relevanz haben: Kommt der Verkauf der eigenen Immobilie in Frage? Möchte der Kunde Rücklagen bilden und sein Heim später barrierefrei gestalten? Welche Mittel sind nötig, um sich in eine Gemeinschaft einzukaufen? Das alles sind Kriterien, die in Anbetracht der Demografie an Bedeutung gewinnen können und somit wiederum Produktadaptionen nach sich ziehen können. Die demografische Entwicklung stellt auch die Bausparbranche vor Herausforderungen. Ausschließlich vertriebliche Aspekte und Aspekte des Marketings sind hier beschrieben. Der Wettbewerb und die Heterogenität der Gesellschaft und somit der Bausparkunden nimmt zu. Zielgruppen zu identifizieren und eine passgenaue Ansprache zu finden wird schwieriger, ist aber dennoch möglich. Als Grundlage hierfür bedarf es einer strategischen Datensammlung zur Speisung von CRM-Systemen, die die Vertriebe unterstützen. Allerdings darf dabei auch nicht zu kleinteilig gedacht werden. So stößt ein Vertrieb beim Ethno- oder Gender-Marketing schnell an seine Grenzen. Wenn es Bausparkassen jedoch künftig gelingt, mit ihrem Angebot möglichst nah am Bedarf und richtigen Ansprachezeitpunkt zu sein, dann sind die Voraussetzungen gut, um die Erfolgsgeschichte des Bausparens - trotz des demografischen Wandels - fortzuschreiben.

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