Blickpunkte

Dispositionskredit - Bitte zum Selbstkostenpreis

Die Erbitterung der Verbraucherschützer, an ihrer Spitze Bundesministerin Ilse Aigner, über die Konditionen, die Kreditinstitute für Dispositionskredite berechnen, ist bis zu einem gewissen Grade nachvollziehbar. In Zeiten günstiger Refinanzierungsmöglichkeiten scheinen Zinssätze von durchschnittlich 12,52 Prozent schwer nachvollziehbar - vor allem in einem Umfeld, in dem sich die Öffentlichkeit daran gewöhnt hat, Finanzdienstleistungen zu Konditionen zu erwarten, die nahe an (wenn nicht gar unter) den Selbstkosten der Kreditwirtschaft liegen.

Argumente wie die Tatsache, dass Überziehungskredite vergleichsweise risikoträchtig sind und dass die Bequemlichkeit, unbürokratisch jederzeit über einen Kreditrahmen verfügen zu können, einen gewissen Konditionenaufschlag rechtfertigt (wie er übrigens im Zusammenhang mit Kartenkrediten ebenso üblich ist), werden da großzügig vom Tisch gefegt. Wen kümmert's, dass die Kreditinstitute schon allein für das Einräumen des Limits unabhängig von der Inanspruchnahme des Kredits Eigenkapital vorhalten müssen, wie der ZKA zu Recht in die Debatte einwirft? Dass auch der Kunde seinen Beitrag zu der allseits geforderten Stabilität von Kreditinstituten leisten muss, ist ein Gedanke, an den sich die Verbraucherschützer wohl werden gewöhnen müssen. Das aber dürfte seitens der Kreditwirtschaft noch einiges an Kommunikationsaufwand erfordern. Und wenn Finanztest bemängelt, dass die Kreditinstitute ihre Zinsvorteile bei der Refinanzierung vor allem deswegen kaum an ihre Kunden weitergeben, weil "der Dispokredit für die meisten Bankkunden eine willkommene und bequeme Zugabe zu ihrem Girokonto" ist, bei der sie gar nicht nach dem Preis fragen, so darf man doch wohl die Frage nach der Eigenverantwortlichkeit des mündigen Kunden aufwerfen.

Spitzenkonditionen von annähernd 17 Prozent muss schließlich niemand zahlen. Unbestritten: Der Bankwechsel ist für filialorientierte Kunden im ländlichen Raum infrastrukturbedingt nicht gar so einfach wie in Ballungsgebieten. Doch auch hier hat der Kunde schließlich die Wahl, den Anbieter zu wechseln oder auf andere Kreditformen auszuweichen: den Ratenkredit bei der Bank etwa oder die oft subventionierten Finanzierungsangebote im Einzelhandel. Wenn Finanztest vorrechnet, dass man bei einem in Anspruch genommenen Dispositionskredit von 2500 Euro bei einem Zinssatz von 14 Prozent auf Zinsen von 350 Euro im Jahr kommt, so muss gesagt werden: Dazu ist der Verfügungsrahmen eigentlich auch nicht gedacht.

Mag sein, dass der Dispokredit für die eine oder andere Bank oder Sparkasse als willkommene Möglichkeit gesehen wird, die Ertragskraft des Girokontos vom Kunden eher unbemerkt aufzubessern. Gleichwohl ist die jüngste Diskussion wieder einmal symptomatisch für das Imageprobl em einer Branche, der generell unterstellt wird, den Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen, wo es nur geht. Regulatorische Eingriffe, nach denen in diesem Umfeld immer wieder verlangt wird, wären auch im Fall des Dispositionskredits vermutlich kontraproduktiv. Schlimmstenfalls könnten sie die Bereitstellung des im internationalen Vergleich ohnehin einzigartigen Kreditrahmens in Verbindung mit dem Girokonto generell gefährden. Und damit wäre dem Verbraucherinteresse sicher nicht gedient. sb

Noch keine Bewertungen vorhanden


X