Gespräch des Tages

Finanzplatz London - (K)ein neues Gesicht

Ob man die Banken, die Institutionen oder die Personen betrachtet, es fällt im Herbst 2010 fast schwer, die "City" anhand ihrer Protagonisten wiederzuerkennen. HSBC, Barclays, Royal Bank of Scotland, Lloyds - sie alle haben in den vergangenen Monaten eine neue Führungsspitze bekommen. Die London Stock Exchange hat mit Xavier Rolet seit Mitte 2009 einen neuen CEO. Auch in politisch-regulatorischen Gefilden wurden die Kernämter neu besetzt. Nach dem Wahlverlust Gordon Browns sitzt mit George Osborne ein neuer Finanzminister im Unterhaus. Und bei der (bald aufzuspaltenden) Finanzaufsicht FSA hat Hector Sants seinen Rücktritt als CEO längst angekündigt.

Eine ganz neu geschaffene Rolle hat John Vickers als Vorsitzender der unabhängigen Bankenkommission Independent Commission on Banking (ICB) übernommen. Ihm kommt dabei sogar die - finanzpolitisch betrachtet - vielleicht wichtigste Aufgabe zu. Denn der Expertenrat muss nichts weniger schaffen, als dem Londoner Finanzplatz insgesamt ein neues Gesicht zu geben.

Dazu muss er Antworten auf sehr grundsätzliche Fragen finden: Wie viel Investmentbanking ist gut für Wirtschaft, Finanzwelt und Steuerzahler? Ist eine Abspaltung dieser Einheiten von den Universalbanken der bessere Weg, auch wenn in den USA gerade das Gegenteil umgesetzt wurde? Dabei kommt ihm die Realität längst zuvor - fast ließe sich ein Rückfall in alte Zeiten konstatieren: Gerade die zur Debatte stehenden Sparten wurden unter den staatlichen Milliardenhilfen zur Stützung des Bankensektors zu den wichtigsten Ertragsstützen der Institute. Das spiegelt sich längst in den neu besetzten Führungsetagen wider, dort haben die Investmentbanker eindeutig ein größeres Gewicht erhalten.

Daher braucht Vickers Zeit, die er ganz offensichtlich auch bekommt. Erst im Herbst 2011 will die ICB ihre endgültige Empfehlung gegenüber der Regierung aussprechen. Dass in brennenden Aufsichtsfragen trotz der jüngst erfolgten ersten Wortmeldung der Kommission mehr Unsicherheit herrscht denn je und zwischen Bank of England, der Prudential Regulatory Authority (PRA) als Nachfolger der FSA, der Verbraucherschutzbehörde Consumer Protection and Markets Authority (CPMA) und dem Finanzministerium ein Kompetenzgerangel droht, macht eines deutlich: Mit den neuen Köpfen sind die vielen offenen Punkte alles andere als beantwortet. Dieser Prozess der Neuordnung hat gerade erst begonnen.

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