Aufsätze

Bankenkrise 2008: allgemeines Grundmuster - bekannte Fehler

"Krise kann ein produktiver Zustand sein. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen." (Max Frisch)

Eine bemerkenswerte Anzahl von insbesondere US-amerikanischen und europäischen Banken hat durch die geplatzte Subprime-Blase in den Vereinigten Staaten Verluste in Milliardenhöhe erlitten. Manche Autoren sprechen angesichts geschätzter Wertberichtigungen in Höhe von bis zu 950 Milliarden US-Dollar bereits von der schwerwiegendsten Bankenkrise seit 1929 (seinerzeit mit dem Aus für immerhin 9 000 US- Banken). Im Rahmen der Ausweitung der Finanzmarkt- zu einer Liquiditäts- und Vertrauenskrise ist sogar zu beobachten, dass krisenhafte Erscheinungen von einzelnen Instituten auf Systemebene übersprungen und einzelne Märkte in ihrer Funktionsfähigkeit behindert werden. Ja selbst totgeglaubte Phänomene wie Banken-Runs und Schlangen vor Bankschaltern (wie in England) konnte man ungläubig bestaunen.

Ein singuläres Ereignis?

Handelt es sich bei der aktuellen Sub-prime-Bankenkrise denn wirklich um ein singuläres Ereignis, um eine Krise sui generis? Man sollte in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass bereits seit 1980 etwa 120 Länder weltweit zum Teil sehr schwerwiegende Bankenkrisen durchzustehen hatten. Krisenhafte Erscheinungen in Bankensystemen, die nicht selten ganze Volkswirtschaften in die Schieflage ziehen und so auf die Realwirtschaft übergreifen, sind damit schon seit geraumer Zeit zu einem globalen Phänomen avanciert. Die international wachsende Besorgnis im Hinblick auf die Wahrung stabiler Finanzmärkte erscheint insoweit ebenso angebracht wie das sprunghaft gestiegene Interesse an drängenden Fragen der Weiterentwicklung und Stärkung der Finanzmarkt- beziehungsweise insbesondere Bankenregulierung.

Die 1989 ausgelöste Bankenkrise in Japan hat etwa zu Wertberichtigungen in Höhe von 16 000 Milliarden US-Dollar (beziehungsweise 24 Prozent des BIP) geführt. Ein anderes prägnantes Beispiel liefert die US-Kreditwirtschaft in den Jahren 1979 bis 1991. Alleine die Bereinigung der Krise der Bausparkassen (Savings & Loans) hat den US-Steuerzahler 490 Milliarden US-Dollar gekostet (rund 4 500 US-Dollar für jeden US-Privathaushalt). In 2002 war auch in Deutschland die Rede davon, dass "es brennt", eine Studie von Merrill Lynch sprach von einem "japanischen Fieber", das unter deutschen Banken grassiert. Gemeint war damit aber allenfalls eine Struktur-, keine Systemkrise.

In dem vielstimmigen Diskurs auch zur aktuellen Subprime-Malaise gehen die Krisenbegrifflichkeiten ebenso durcheinander wie die aus den Beobachtungen ableitbaren Folgen. Leichtfertige Generalisierungen können dabei aber schwerwiegende Konsequenzen haben - bis hin zur Self Fulfilling Prophecy. Statt in dieses allgemeine "Krisengerede" einzustimmen, soll hier daher der Frage nachgegangen werden, ob sich auch die aktuelle Bankenkrise auf ein allgemeines Grundmuster zurückführen lässt, wie es aus der detaillierten Analyse von Bankenkrisen in insgesamt 21 Ländern während der letzten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts herausgefiltert wurde.1)

Allgemeine Anatomie und Genesis von Bankenkrisen

Die Ableitung und Bestätigung typischer Grundmuster bietet dann eine fundierte Basis, um aus der Krise Lehren zu ziehen vor allem für die Bankenaufsicht. Darin, Gemeinsamkeiten zu entdecken und Schlüsse zu ziehen, liegt der besondere Reiz einer Beschäftigung mit Bankenkrisen, die insoweit durchaus als Chance und nicht bloß als destruktiver Endpunkt einer fehlgeleiteten Entwicklung begriffen werden sollten.

