Aufsätze

Unternehmensfinanzierung aus Sicht der mittelständischen Wirtschaft

Die deutsche Wirtschaft ist in Aufbruchstimmung. Die Unternehmen haben ihre Schockstarre nach dem wirtschaftlichen Absturz im Vorjahr abgeschüttelt. Derzeit arbeiten sie den schweren Einbruch des Krisenjahres 2009 in atemberaubendem Tempo auf. In einigen Bereichen können bereits im nächsten Jahr wieder die Zahlen des Rekordjahres 2008 erreicht und sogar übertroffen werden.

Wie geht es für die Unternehmen weiter? Auf welche Rahmenbedingungen trifft insbesondere der deutsche Mittelstand strukturell, konjunkturell und in der Finanzierung? Welche Faktoren bestimmen die künftigen Wachstumschancen und den sich daraus ergebenden Finanzierungsbedarf?

Kein Ende des Erfolgsmodells Export dank intakter Megatrends

Zunächst die strukturelle Betrachtung: In den vergangenen Monaten konnte man beobachten, wie rasch Depression und Euphorie sich abwechseln können. Der historisch beispiellose Absturz des deutschen Außenhandels zum Jahreswechsel 2008/2009 führte dazu, dass von vielen Seiten das deutsche "Exportmodell" gänzlich infrage gestellt wurde.

Diesen Pessimismus hat der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) nie geteilt und damit recht behalten: Heute, im Wiederaufschwung, profitiert Deutschland erwartungsgemäß wieder überproportional von seiner internationalen Vernetzung. Die Außenwirtschaft ist hochrobust, seine mittelständische Struktur in hohem Maße anpassungsfähig, ein Ende des Erfolgsmodells vorerst nicht wahrscheinlich, trotz steigender, insbesondere asiatischer Konkurrenz um Weltmarktanteile.

Die Begründung für diese optimistische Annahme liegt zunächst in den intakten Megatrends. So werden die großen Schwellenländer weiter wachsen und an Wohlstand gewinnen, gerade dort werden große Infrastrukturmaßnahmen weiter erforderlich sein. Allerdings sind die Herausforderungen bekannt: Nicht nur beim Klima- und Ressourcenschutz, der Entwicklung und Sicherung der Rohstoff- und Trinkwasserversorgung sowie der Verkehrs- und Energieinfrastruktur befinden sich die Schwellenländer in einem Wettlauf gegen die Uhr einer explodierenden Demografie.

Auch die Forderung nach einer Stärkung der Binnenkonjunktur ist kein Widerspruch zur außenwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit! Beide Sachverhalte ergänzen sich und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Insbesondere über die Investitionen, zuvorderst im Bausektor, können noch ungeahnte Potenziale zur Belebung der Konjunktur gehoben werden.

Verhaltener Optimismus für 2011

Das führt bereits zum konjunkturellen Aspekt der Betrachtung: Die Krise sollte nicht zu früh abgehakt werden. Bedeutende Volkswirtschaften wie Spanien, Italien und Großbritannien kämpfen immer noch mit den Auswirkungen. Und auch in den USA und in Japan tun sich die Auftriebskräfte schwer, sich durchzusetzen.

Obwohl Deutschland derzeit besser dasteht als die Nachbarn, schaut der BGH deshalb nur verhalten optimistisch in das vierte Quartal und ins nächste Jahr 2011. Gesamtwirtschaftlich wird 2010 ein absolutes Ausnahmejahr, das sich so 2011 nicht wiederholen lässt: Der Verband sieht seine optimistische Prognose vom Jahresanfang mit einem Wachstum von drei Prozent im Wesentlichen bestätigt. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass sich dieser Wert im nächsten Jahr mehr als halbieren wird, auf dann 1,25 bis 1,5 Prozent.

Bislang nur Zeit erkauft

Die Ursache dafür liegt in den Risiken aus den ungelösten Schulden- und Währungsproblemen. Die Krise schwelt weiter. Durch die Rettungsaktionen der EU wurde bislang nur Zeit gekauft. Es bestehen berechtigte

Zweifel am ernsthaften Sparwillen insbesondere der südeuropäischen Länder. So gibt es dort bislang viel zu wenig konkrete Maßnahmen und Gesetze zur Haushaltskonsolidierung. Das Managen der Schuldenkrise und der Abbau der Staatsdefizite sind der einzige Schlüssel für einen lang anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung! Die wirtschaftlichen Eliten sind gefordert, dies der Bevölkerung in Europa klarzumachen.

