Aufsätze

Steuerung des Kreditgeschäfts: Künftige Herausforderungen

Bankenkrisen beginnen mitunter mit finanziellen Schwierigkeiten eines einzigen Instituts oder einer kleinen Anzahl von Instituten, die zu einem Vertrauensverlust seitens der Privatpersonen in die Banken und zwischen den Banken untereinander führen. Einlagen und Guthaben werden abgezogen, das Interbankengeschäft erlahmt, weil zunächst Informationsasymmetrien entstehen - verlässliche (Selbst-)auskünfte über den Wert des Aktivvermögens einer Bank sind nicht mehr möglich - und kurz darauf die reine Erwartung der Krise zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung wird. Das initiale Misstrauen ist typischerweise auf Vermutungen zurückzuführen, der Wert des Vermögens einer Bank habe sich enorm vermindert, oder auf die Anleger betreffende "exogene" Faktoren, die zu enormem Abzug von Einlagen führen. Ausgehend von der Betrachtung bisheriger Krisen soll in diesem Beitrag ein schlichter Überblick über Aspekte der künftigen Steuerung des Kreditgeschäfts gegeben werden.

Vertrauensverlust

Wachsende Bedenken gegenüber der Zuverlässigkeit der Führungskräfte führten 1907 dazu, dass schlagartig große Teile der Einlagen einzelner Trust Companies in New York abgezogen wurden;1) in Folge kam es im ganzen Land zum Abruf von Bankeinlagen und zum Horten von Geld.2) Neben der Befürchtung, die Reichsbank könnte ihre Reparationszahlungen einstellen,3) war vor allem der durch den Konkurs eines großen Kreditnehmers verursachte Zusammenbruch der Darmstädter- und Nationalbank Auslöser der deutschen Bankenkrise von 1931.4) Die US-amerikanische Bankenkrise von 1933 ist zurückzuführen auf Befürchtungen der Abkehr vom Goldstandard5) und einer folgenden Abwertung des Dollar, die aufgrund zurückgeforderter Einlagen zunächst zu Zahlungsschwierigkeiten einiger großer Banken in Detroit führten, was sich später zu einem staatenübergreifenden Problem entwickelte.6) Die Finanzkrise von 2007/2008 ist darauf zurückzuführen, dass verbriefte Forderungen an Kreditnehmer niedriger Bonität insbesondere durch Abwertung der zugrunde liegenden Grundpfandrechte an Wert verloren und dadurch das Vermögen einiger Banken stark vermindert wurde, was zu einem Zusammenbruch des Interbankenmarkts führte.7)

Den Bankenkrisen gemein ist der Vertrauensverlust und die Folge, dass Banken in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Abgesehen von externen Ursachen, die insbesondere in einer Angst vor der Abwertung von monetären Forderungen (Inflation, Wechselkursveränderungen) bestehen, liegt es in der Verantwortung der Banken selbst, die internen Krisenauslöser zu verhindern; nämlich Misstrauen in ihre Führungspersönlichkeiten und mangelnde Qualität beziehungsweise unangemessene Strukturierung (Fristigkeitsstruktur, Klumpenrisiken) ihres Vermögens.

Dieses Erfordernis ist nicht neu. So erkennt Kalveram: "Insbesondere muss der Blick für die Erkenntnis der echten Ertragsfähigkeit der Unternehmung und der Regenerationsfähigkeit des Kredites aus der durch ihn erzeugten zusätzlichen Fruchtbarkeit geschärft und jedes einseitige, sich nur auf reale Deckungen und Pfänder stützende Sicherheitsdenken als gefahrvoll für Bank und Kreditanwärter erkannt werden, weil starke ökonomische Lebenskräfte der Unternehmung den höchsten Grad der Sicherheit gegen die unvermeidbaren Risiken bieten."8) Er weist ebenso darauf hin, dass "ein Institut, das Kredite nur an eine einzelne Branche gibt, vielleicht noch beschränkt auf einen bestimmten Bereich, durch eine ungünstige Entwicklung in dieser speziellen Branche oder in diesem speziellen Bereich in Schwierigkeiten geraten [kann]."9)

Kein neuartiges Problem

Kredite an Kreditnehmer schwacher Bonität, bei deren Gewährung nicht auf laufendes Einkommen, sondern im Wesentlichen auf Grundpfandrechte, die sich zudem auf eine Region konzentrieren, abgestellt wird, und Erwerb von verbrieften Anlagen in diesem Segment in einem substanziellen Umfang, verglichen mit dem Gesamtvermögen eines Instituts, widersprechen diesen Grundprinzipien. Der Verlauf der oben erwähnten Krisen zeigt, dass bereits geringe Auslöser ausreichen, um einen massiven Vertrauensverlust auszulösen. Vor allem in der Krise ist die zeitnahe Bewertung des Vermögens stark erschwert. Reputation für solides Management der Aktivseite kann dann das Fehlen verlässlicher Zahlen abfedern."10)

In 2007/2008 lag ein solcher Vertrauensverlust unter den Banken vor, nicht jedoch auf Seiten der Privatpersonen gegenüber ihren Banken. Dies ist vor allem auch auf die staatliche Intervention zurückzuführen, die nun das Ziel hat, zu verhindern, was in den vergangenen Krisen eingetreten ist: Eine durch fehlende Versorgung mit Kapital verursachte Rezession. 1931 geriet die Existenz von Unternehmen in Gefahr, die grundsätzlich als gesund gegolten hätten.11) Durch eine solche "Kreditklemme" und ausbleibende Investitionen wird das Wachstum nachhaltig beeinträchtigt.