Bankenkrisen sind in ihrem Ausgang unsichere Prozesse von begrenzter Dauer und Beeinflussbarkeit, die ganze Bankensysteme beziehungsweise eine mehr oder minder große Zahl von Elementen dieser Systeme, das heißt einzelne oder mehrere Institute oder Institutsgruppen, in ihrer Stabilität beeinträchtigen und in ihrer Existenz nachhaltig bedrohen. Für die nähere Untersuchung von Bankenkrisen bietet es sich an, diese in einzelne möglichst klar abgrenzbare und trennscharfe Einzelelemente aufzuspalten. Als wesentliche "Bausteine" von Bankenkrisen sollen hier ihre (vielfach untereinander verflochtenen) Ursachen, Auslöser, Symptome und Wirkungen sowie Maßnahmen im Hinblick auf ihre Bewältigung (Krisenmanagement) gelten. Erst diese Zerlegung des Betrachtungsgegenstandes lässt eine differenzierte Untersuchung von Bankenkrisen in all ihren Facetten zu. Kontroverse Diskussionen zum Beispiel darüber, ob nun eher Missmanagement, Aufsichtsversagen, das Platzen einer Immobilienpreisblase oder die gesunkene Qualität des Kreditportefeuilles für eine bestimmte Krise primär verantwortlich zu machen sind, lösen sich auf und können versachlicht werden, wenn man streng zwischen Ursachen, Auslösern und Symptomen unterscheidet.

Im Gegensatz zu den durchaus unterschiedlichen Krisenursachen und -auslösern verbindet die meisten Bankenkrisen ein typisches Grundmuster beziehungsweise eine gemeinsame Genesis, die deshalb vorgeschaltet besprochen werden soll. Ausgangspunkt und Impulsgeber für das gehäufte Auftreten von Bankenkrisen nach einer im historischen Kontext ungewöhnlich langen Phase der Stabilität und Krisenresistenz (etwa 50 Jahre) sind tief greifende Veränderungen auf den Finanzmärkten, die zunächst Ende der siebziger Jahre in Erscheinung traten und in den darauffolgenden Perioden merklich an Bedeutung gewannen.

Der durch das Zusammenwirken bestimmter Trendentwicklungen (Abbildung 1) ausgelöste Verlust zahlreicher Kunden an ausländische Wettbewerber, Near- beziehungsweise Non-Banks und die Kapitalmärkte hat - in Verbindung mit einem selbstbewussteren Auftreten der verbliebenen, allerdings zunehmend weniger institutsloyalen Kunden - für die betroffenen Banken nach teilweiser Einbuße ihrer komparativen Vorteile als Kreditgeber und Kapitalsammelstelle sowohl zu veränderten Anlage- als auch Refinanzierungsmöglichkeiten geführt. Diese Veränderungen auf beiden Bilanzseiten (Preis- und Mengeneffekte, hinzu kommen Qualitätseffekte durch den Verlust von ersten Adressen im Rahmen einer tendenziellen Negativauslese) haben sich vor allem in bedrohten Marktanteilen und Margen, das heißt letztlich in eingeschränkten Wachstums- und Gewinnchancen sowie Überkapazitäten niedergeschlagen.

Verdichtet man diese dauerhaften, nicht etwa nur konjunkturellen Veränderungen im Markt-/Wettbewerbsumfeld des Kreditgewerbes, kommt man im Ergebnis zu einer Entwicklung, die von tief greifendem Strukturwandel geprägt ist. Damit ist nicht laufender Strukturwandel als permanente Begleiterscheinung wirtschaftlichen Wachstums gemeint, sondern ein an Intensität ständig zunehmender Strukturwandel, der zu einer radikalen Veränderung des Bankenumfeldes geführt hat, das mit dem zu Beginn dieser Phase nur noch wenig gemein hat. Aus Sicht der Banken folgt aus diesem Strukturbruch vor allem intensivierter Wettbewerb auf zuvor regulativ geschützten Märkten (Konkurrenz um die Aufteilung früherer Regulierungsrenten) sowie das Aufkommen neuer beziehungsweise die Verstärkung bekannter Risiken.