Besondere Beachtung verdienen ferner auch die seit Sommer 2009 wieder ansteigenden Preise für Energie und Rohstoffe sowie die Entwicklung der Wechselkurse. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise haben die Schwankungen für die Unternehmen erheblich zugenommen. Tendenziell werden die Exporte bedingt durch den schwachen Euro gegenwärtig begünstigt, während die Importe zu einer Verteuerung tendieren. Generell sind Ausschläge in kurzer Frist für die Unternehmen eine Herausforderung in puncto Finanzierung und Liquidität.

Keine Kreditklemme, aber Liquiditätsbedarf

Diese Stichworte führen bereits mitten in den dritten Aspekt der Betrachtungen: Die Finanz-, Wirtschafts- und Währungskrise hat enorm an der Substanz der Unternehmen gezehrt. Dies zeigt die aktuelle BGA-Unternehmerbefragung. Gut, dass die Unternehmen in den Boomjahren vorgesorgt haben, indem sie Eigenkapital für schlechte Zeiten zurückgelegt haben. Nun bauen die Unternehmen beim wirtschaftlichen Aufschwung auf ihre eigene Kraft, obwohl sie in der Krise viele Reserven mobilisiert haben. Das entschlossene Handeln der Politik hat maßgeblich dazu beigetragen, eine drohende Kreditklemme erfolgreich abzuwenden, auch wenn es in manchem Fall zu erhöhten Zinsen und verschlechterten Konditionen gekommen ist.

Verschärfte Vergabestandards

Eine gemeinsam mit dem BGA durchgeführte KfW-Umfrage zur Unternehmensfinanzierung 2010 hat ergeben, dass die Vergabestandards restriktiver geworden sind und die Anforderungen an Dokumentationen, Offenlegungspflichten und Sicherheiten gestiegen sind. In diesem Umfeld müssen die deutschen Unternehmen nun ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den Märkten beweisen. Zugleich sehen sie sich mit steigenden Finanzierungsanforderungen aus dem Wachstum konfrontiert. Die anziehende Nachfrage nach Produkten und Technologien aus Deutschland bedeutet, dass Unternehmen eine Antwort darauf finden müssen, wie sie ihre weiteren Investitionen und ihr Know-how finanzieren.

Am dringendsten benötigen die Unternehmen Finanzmittel für den laufenden Betrieb und für Betriebsmittel sowie den Lageraufbau. Dies haben drei von vier Unternehmen angegeben. Im Zuge der Krise haben die Unternehmen ihre Kostenblöcke reduziert. Nun ergibt sich hieraus Finanzierungsbedarf für die Wiederbeschaffung von benötigten Ressourcen und das Auffüllen von Lägern. Diese Situation ist typisch für Großhandelsunternehmen, deren Haupttätigkeit in der Beschaffung und dem Vertrieb von Waren und Rohstoffen liegt. Der Anteil des Wareneinkaufs am Umsatzvolumen liegt im Großhandel bei über 80 Prozent.

Positiv ist, dass für mehr als 70 Prozent der befragten Unternehmen die Finanzierung des wirtschaftlichen Aufschwungs weitgehend ohne große Schwierigkeiten verlaufen ist. Gut die Hälfte verfügt über ausreichend Eigenkapital und greift zur Finanzierung hierauf zurück, 20 Prozent finanzieren Investitionen und Betriebsmittel aus ihren Erträgen. Dennoch gibt es gegenwärtig keinen Anlass für Entwarnung. Mehr als ein Zehntel benötigt mehr Fremdkapital, und bereits ein weiteres Zehntel benötigt Liquidität, um am erneuten Aufschwung zu partizipieren. Der Aufschwung erhöht damit bei einem Fünftel der Unternehmen den Finanzierungsbedarf.

Finanzierungsfrage als Unsicherheitsfaktor

Die Finanzierungsfrage ist der Unsicherheitsfaktor Nummer eins für Unternehmen. Nach den deutschen Stabilisierungs- und Konjunkturpaketen in Höhe von rund 100 Milliarden Euro steht auch das EU-Stabilisierungspaket in Höhe von 750 Milliarden Euro im Wettbewerb mit der Unternehmensfinanzierung. Einschränkungen von Finanzierungsspielräumen sind daher auch durch die hohen staatlichen Risiken nicht auszuschließen. Zuversichtlich stimmt allenfalls, dass die Wirtschaft sich besser entwickelt, als es die Politik in ihren Planungen zugrunde gelegt hat und von daher allein in diesem Jahr das Staatsdefizit um 20 Milliarden Euro geringer ausfällt.