Rückbesinnung auf die Funktion einer Bank

Übliche Maßnahmen sind außerdem die Fusion und/oder Verstaatlichung von Banken, wie im Falle der Dresdner Bank und der Darmstädter- und Nationalbank 1931, oder, drastischer, die Kontrolle der Auszahlung kurzfristiger Einlagen, oder gar die Errichtung einer neuen Regulierungsinstanz, wie 1931 mit dem Reichskommissar für das Bankgewerbe sowie später dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (nach Namenswechseln und Funktionszusammenlegungen seit 2002 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht).12) Im Folgenden soll ein Überblick gegeben werden über die Funktion von Banken und die Strukturen, die geeignet sind, diese Funktion auf sinnvolle Weise zu erfüllen.

Die hier vorgetragenen Erkenntnisse sind nicht neu, und doch traten Entwicklungen ein, die eine solche Darstellung lohnenswert erscheinen lassen. Ist die Vertrauenskrise überwunden, so steht eine Neuordnung der Banken an; oder anders - eine Neuordnung wird Voraussetzung für eine Überwindung der Krise sein.

Banken sind Einrichtungen, die deshalb eine Existenzberechtigung haben, weil sie Transaktionskosten sparen. In einer Marktwirtschaft zeigt sich diese Berechtigung insbesondere dadurch, dass Menschen bereit sind, eine im Vergleich zu einem unmittelbaren Finanzierungsgeschäft zwischen zwei Unternehmen oder Privatpersonen schlechtere Konditionen zu vereinbaren, dass Banken also Entlohnung gewährt wird für das Anbahnen von Verträgen und die Umverteilung von Fristen und Risiken. Die Funktion der Bank erklärt sich also aus solchen Aktivitäten, die gesamtwirtschaftlich Kosten sparen dadurch, dass sie von einem spezialisierten Anbieter durchgeführt werden.

Damit lässt sie sich nach institutionenökonomischer Terminologie als Organisation klassifizieren.13) Eine Bank sei hier definiert als ein Geflecht von Verträgen, durch welche sich Personen an ein bestimmtes Handeln binden, und dieses Handeln bestehe im weitesten Sinne aus dem Dahingeben und Entgegennehmen von Geld. Parameter dieser Verträge sind der Grad der Verbriefung, also die Unterscheidung zwischen dem originären Aktiv- beziehungsweise Passivgeschäft und dem Wertpapiergeschäft, der Zeitpunkt der Zahlungen und die Bedingtheit der Zahlungen. Zwischenzeitlich wurde auch vertreten, die Beratung sei eine Aufgabe der Bank. Es ist jedoch offensichtlich, dass angesichts der marktwirtschaftlichen Stellung der Institution Bank ein Eigeninteresse der Bank entsteht, und Beratung in Wirklichkeit Vertrieb darstellt.

Die Bank ist ein Intermediär zwischen den Wünschen einzelner Personen nach den oben genannten Verträgen. Wesentliche Aufgabe ist, (Geld-)Kapitalnutzungsrechte neu zu verteilen.14)

Organisation des Bankbetriebs

Um ihre Funktion zu erfüllen, sollte eine Bank so organisiert werden, dass folgende Ziele erfüllt werden: erstens niedrige Kosten, und zweitens Sicherstellung der Erfüllung der Verträge.

Niedrige Kosten sind ein notwendiges Ziel, da eine Bank bei hohen Kosten keine Existenzberechtigung mehr hätte. Die Sicherstellung der Erfüllung der Verträge ist erforderlich, weil eine Bank sonst nicht benutzt würde, selbst wenn sie sehr kostengünstig ist. Ein Vertrag kann genau dann nicht erfüllt werden, wenn der Zahlungsverpflichtete nicht über Liquidität verfügt und diese auch nicht beschaffen kann.

Ursächlich problematisch sind Verträge, bei denen die Bank Zahlungsempfänger ist. Dadurch, dass Zahlungspflichtige ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Bank nicht begleichen, verfügt die Bank ihrerseits nicht über genügend Liquidität, um ihre Gläubiger zu befriedigen. Für die Solvenz der Bank ist also die Fähigkeit ihrer Kreditnehmer, künftig werthaltige realwirtschaftliche Leistungen oder Produkte anzubieten, entscheidend.