Konsequenz dieser Umbruchsituation ist ein Zwang zur Anpassung an die neuen Verhältnisse, um den Niedergang der Branche insgesamt zu vermeiden sowie Marktanteile und Margen auf der Grundlage gewandelter Strategien - bei Verlassen oder Vernachlässigung der etablierten Geschäftsmodelle - zu stabilisieren. Kollektive Fehleinschätzungen (Herdenverhalten, Suche nach Wachstumsventilen) und andere Probleme bei der Adaption an die veränderten Gegebenheiten wurden dabei zum Ursprung für das Entstehen - zunächst noch latenter - Krisen. Verfehlte Reaktionen beziehungsweise Anpassungsstrategien in Verbindung mit allgemeinen Managementfehlern, die im Prinzip unabhängig von diesen Umfeldentwicklungen - in solchen Umstellungsphasen allerdings verstärkt auftreten, stellen dementsprechend die zentralen Ursachen für das Auftreten von Bankenkrisen dar. Hinzu kommen Ursachenverstärker, vor allem Fehlverhalten auf Seiten der Bankenaufsicht.

Erst das Auftreten eines exogenen Schocks als Krisenauslöser sorgt dann allerdings für den Übergang in ein akutes Krisenstadium. Ein solcher Schock ist insoweit zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für das Entstehen einer Bankenkrise. Voraussetzung dafür, dass ein Schock tatsächlich zum Krisenauslöser werden kann, ist ein durch Fehlentwicklungen instabil und fragil gewordenes Bankensystem in einer latenten Krise mit einer dadurch geschwächten Schockabsorptionsfähigkeit. Die Ausprägungsformen dieser Schocks in der Realität sind ebenso wie die Wirkungen, die auf Krisen folgten, diese kennzeichnenden Symptome sowie beobachtbaren Ausgestaltungen des Krisenmanagements Gegenstand der Abbildung 2.

In diesem Übersichtskasten findet sich eine länderübergreifende Systematisierung und weitgehend vollständige Erfassung nicht nur der wesentlichen Ursachen, sondern auch typischer Auslöser, Symptome, Wirkungen und Bewältigungen von Bankenkrisen, die das Ergebnis einer Auswertung von insgesamt 21 Bankenkrisen darstellt. Subprime-Krise: Grundmuster bestätigt?

Jede Bankenkrise weist individuelle Charakteristika auf und sollte im Lichte der besonderen, historisch gewachsenen Rahmenbedingungen gesehen und behandelt werden. Dennoch erscheint es vielversprechend, nach Gemeinsamkeiten zu suchen, aus denen sich konkrete Handlungsempfehlungen für die mit der Bankenaufsicht befassten legislativen oder exekutiven Instanzen ableiten lassen.

Bei aller Individualität und "Neuartigkeit" der aktuellen Bankenkrise, die teilweise schon in der Beziehung zu innovativen Finanzmarktinstrumenten (zum Beispiel ABS, Conduits) begründet liegt, so ist doch bereits bei einem ersten Blick auf den Kriterienkatalog der Abbildung 2 erkennbar, dass auch diese Krise der allgemeinen Genesis folgt.

Auf ein von Strukturbrüchen und zunehmender Wettbewerbsintensität geprägtes Umfeld, indem sich Marktanteile nur um den Preis nicht mehr risikoadäquater Margen gewinnen beziehungsweise verteidigen lassen, haben (auch deutsche) Banken mit - wie man heute weiß: verfehlten - Kompensations- und Anpassungsstrategien reagiert. Viele Institute haben den USamerikanischen (oder eingeschränkt auch den britischen oder spanischen) Immobilienmarkt, der sich über viele Jahre ausschließlich durch Prosperität und Preissteigerungen ausgezeichnet hat, und die Investition in Derivate auf Hypothekenkredite als Wachstumsventil mit der Möglichkeit auskömmlicher Margen verkannt.

"Arbitrage-Fata Morgana"

Es kann auch mit Blick auf frühere Bankenkrisen als geradezu typische Ursache gelten, dass Banken die Finanzierung von (früher meist Gewerbe-)Immobilien in den Mittelpunkt ihrer einseitig konzentrierten Ausweichbemühungen gestellt haben. Ungeachtet von drohenden Überkapazitäten, Blasenbildung und anschließendem Preisverfall und ohne ausreichende Expertise, vor allem bei der Risikosteuerung, hat man sich hier regelrecht "hineingestürzt" - mit der bekannten Folge einer gigantischen Akkumulation von Problemkrediten. Zu dem gleichen Ergebnis führte das Ausweichen auf High-Leveraged Transactions, zum Beispiel bei der Finanzierung der überwiegend kreditfinanzierten Unternehmensübernahmen von Private Equity oder auch Hedge Funds.

