Gespräch des Tages

EU-Kommission - Neue Regulierung im Retail?

Fast wirkt es wie Profilierungssucht: Während sich ganz Europa mit der Euro-Schuldenkrise herumschlägt, Auswege und die Auswirkungen zu berechnen sucht, bringt EU-Binnenkommissar Michel Barnier die Kontogebühren beziehungsweise das "Girokonto für Jedermann" aufs Tapet. Beim "Basiskonto" für Jedermann, unabhängig von seinem Wohnort oder seiner Finanzlage hat die Kommission das Damoklesschwert hochgezogen. Sollte es nicht gelingen, auch den sechs bis sieben Millionen erwachsenen EU-Bürgern, denen der Zugang zu einem Girokonto verwehrt wird, ein Konto zu verschaffen, drohen regulatorische Eingriffe.

Dabei zeigt der Vergleich der vorgelegten Zahlen: Eine gesetzliche Regelung, wie es sie in einigen EU-Ländern gibt, bringt keinen wesentlichen Fortschritt gegenüber einer Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft, wie es sie unter anderem in Deutschland mit der ZKA-Empfehlung zum "Girokonto für Jedermann" bereits seit 1995 gibt. Über 99 Prozent steigt die Quote auch mit gesetzlichen Vorgaben nur in Ausnahmefällen (Dänemark und Finnland). Warum also nicht den einzelnen Staaten überlassen, wie man das grundsätzliche Ziel einer weitgehenden Vollversorgung überlassen will? Hauptsache, es funktioniert, meint auch der ZKA. Immer noch zu unterschiedlich sei in Europa das Preisniveau für Bankdienstleistungen, moniert die Kommission. Vielfach gebe es Lockangebote, bei denen die Kunden dann über versteckte Gebühren wie Überziehungszinsen, Kartengebühren oder Kosten fürs Telefonbanking abkassiert würden. Viele Verbraucher schließlich wüssten gar nicht, wie viel sie für Bankdienstleistungen bezahlen und würden deswegen zu wenig auf günstigere Angebote ausweichen. Das alles soll sich ändern. Wenn die europäische Kreditwirtschaft es nicht schafft, in naher Zukunft einen akzeptablen Vorschlag zu unterbreiten, wie vor allem mehr Transparenz bei den Entgelten geschaffen werden kann, droht Barnier natürlich wieder eine EU-Regulierung an.

In manchem hat der Binnenmarktkommissar sicher recht. Die Preise für Bankdienstleistungen sind unterschiedlich - aber das gilt für die Preise anderer Güter und Dienstleistungen auch. Europa ist nun einmal ein Bund unterschiedlicher Staaten, mit allen Unterschieden, die daraus resultieren. Und das Preisniveau in einzelnen Märkten bildet sich aufgrund unterschiedlicher Faktoren heraus. Genauso richtig ist zweifellos, dass viele Verbraucher nicht genau angeben können, wie viel sie eigentlich im Jahr für Bankdienstleistungen zahlen. Vermutlich hat auch nicht jeder Verbraucher alle anderen Posten seines Budgets wie etwa die Höhe seiner jährlichen Stromkosten im Kopf. Man wird aber davon ausgehen dürfen, dass der mündige Verbraucher sich vor Vertragsabschluss über Preise und enthaltene Leistungen eines Angebots informiert hat.

Manche Angebote sind sicher nicht ganz transparent. Bestes Beispiel sind hierzulande die "Mehrwertkontopakete", die sich bei einzelnen Anbietern hoher Beliebtheit erfreuen. Sie bündeln verschiedenste Leistungen in einem Preis. Das in die einzelnen Komponenten aufzuschlüsseln, bringt dem Kunden wenig, wenn doch nur das Paket als Ganzes angeboten wird. Eine wirkliche Vergleichbarkeit der Angebote ließe sich also letztlich nur durch den gänzlichen Verzicht auf solche Pakete erreichen. Damit aber ginge auch ein Stück Differenzierung im Wettbewerb verloren, was sicher nicht gewollt ist.

Last but not least lässt sich die grundlegende Annahme Barniers hinterfragen, dass der Kunde immer nur das allergünstigste Angebot wählt und wählen sollte. Bei Lebensmitteln geht der Trend allmählich in eine andere Richtung. Warum soll für Finanzdienstleistungen anderes gelten? Und muss es unbedingt ein Nachteil sein, wenn europäische Bankkunden nicht so häufig (grenzüberschreitend) wechseln, wie es die Kommission gerne hätte? Zeigt das nur Unwissen und Faulheit oder vielleicht auch grundsätzliche Zufriedenheit mit dem Preis-Leistungsverhältnis der eigenen Bank?

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