Die anziehende Konjunktur führt zu einer steigenden Nachfrage nach Finanzierungsressourcen. Wenn alleine im Großhandel bis zum Jahre 2013 die Umsatzeinbrüche wieder kompensiert werden können und sollen, ergibt sich bei den Unternehmen dort ein enormer Finanzierungsbedarf für ein Umsatzvolumen von rund 250 Milliarden Euro. Wenn der steigende Finanzierungsbedarf auf die angeführten Risiken trifft und staatliche Nachfrage mit jener der Unternehmen konkurriert, besteht eine zunehmende Gefährdung der konjunkturellen Erholung durch die Verdrängung unternehmerischer Aktivitäten.

Unternehmen und Banken gefordert

Erschwerend kommt hinzu, dass als Krisenfolge nun Banken gefordert sind, ihr Fundament zu konsolidieren und ihre Aktivitäten durch ausreichendes Eigenkapital zu unterlegen. Noch immer steht die Entschärfung der prozyklischen Wirkung von Basel II an. Gegenwärtig droht jedoch eine gegenteilige Entwicklung durch die Ausdifferenzierung der Eigenkapitalvorschriften durch Basel III.

Dadurch bedingt rollt die nächste Welle erschwerter Finanzierung auf die Unternehmen zu. Hier gilt es dringend, dieser Situation vorzubeugen. Tatsache ist, dass die Unternehmen ein schlechtes Rating ihrer Bank mit bezahlen. Dank der derzeit niedrigen Zinsen ist dies heute noch kein Problem, langfristig aber sehr wohl. Insbesondere auch bei den internationalen Rechnungslegungs-Standards muss Deutschland sich noch viel stärker in London einbringen, um nicht noch mehr Terrain zu verlieren.

Erstens, was können die Unternehmen tun? Sie können die wirtschaftliche Erholung nutzen, das in der Krise verzehrte Eigenkapital wieder aufzubauen und die Finanzkommunikation mit den Kreditinstituten mit Blick auf ihren Kreditbedarf zu verbessern.

Zweitens, was kann der Finanzsektor tun? Er kann europäische Ratingalternativen entwickeln und durch mittelstandsfreundliche Ratingverfahren Mittelständlern den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern. Der BGA gibt sich nicht der Illusion hin, dass dies von heute auf morgen Wirklichkeit werden könnte. Deshalb müssen bislang ungenutzte Finanzierungspotenziale attraktiver gemacht werden. Das Instrument der Hereinnahme von Beteiligungskapital bietet die Möglichkeit, nicht nur Wachstum zu finanzieren, sondern zudem auch die Chance, dies mit positiven Auswirkungen auf das Rating zu tun.

Wiederbelebung von Verbriefungsmöglichkeiten

Auch durch eine Wiederbelebung von Verbriefungsmöglichkeiten könnten finanzielle Spielräume erweitert werden, wenn diese verlässlich geregelt und transparent ausgestaltet sind. Deutschland verfügt in diesem Bereich bereits über die höchsten Standards. Der KfW kommt an dieser Stelle eine Schlüsselrolle zu, dort wieder aufzusetzen. Dabei muss auch immer wieder betont werden, dass nicht die Verbriefungsmärkte in Deutschland zu den Schwachstellen an den Finanzmärkten geführt haben.

Schließlich erwarten die Unternehmen von ihren Banken einen Mehrwert, der über das Bereitstellen eines günstigen Kredits hinausgeht. Über das "Commodity" Geld hinaus fordern sie begleitend weitere Dienstleistungen ein, zuvorderst stärkere Problemlösungsansätze sowie mehr und bessere Beratung. Dazu zählen unter anderem mikro- und makroökonomische Expertise oder Branchenbenchmarks. Die engere Begleitung des Unternehmens durch die Bank ist zum Vorteil beider Seiten.

Eine Welle von Refinanzierungen

Die Unternehmensfinanzierung hängt in Deutschland stärker ab von den Banken als in jedem anderen Industrieland. Vieles spricht dafür, dass die Banken ihr Kreditvolumen in den nächsten Jahren weiter reduzieren werden, weil sie künftig für gleiche Risiken deutlich mehr Eigenkapital vorhalten müssen, das ihnen aber derzeit niemand gibt.

Zugleich kommt auf die Kreditmärkte in den nächsten Jahren eine Welle von Refinanzierungen zu, etwa aus endfälligen Finanzierungen mittelständischer Unternehmen. Diese werden dann mit einem ebenfalls sehr hohen Refinanzierungsbedarf der Immobilienwirtschaft und der Banken selbst zusammentreffen sowie jenem von staatlicher Seite.