Höhere Renditen als auf den angestammten Märkten waren eben doch nur um den Preis höherer Risiken zu erzielen. Bereits in früheren Krisen war man nach dem Motto "Diesmal wird alles anders" davon ausgegangen, dass man mit den gefundenen Wachstumsventilen (erstmals) eine Ausnahme zu diesem ehernen Gesetz der Kapitalmarkttheorie gefunden hat was sich jedoch wie auch in allen früheren Fällen offensichtlich als Trugschluss (Arbi-trage-Fata Morgana) erwiesen hat. Statt der versprochenen risikolosen Zusatzerträge hat man sich ertragslose Zusatzrisiken eingekauft.

Die Suche nach dem passenden Ventil auf neuen Märkten wurde dabei - wie auch bei früheren Bankenkrisen typisch - von allgemeinen Managementfehlern begleitet. Fast alle unter dieser Rubrik in Abbildung 2 genannten Mängel waren auch im Rahmen der Subprime-Krise eindeutig zu beobachten. Insofern bedeuten neue Freiheiten im Rahmen globaler Finanzmärkte mit neuen Investitionsmöglichkeiten über innovative Finanzinstrumente immer auch die Möglichkeit, Fehler zu machen (oder diese zu vermeiden).

Schließlich wirkten Mängel in der Bankenüberwachung als (typischer) Krisenverstärker und damit als Ursache im weiteren Sinne. Insbesondere im US-amerikanischen Bankensystem wurden Schwachstellen wie die zersplitterten und damit vielfach unkoordinierten und in ihrer Regulierungsqualität unterschiedlichen Strukturen aufgedeckt (Nebeneinander von Notenbank, SEC und bundesstaatlichen Behörden).

Zu oberflächliche Kontrollen, nicht erfasste Risiken (in außerbilanziellen Vehikeln) in Verbindung mit Mängeln der Rechnungslegungs- und Publizitätsvorschriften, die Möglichkeit der Aufsichtsarbitrage (bekannte Inselstaaten als Regulierungsoasen) sowie die mangelnde Anreizverträglichkeit von Maßnahmen der Regulierer (insbesondere sichtbar beim anschließenden, ordnungspolitisch ohnehin zweifelhaften "Herauspauken" der in Schieflage geratenen Institute) zählten zu den weiteren Defekten im Aufsichtssystem. Nimmt man gesellschaftsrechtliche Aufsichtsorgane wie Aufsichts- und Verwaltungsräte hinzu, dann werden speziell auch im öffentlich-rechtlichen Sektor in Deutschland eklatante Schwächen durch politisch und nicht nach Fachkompetenz besetzte Gremien sichtbar.

Schock und Verwundbarkeit

Das Zusammenwirken von Immobilienpreisschock und dem kumulierten Ausfall von Krediten mit Immobilienbezug war dann der entscheidende - und durchaus wieder typische - Auslöser für den Übergang in die akute Krise. In Abwärtsspiralen platzende Preisblasen hat es auch zuvor in vielen Ländern und auf verschiedenen Asset-Märkten immer wieder gegeben. Gerade im Immobilienbereich kommt hinzu, dass Kreditnehmer und Kreditsicherheit vielfach demselben Schock ausgesetzt sind und die gewünschte kompensierende Wirkung insoweit entfällt.

Zu einer akuten Bankenkrise kommt es grundsätzlich und so auch im Falle der Subprime-Turbulenzen immer nur dann, wenn ein Schock auf ein verwundbares, den Schockwirkungen ausgesetztes Bankensystem trifft, daraufhin Risiken schlagend werden und keine ausreichenden Möglichkeiten vorhanden sind, die aus dem Zusammenwirken von Risikoausgesetztheit (Exposure) und Risikorealisation entstehenden Verluste auszugleichen, das heißt den Schock zu absorbieren. Conditio sine qua non für eine virulente Bankenkrise ist insofern die Interaktion von Schock (=Verwundung) und Verwundbarkeit.

