Gespräch des Tages

Finanzplatz - Sensible Aufsichtsfragen

Eigentlich stand bei der von Frankfurt Main Finance initiierten Gesprächsrunde Mitte Juli dieses Jahres das Thema der Neuordnung von Aufsicht und Regulierung auf der Tagesordnung. Fast vorprogrammiert in solch einem Umfeld von Vertretern von Banken, Verbänden und Politik ist ein politisch-finanzwirtschaftliches Schulterklopfen. Also: Zum einen profitiert der Finanzplatz Deutschland im Allgemeinen und Frankfurt im Speziellen davon, dass die Mainmetropole sich seinerzeit als Standort der EZB durchgesetzt hat. Mit dem nun zur europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde aufgewerteten Ausschuss für Versicherungen (CEIOPS) und der geplanten Ansiedlung des europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) könnte sich Frankfurt als wichtiges Kompetenzzentrum für Aufsichtsfragen etablieren - auch wenn die zweite bundesdeutsche Bankenaufsichtshälfte selbst noch von Bonn aus ihrer Arbeit nachgeht.

Zum anderen und ebenfalls positiv, so die Argumentation, hat der Finanzplatz Deutschland der Krise gut Stand gehalten: Trotz IKB, Sachsen-LB und Hypo Real Estate ist es hinsichtlich Bankenpleiten hierzulande noch vergleichsweise ruhig geblieben, andernorts jedenfalls sind prominentere Spieler deutlich spektakulärer zugrunde gegangen. Inwieweit all dies aber ein Verdienst von Aufsicht oder Regulierung ist oder sich doch aus anderen Faktoren ableitet - etwa der deutschen Bankenstruktur mit den beiden prägenden dezentralen Verbünden und ihrer jeweiligen regionalen Verankerung oder schlichtweg einer insgesamt zurückhaltenden Mentalität in puncto Risiko -, muss zumindest infrage gestellt werden. Schließlich haben die Behörden in Spanien etwa mit dem De-fac-to-Verbot von Special-Purpose-Vehicles und der Platzierung von Personal direkt in den Kreditinstituten schon seit Längerem deutlich enger am Markt agiert.

Dass die im Rahmen des Ausgangsthemas freilich interessanteste und drängendste Frage nach der Notwendigkeit einer europäischen Aufsichtsbehörde einmal mehr in weiten Teilen umschifft wurde, zeigt derweil, wie sensibel Politik und Bankenindustrie dem Thema gegenüberstehen. Offensichtlich sind der drohende Einflussverlust und die aus einer Harmonisierung zu erwartende Eingrenzung nationaler Eigenarten zu heiße Eisen, als dass man sich in Frankfurt oder Berlin derzeit die Finger daran verbrennen möchte. Dass der hessische Ministerpräsident es sich nicht hat nehmen lassen, auch in Richtung Basel und London die Forderung nach mehr Transparenz zu stellen, genauso wie insgesamt die nach einer angesichts der wiederkommenden Milliardengewinne nicht zu verschleppenden gründlichen Aufarbeitung der Finanzkrise und ihren Konsequenzen, zeigt wenigstens ein Bewusstsein für notwendige Veränderungen.

Konkrete Vorschläge und Impulse zu neuen Regulierungsstrukturen aber sind es, die von den Branchenvertretern gefragt sind. Was sind die Argumente für nationale Aufsichten? Welche Vorteile hätte eine supranationale EU-Behörde? Wie ließe sich beides unter ein Dach bringen? Über diese Fragen muss die Diskussion geführt werden. Allein zu erkennen, dass nun der richtige und dringende Zeitpunkt ist, sich mit aktuellen Fragen wie dem Sinn und Unsinn der Fair-Value-Bilanzierung zu beschäftigen, reicht nicht aus. Auch ist es nicht genug, das Mantra zu wiederholen, dass nicht mehr, sondern bessere Aufsicht gebraucht wird. Auch mit nationalen Themen müsste man sich beschäftigen: Sollte nicht die Teilung der deutschen Bankenaufsicht zwischen der ministeriumsabhängigen BaFin und der unabhängigen Bundesbank aufgehoben und - dann ohne Zugriff aus Berlin - allein bei Letzterer ansiedelt werden?

Die Zeit des Schulterklopfens ist vorbei, soviel hat die Krise doch gelehrt. Aber vielleicht verbirgt sich in der demonstrierten Zurückhaltung ja die Botschaft, dass die Schaffung einer EU-Mega-Aufsicht angesichts der augenscheinlich nach wie vor national geprägten Perspektiven genau wie eine Neuordnung der hiesigen Strukturen weder gewollt noch derzeit überhaupt möglich ist.

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