Für die Verhandlungen über den künftigen Finanzierungsbedarf müssen sich Unternehmen auf höhere Anforderungen einstellen. Denn zum einen sind die Banken mit verschärften Bedingungen konfrontiert, und zum anderen müssen die Unternehmen in den Verhandlungen die ungünstigeren Bilanzen aus dem Jahr 2009 vorlegen, die tendenziell dazu führen, dass das Rating der Unternehmen sinkt und damit Anforderungen weiter steigen beziehungsweise Unternehmen mit ungünstigeren Krediten rechnen müssen.

Dilemma der Unternehmen

Die Unternehmen stehen vor einem Dilemma. In der Fremdfinanzierung haben sich die Konditionen verschärft, und für viele Unternehmen sind auch die Zinsen eine Herausforderung. Bei der Eigenfinanzierung stehen die Unternehmen weiterhin in der Verantwortung, mehr Eigenkapital im Unternehmen zu akkumulieren, um die Ausgangsbedingungen für Wachstum und Fremdfinanzierungen zu verbessern.

In einer günstigeren Position befinden sich insbesondere jene Unternehmen, die die vergangenen Jahre genutzt haben, um ihre Eigenkapitalsituation zu verbessern, also Vorsorge zu betreiben. Dies hat den Unternehmen vielfach ein Durchhalten in der Krise ermöglicht, aber auch erheblich an der Unternehmenssubstanz gezehrt.

Nun stehen Unternehmen wieder vor der Herausforderung, wieder Eigenkapital aufzubauen, um sich günstigere Finanzierungskonditionen und Zinsen zu sichern. Erleichtert wird die Finanzierung mit Blick auf die Fremdkapitalfinanzierung zwar dadurch, dass die Zinsen der Europäischen Zentralbank immer noch bei einem Prozent liegen und sich dadurch Geschäftsbanken eine günstige Finanzierung ermöglichen können, allerdings stellt sich die Frage, wie lange diese Situation noch fortbestehen wird.

Vorausschauendes Handeln notwendig

Um den steigenden Finanzierungsbedarf zu sichern, sind Unternehmen daher gefordert, sich frühzeitig mit diesem Thema zu befassen und attraktive Konditionen zu sichern. Der deutsche Großhandel ist dabei auf gutem Wege. Er hat sowohl vor als auch in der Krise vorausschauend gehandelt. So hat im Jahr 2009 fast jedes zweite Unternehmen Verhandlungen mit seiner Hausbank über Finanzierung und Konditionen geführt. Das Ergebnis der KfW-Umfrage zur Unternehmensfinanzierung vom Frühjahr 2010 zum Groß- und Außenhandel bestätigt auch, dass sich der Wirtschaftszweig im Vergleich gut behauptet hat.

Der BGA begrüßt vor diesem Umfeld, dass der Bankensektor verstärkt Mittelstandsfonds etabliert, die gerade mittelständischen Unternehmen aus dieser Klemme helfen, indem sie in Unternehmen Kapital investieren. Die Unternehmen sollten jedoch auch die Möglichkeiten nutzen, in ihren Unternehmen die Finanzierung und Liquidität weiter zu verbessern, etwa durch die Optimierung ihres Risiko- und Forderungsmanagements oder Nutzung von Factoring. Vor 2008 haben sich Staat und Banken um die finanzielle Gesundheit von mittelständischen Unternehmen Gedanken gemacht. Heute machen die Unternehmen sich viele Gedanken, wie es mit den Banken weitergeht. Denn Unternehmer profitieren schließlich von einem guten Rating der Banken, weil diese sich dann günstig refinanzieren und diesen Kostenvorteil weitergeben können. Die Unternehmen selbst versuchen ihr Eigenkapital zu stärken. Sie denken häufiger als früher darüber nach, überhaupt mit der Bank über einen Kredit zu reden oder ob man das Investitionsvorhaben abspecken, strecken oder selber finanzieren kann.

Doch wenn der Mittelstand nicht in Wachstum investiert, dann reißt der Aufschwung ab, und es gibt keine neuen Arbeitsplätze. Deshalb muss es beunruhigen, wenn selbst Firmen mit gestiegener Ertragslage erleben, dass es schwieriger wird, an Kredite zu kommen. Während der mittelständische Unternehmer vielleicht auch mal ein, zwei oder drei Jahre auf Wachstum verzichten kann, ist das für dieses Land nicht gut.

Anton F. Börner , Präsident, Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V., Berlin
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