Sichtbare Symptome

Sämtliche in Abbildung 2 genannten allgemeinen, das heißt dem Grundmuster folgende Symptome, hier verstanden als äußere Kennzeichen für den Krisengrad eines Bankensystems, finden sich ganz offensichtlich auch im Zusammenhang der aktuellen Subprime-Krise. Sie basieren auf Indikatoren, deren auffallend negative Veränderung darauf hindeutet, dass sich die Stabilität des Bankensystems vermindert hat. Abstürzende Bankaktienkurse, (wie in den meisten Fällen nachlaufende) Ratingherabstufungen sowie die wachsende Zahl von in der täglichen Presse besprochenen Problembanken werden wohl am nachhaltigsten in Erinnerung bleiben.

Als Wirkungen von Bankenkrisen werden die aus einer Krisensituation resultierenden Folgen für die mit einer Bank oder mit dem Bankensystem verbundenen Anspruchsgruppen beziehungsweise Stakeholder verstanden. Auch hier sind sämtliche in Abbildung 2 genannten Facetten im Rahmen der Subprime-Krise auffindbar. Der für betroffene und nicht betroffene Institute ansteckende Vertrauensverlust in Verbindung mit Funktionsstörungen auf den Interbankenmärkten wird wohl besonders im Gedächtnis bleiben - ebenso wie ein Heranziehen der Steuerzahler zur Kompensation der Krisenbewältigungskosten, die rezessive Bedrohung der Realwirtschaft durch einen Credit Crunch oder auch einige spektakuläre Managerentlassungen.

Maßnahmen des Krisenmanagements

Aus dem Katalog der in Abbildung 2 genannten Maßnahmen des Krisenmanagements sticht bei der Subprime-Krise vor allem die - in besonders schweren Krisenfällen immer wieder genutzte - Fremdbewältigung hervor. Die Herstellung eines günstigen monetären Umfelds durch die US-Notenbank (als Lender of Last Resort) mit einer Serie kurzfristiger und drastischer Zinssenkungen ist in diesem Zusammenhang ebenso zu betonen wie direkte Hilfen des Staates, zum Beispiel Eigenkapitalhilfen (IKB), Zwangsfusionen (Bear Stearns, Sachsen-LB), und selbst Verstaatlichungen hat es gegeben (Northern Rock, früher bereits in Norwegen, Schweden, Spanien, Venezuela und Kolumbien).

Eine neue Form der Fremdbewältigung der Krise kommt durch Staatsfonds aus Ostasien oder den Golfstaaten hinzu, die in den vergangenen Monaten mancherorts als Retter in der Not aufgetreten sind und Banken mit Milliardenspritzen stützten (beziehungsweise sich möglicherweise billig einkauften).

Die mit den ausgesprochenen und unausgesprochenen Beistandsgarantien des Staates, immer wieder gerechtfertigt mit den Besonderheiten von sich dominoartig fortpflanzenden Bankenkrisen oder durch sogenannte Too-big-to-fail-Fälle, verbundenen Anreizwirkungen (Moral Hazard) für Bankmanager werden in ihren nicht nur ordnungspolitisch negativen Auswirkungen erst in den kommenden Jahren sichtbar werden. In jedem Fall beschreiten der Staat (durch weisungsabhängige Aufsichtsbeamte) und die (immerhin unabhängigen) Notenbanken hier einen sehr schmalen Grat zwischen erfolgreicher Vermeidung einer Systemkrise und dem Aussäen von Saatgut für die nächste schwerwiegende Bankenkrise. Oder warum sollten Bankmanager beziehungsweise die sie kontrollierenden Eigentümer(-vertreter) künftig vorsichtiger agieren, wenn sie sich auf ein staatliches "Herauspauken" (BailOut) quasi verlassen können? Nach der Besprechung des Grundmusters von Bankenkrisen, in das sich auch die aktuelle Subprime-Krise wie gezeigt einordnen lässt, stellt sich nun die wichtige Frage, welche Konsequenzen sich daraus ableiten lassen. Obwohl die gezogenen Schlussfolgerungen auf den Erfahrungen mit konkreten Krisenerscheinungen in einzelnen Ländern basieren,2) erscheint es möglich und sinnvoll, dass die ableitbaren Lehren durchaus auch auf andere Systeme übertragen werden. Da Reformprozesse auch in der Vergangenheit überwiegend (ex post) Reaktionen auf konkrete Krisenerscheinungen waren, lassen sich konkrete Bankenkrisen in Verbindung mit dem Potenzial, daraus (ex ante) Lehren ziehen zu können, insofern konstruktiv durchaus als Chance begreifen.

