Leitartikel

Gipfel erklommen

po - "Man gebe mir die Kraft, Dinge zu ändern, die zu ändern sind, die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die unabänderlich sind, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden." An dieser, seiner selbsterklärten Lieblingsweisheit gemessen, hat der Herr Vorstandsvorsitzende es wohl richtig gemacht, wenn er seit dem 30. Juni dieses Jahres nicht mehr aktiv in das Geschäft eingreift, sondern künftig nur noch privat oder berufen beobachtend tätig sein wird. Dann zu gehen, wenn das Institut noch aufstrebend neue Höhen erreichen kann, und nicht, wenn es daniederliegend andere Kollegen stöhnend fragen lässt: "Wann tritt er denn endlich ab?" Den Zeitpunkt selbst bestimmen zu können, vermittelt ein gutes Gefühl jener Freiheit und Unabhängigkeit, das in der modernen Managerwelt so selten geworden scheint.

Gut acht Jahre stand Wulf von Schimmelmann dem Vorstand der Deutsche Postbank AG vor. Acht Jahre, in denen sich vieles für den ehemals so eingeengten Staatsbetrieb nachhaltig zum Besseren gewendet hat. Gegründet 1990 hat die Postbank 1994 erstmals trotz hoher Abführungen an den Bund ein positives Ergebnis abgeliefert. Nach der Postreform II wurde das Institut 1995 in eine AG umgewandelt und erhielt die Vollbanklizenz. Sollte die Post den ursprünglichen Überlegungen zufolge mit ihrer Beteiligung zunächst unter der Sperrminorität bleiben müssen, wurde zunächst 1997 der arg umstrittene Kooperationsvertrag zwischen Post und Postbank unterzeichnet, der der Post umfangreiche Einnahmen für die Filialnutzung durch die Bank zusicherte, bevor der Briefmonopolist im Dezember 1998 für 4,3 Milliarden DM doch die restlichen 82,5 Prozent vom Bund übernahm.

1999 schließlich wurde Wulf von Schimmelmann überraschend Postbank-Chef. Sein Mc-Kin-sey-Kompagnon Klaus Zumwinkel holte ihn aus dem Frührentnerdasein, das der damals 52jährige, gebürtige Bayer nach seinem etwas plötzlichen Rückzug aus dem Vorstand der BHF-Bank fristete. In die Postbank-Ära Schimmelmann fielen der Kauf der DSL Bank, die mittlerweile als Zweitmarke im B-to-B-Geschäft nicht mehr wegzudenken ist, der Einstieg in die Leasing- und Factoring-Aktivitäten sowie den mobilen Vertrieb, der eines der Wachstumsfelder ist, der Börsengang der heute laut Bundesbank zu den Großbanken zählenden Postbank, die Übernahme des BHW sowie der Kauf von 850 Filialen von der Post. Das ist viel. Freilich: Nicht alles davon hat Wulf von Schimmelmann "erfunden". Der Börsengang war bereits für Mitte der neunziger Jahre angedacht und auf seiner ersten Pressekonferenz hat der damalige neue Vorstandschef ihn für das Jahr 2000 versprochen. Auch die Kapitalverflechtung mit dem BHW wurde von Schimmelmanns Vorgängern überlegt und reicht in das Jahr 1996 zurück.

Wulf von Schimmelmann hat die Postbank stetig und ruhig zu der "Retailbank Deutschlands" entwickelt. Dabei halfen ihm sicherlich seine reichlichen Erfahrungen aus allen drei Bankengruppen, denn er ist einer der wenigen Manager, die Vorstandsposten sowohl im privaten Bankgewerbe, bei den Sparkassen (Landesgirokasse) und den Kreditgenossen (DG Bank) besetzten. Daneben bringt er viel von dem mit, was die medial geprägte Welt heute von einem Bankvorstand fordert: Er ist eloquent und charmant, dabei keineswegs burschikos und volksnah, in Funk und Fernsehen vorzeigbar, stets lächelnd für die Kameras. Und er spricht die Sprache der Analysten auf einer der unzähligen Roadshows egal ob auf Deutsch, Englisch oder Französisch.

Für Schimmelmanns Nachfolger Wolfgang Klein bleibt trotzdem noch genug zu tun: Er muss Postbank und BHW sauber sortieren, den Spagat zwischen Neukundengewinnung und Bestandskundenausschöpfung hinbekommen, in Fondsgeschäft und Bausparen endlich für ein Institut dieser Kundenzahl adäquate Größenordnungen erzielen, die große Bedeutung der Postbank für die Post nachhaltig beweisen und endlich die enorme Wichtigkeit des Kapitalmarktgeschäftes herausstellen. Eine einzige Unachtsamkeit bei der Anlage der riesigen Kundengelder würde die von dem stabilen und wenig volatilen Geschäftsmodell einer Retailbank ausgehenden Analysten und Anleger erheblich erschrecken. Das alles wird sicherlich nicht leicht. Denn während zur Zeit Wulf von Schimmelmanns das Retailbanking in Deutschland eher etwas missachtet worden war, ist der Wettbewerb heute voll entbrannt. Und auch die Begehrlichkeiten werden nicht geringer. In der so hochgepriesenen deutschen "Konsolidierung" ist die Postbank eine Praline. Klaus-Peter Müller jedenfalls würde sie nur zu gerne der Commerzbank einverleiben und lässt nichts unversucht. Doch noch bleibt die Post standhaft.

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