Leitartikel

Discounter für den Mittelstand

sb - Wenn es um das Verhältnis von Kreditwirtschaft und mittelständischer Wirtschaft geht, ist der Standpunkt der Politik klar. Neben der Abwicklung des Zahlungsverkehrs besteht die Rolle der Banken und Sparkassen vor allem in ihrer Funktion als Kreditgeber. Kommen sie dieser Verantwortung nicht in ausreichendem Maß nach, wird von Politikern und Unternehmensverbänden eifrig mit staatlichen Eingriffen gedroht. Dass die Vergabepolitik der einzelnen Häuser nicht nur von der jeweiligen Risikopolitik, sondern nicht zuletzt auch von regulatorischen Vorgaben abhängt, wie es Vertreter aller Säulen der Kreditwirtschaft immer wieder betonen, wird dabei gerne übersehen.

Zweifellos hat es 2008 und 2009 einen Trend zu höheren Konditionen gegeben. Dies aber war oftmals nur eine Korrektur der nicht immer risikogerechten Abwärtsspirale vergangener Jahre. Eine echte Kreditklemme ließ sich daraus - trotz wieder lauter gewordener Warnungen - nicht ableiten. Und dass sich die Unternehmen als Konsequenz gestiegener Risikoaufschläge bemühen, durch Stärkung ihrer Eigenkapitalbasis oder verbessertes Liquiditätsmanagement von den Banken unabhängiger zu werden, ist ein längst überfälliger Effekt. Schließlich gilt die magere Eigenkapitalausstattung seit langem als Schwachstelle des deutschen Mittelstands. Die Bestrebungen, hier besser zu werden, haben denn auch schon vor der Krise eingesetzt. So erhöhte sich die durchschnittliche Eigenkapitalquote des Mittelstands laut DSGV von 10,8 Prozent (2006) über 11,5 Prozent (2007) auf 13,9 Prozent 2008. Der Anteil der kleinen Unternehmen ohne Eigenkapital sank um 4,2 Prozentpunkte, lag aber 2008 immer noch bei stolzen 42,9 Prozent. Bei den mittleren Unternehmen mit einem Umsatz zwischen einer und 50 Millionen Euro waren es immerhin noch 19,7 Prozent. Für 2009 meldeten in einer DSGV-Umfrage 61,7 Prozent der Sparkassen wieder eine Verschlechterung der Eigenkapitalausstattung ihrer Mittelstandskunden. Eine grundsätzliche Trendumkehr bedeutet dies aber nicht: In der Mitte November 2009 bis Mitte Januar 2010 durchgeführten TNS-Infratest-Studie "Unter-nehmer-Perspektiven" im Auftrag der Commerzbank gaben 61 Prozent der Unternehmen an, dass eine hohe Eigenkapitalquote nach der Krise wichtiger sein werde als vorher. Unter denjenigen Unternehmen, die damit rechnen, geschwächt aus der Krise hervorzugehen, sind es sogar 71 Prozent. Bei der Erreichung dieses Ziels verstärkt die Beratung durch einen Bankpartner in Anspruch nehmen wollen indessen nur 29 Prozent. Ergebnisse also, die durchaus einem Misstrauensvotum gleichkommen.

Dass die Renaissance der Hausbank im Mittelstandsgeschäft offenbar nicht die Ausmaße erreichen wird, wie mancher dachte, ist da nur folgerichtig. Nur 18 Prozent der Betriebe halten in der Commerzbank-Studie eine Konzentration auf die Hausbank künftig für wichtiger als bisher, deutlich mehr als die Hälfte hat dagegen gute Konditionen im Blick, 46 Prozent wollen künftig Angebote sorgfältiger vergleichen. Und fast jedes dritte Unternehmen hält mehrere parallele Bankverbindungen für wichtiger als früher. Markus Beumer, Firmenkundenvorstand der Commerzbank, zieht das ernüchternde Fazit: Die Zeit der Margenerhöhung von 2008 und 2009 kommt zu einem Ende. Auch im Mittelstandsgeschäft wird das Discounting, wie es im Privatkundengeschäft längst etabliert ist, an Bedeutung gewinnen. Gerade im Umgang mit Unternehmen in der Größenklasse zwischen 2,5 und 12,5 Millionen Euro wird der zu leistende Spagat am größten sein: Einerseits sind es diese Firmen, die künftig am stärksten auf die Konditionen schauen. Gleichzeitig sind sie es aber auch, die sich am ehesten auf ihre Hausbank zurückbesinnen und deren strategische Beratung am stärksten in Anspruch nehmen wollen. Wer bisher vor allem die großen Unternehmen mit guten Konditionen umworben hat, wird also umdenken müssen. Soll die Kundenbeziehung zu den treuen kleineren Unternehmenskunden nicht gefährdet werden, wird man diesen bei den Preisen wohl stärker entgegenkommen müssen. Dass dies vor allem die im kleineren Segment vertretenen beiden Verbünde vor Herausforderungen stellt, liegt auf der Hand.

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