Acht Ansätze für Reformen

Die im Folgenden kurz zusammengefassten acht Ansätze für Reformen lassen sich dabei danach aufspalten, ob sie geeignet sind, im Vorfeld von Bankenkrisen die Wahrscheinlichkeit von Krisenfällen zu reduzieren, oder ob sie darauf zielen, die Erkennung und Bewältigung solcher Krisenfälle zu verbessern.

(1) Um der Bankenaufsicht, aber auch den Märkten ein rechtzeitiges Aufdecken von Fehlentwicklungen zu ermöglichen, sollten Transparenzvorschriften größeres Gewicht erhalten. Mit den Finanzierungsvehikeln zur Führung der Subprime-Risiken außerhalb der Bankbilanzen wurde geradezu ein Schatten-Bankensystem etabliert, das sich der Aufsichtskontrolle weitgehend entzogen hat. Die angestrebte Renditeverbesserung wurde nicht durch Outperformance bei der Auswahl der Investments, sondern lediglich durch einen höheren Leverage-Effekt auf das eingesetzte Haftkapital erreicht (Umgehung der aufsichtsrechtlichen Normen insbesondere zur Eigenkapitalunterlegung von Risikoaktiva). Darüber hinaus sollte die Entwicklung bankbezogener Frühwarnsysteme mit Nachdruck vorangetrieben werden, wie jüngst auch vom IWF gefordert.

(2) Die Aufsicht sollte Konzentrationsrisiken in sektoraler und regionaler Hinsicht verstärkte Aufmerksamkeit schenken. Auf die Einführung weiterer Normen beziehungsweise Grundsätze kann indes dann verzichtet werden, wenn diese Risiken in die qualitative Aufsicht einbezogen werden.

(3) Regulierungsbedingte Hemmnisse in Bezug auf die Gewinnerzielungs- und Risikoausgleichspotenziale von Banken, die vor allem von Eingriffen in die sortiments-, standort- und preispolitischen Aktionsparameter der Institute ausgehen, sind konsequent abzubauen.

(4) Davon ausgehende Deregulierungsvorhaben sollten graduell und nicht schockartig realisiert werden, um stets auftretende Anpassungskosten in Grenzen zu halten. Zumindest in einer Übergangsphase ist es ratsam, den Abbau von Geschäftsregulierungen (Deregulierung) durch eine kompensierend wirkende Stärkung der Sicherheitsregulierungen zu flankieren, um ein ausreichendes Stabilitätsniveau halten zu können.

Anreizverträglichkeit von Regulierungen

(5) Die Anreizverträglichkeit von Regulierungen ist als Einflussfaktor und Prüfkriterium bei der Ausgestaltung von Aufsichtssystemen stets zu berücksichtigen. In besonderem Maße gilt dies auch für Maßnahmen der Krisenbewältigung.

(6) Da es sich unabhängig von der Wirksamkeit der eingesetzten Präventivinstrumente niemals ausschließen lässt, dass es zu Schieflagen kommt, müssen den Regulierungsinstanzen effektive Instrumente und Prozeduren für das Handling von Problemfällen zur Verfügung stehen. Interventionen sollten dabei erstens zu einem so frühen Zeitpunkt erfolgen, dass sich eine Krise noch mit vertretbarem Aufwand bewältigen lässt. Zweitens sollten diese an feste Regeln, das heißt an bestimmte Indikatorgrenzwerte gebunden werden, um bürokratische Ermessensspielräume beziehungsweise kostenerhöhende "Strategien regulatorischer Nachsicht" ebenso wie Angriffsflächen für von Politikern oder Lobbyisten ausgehenden Druck systematisch zu begrenzen.

(7) Da sich auf diese Weise Krisenbewältigungskosten zwar eindämmen, nicht aber völlig vermeiden lassen, sind klare Lastenverteilungsschlüssel einzuführen. In diesem Zusammenhang sollten Fragen danach gestellt werden, wer das Entstehen einer Krise zu verantworten hat, wer Nutzen aus der Krisenbewältigung beziehungsweise Wiederherstellung von Stabilität zieht und wer überhaupt in der Lage ist, die teilweise immensen Kosten zu tragen.

(8) Im Rahmen der Beschäftigung mit grundsätzlichen Fragen der Aufsichtsorganisation und Regulierungsphilosophie zeigt sich die Vorteilhaftigkeit einer Konsolidierung und Zentralisierung von Aufsichtskompetenzen in möglichst einer unabhängigen Behörde. Die beispielsweise vom deutschen Finanzminister geforderte Europäische Aufsicht deutet in diese Richtung. Auch in den USA sind Konzentrationstendenzen unverkennbar. Global handelnde Banken und provinzielle Beaufsichtigung passen eben zunehmend weniger zusammen. Die Überwachung von Banken sollte dabei letztlich eine ausgewogene Mischung aus Marktdisziplin, staatlicher Fremdregulierung und kreditwirtschaftlicher Selbstregulierung (vergleiche den jüngst vorgeschlagenen IIF-Verhaltenskodex) darstellen.

Gerade die weltweite Verbreitung von Einlagensicherungsnetzen hat dazu beigetragen, dass Systemrisiken, die von ansteckenden Einleger-Runs ausgehen, weitgehend an Bedeutung verloren haben. In Zukunft wird es daher entscheidend darauf ankommen, neue Formen von Systemrisiken, zum Beispiel solche im Zusammenhang von Derivaten, in den Griff zu bekommen. Dieses Anliegen beherrscht dementsprechend auch die Diskussion in Aufsichtskreisen in den letzten Jahren. Über diese aktuelle Problemstellung, die den Blick für diese Gefahren zu Recht geschärft hat, darf indes nicht vergessen werden, dass nahezu sämtliche Bankenkrisen der letzten drei Dekaden im Kontext von Kreditrisiken gesehen werden müssen, die also nach wie vor das dominierende Gefährdungspotenzial verkörpern. Sie erfordern wohl auch in Zukunft die volle (wenn auch nicht ungeteilte) Aufmerksamkeit der Aufsichtsinstanzen, wobei die Grenzen zwischen Kredit- und Marktrisiken mit der Entwicklung von Kreditderivaten ohnehin mehr und mehr verschwimmen.

Hinsichtlich der aktuellen Subprime-Krise gibt es immer noch keinen Überblick über das gesamte Ausmaß der Verluste, und es fehlt immer noch an Vertrauen in die Banken. Seit Wochen jagt eine Horrormeldung die andere, weil - selbst durchaus transparenzwillige - Institute die Abwertungsnotwendigkeiten im aktuellen "Race to the Bottom" unterschätzt haben.

Schmaler Grat für die Fed

Die Bankenhistorie ist voll von Fehlspekulationen und Krisenphasen. Hinterher waren alle zwar immer schlauer - gleichwohl haben schon wenige Jahre später neue Akteure - als sei es ein Naturgesetz - wieder ähnliche Fehler gemacht. Wie wird man der aktuellen Krise Herr werden können? Von radikalen Antworten bis hin zur Verstaatlichung von Banken ist zu lesen. Der Kater erscheint dabei genau so übertrieben wie der Rausch zuvor. Billiges Geld allein schafft indes noch kein neues Vertrauen. Im Gegenteil kann zuviel Aktionismus durchaus für Verunsicherung sorgen. Außerdem läuft die aktuelle US-Notenbankpolitik Gefahr, in eine Liquiditätsfalle á la Keynes zu tappen, also in eine Situation, in der man selbst mit drastischen Zinssenkungen keine Effekte mehr erzielt (von dem Kollateralschaden Inflation einmal ganz abgesehen).

Wenn die Fed demnächst bis zu 400 Millionen US-Dollar zweifelhafte Hypothekenpapiere in ihren Büchern haben wird (die Hälfte ihrer Bilanzsumme), verkommt sie zum Pfandhaus der Nation. Auf der anderen Seite darf sie auf keinen Fall Domi-no-Effekte beziehungsweise Systemrisiken zulassen und muss damit den schon angesprochenen schmalen Grat erfolgreich beschreiten. Denn was ein Zusammenbruch des US-Bankensystems die ganze Welt kosten würde, mag man sich noch nicht einmal ausmalen.

Fußnote

1) Vgl. hierzu ausführlich Bonn, J.: Bankenkrisen und Bankenregulierung, Wiesbaden 1998 (Gabler), insbesondere Seiten 297 bis 354.

2) Vgl. hierzu ausführlich Bonn, J., a.a. O., Seiten 355 bis 424.

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