Pathologische Verträge vermeiden

Ein wesentliches Merkmal der Verträge der Institution Bank ist, dass der Zeitpunkt der vereinbarten Zahlungen in der Zukunft liegt. Ob eine Person zu einem künftigen Zeitpunkt überhaupt arbeiten, Waren herstellen oder Dienstleistungen anbieten kann, für die zu diesem Zeitpunkt jemand Geld herzugeben bereit ist, steht aber heute nicht fest. Dies beruht darauf, dass der Gesundheitszustand von Menschen, die Bedürfnisse von Menschen, die zur Verfügung stehenden Ressourcen und die Zukunftserwartungen, Zufallsschwankungen unterliegen. Die Nichterfüllung eines Vertrags ist also ein Risiko, das nicht ausgeschlossen werden kann.

Das Ziel niedriger Kosten lässt sich erfahrungsgemäß relativ gut dadurch erreichen, dass ein Wettbewerb zwischen mehreren Banken errichtet wird. Dem Ziel einer Sicherstellung der Erfüllung aller Verträge kann man sich dadurch annähern, dass man keine Verträge abschließt, bei denen bereits heute abzusehen ist, dass mit einer hinreichend hohen Wahrscheinlichkeit nicht mit einer Erfüllung zu rechnen ist (pathologische Verträge). Jedoch besteht zwischen diesen beiden Zielen ein Zielkonflikt. Um nämlich den Abschluss von pathologischen Verträgen zu verhindern, ist eine Sammlung und Verarbeitung von Informationen erforderlich, um die zugrunde liegenden Zufallsprozesse und den Zusammenhang zwischen der Verteilung der entsprechenden Prozesse und der Wahrscheinlichkeit einer Nichterfüllung einzuschätzen. Und Sammlung und Verarbeitung von Informationen verursachen Kosten. Ein wesentliches Ziel der Organisation des Bankbetriebs ist also, eine vernünftige Abwägung zwischen diesen beiden Zielen zu treffen.

Sicherstellung von risikobegrenzenden Entscheidungen

Organisation des Bankbetriebs bedeutet, die Verantwortung für Entscheidungen über den Abschluss von Verträgen bestimmten Personen zuzuordnen und sicherzustellen, dass diese Personen Entscheidungen treffen, die die Risikolimite der Bank nicht überschreiten. Da ein vollkommener Risikoausschluss nicht möglich ist, müssen diese bereit sein, ein gewisses Risiko einzugehen. Neben der Entlohnung des Verzichts auf Konsum für eine bestimmte Zeit (Zins) hat die Bank deshalb die Möglichkeit, von einem späteren Zahlungspflichtigen eine Risikoprämie zu verlangen.

Dadurch, dass die angesprochenen Zufallsprozesse nicht perfekt positiv korreliert sind, entsteht ein Diversifikationseffekt; und die Wahrscheinlichkeit, dass die eingenommenen Risikoprämien nicht ausreichen, um die Zahlungsausfälle auf der Ebene der Bank zu decken, ist meist geringer als die Wahrscheinlichkeit, dass eine einzelne Person ihre Verpflichtung nicht erfüllen kann. Es muss also Aufgabe der verantwortlichen Mitarbeiter der Bank sein, vor der Entscheidung den Beitrag eines einzelnen Vertrags zu dem Risiko des gesamten Vertragsbestands zu schätzen, und dieser Beitrag ist nicht additiv.

Um sicherzustellen, dass angemessene Entscheidungen über den Abschluss von Finanzierungsgeschäften getroffen werden, sind geeignete Anreizsysteme erforderlich. Den Erfolg einer Entscheidung kann man messen, indem man die erwarteten Erträge in Beziehung setzt zu den eingegangenen Risiken. Trennt man die Funktion der Einschätzung von Risiken streng von der Funktion der Investitionsentscheidung und damit der Abwägung zwischen Risiko und Ertrag, so ist die Anreizgestaltung für diejenigen, die in den Banken Investitionsentscheidungen treffen, unproblematisch. Bei strikter Trennung und Unabhängigkeit der Marktfolge kann man nämlich von unverzerrten Risikoschätzungen ausgehen, die für die Entlohnungsgestaltung auf der Marktseite verwendet werden.

Schwieriger ist jedoch die Anreizsetzung für die Funktion der Marktfolge. Die Erfahrung zeigt, dass einige Banken in jüngster Vergangenheit nicht in der Lage waren, zu beurteilen, ob sie genügend Informationen besitzen, um das Risiko von Geschäften einzuschätzen. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass häufig lediglich ein Punktschätzer für das Risiko zugrunde gelegt wird - nicht jedoch das damit verbundene Schätzrisiko berücksichtigt wird.

So kann das Risiko, dass etwa Ratingnoten von dem zugrunde liegenden ökonomischen Risiko abweichen, womöglich höher sein als das geschätzte Ausfallrisiko selbst. Ein geeignetes Anreizsystem muss also dafür sorgen, dass gerade soviel in die Risikoschätzung investiert wird, dass das Schätzrisiko ein Höchstmaß unterschreitet. Eine Risikoeinschätzung mit einem derart begrenzten Schätzrisiko kann dann im Rahmen der Kreditentscheidung verwendet werden. Werden Informationsintermediäre für die Risikoeinschätzung eingesetzt, so gilt dieses Prinzip ebenso. Vor allem die Intransparenz der Vergabe von Ratingnoten erfordert eine Prüfung der Unabhängigkeit von Ratingagenturen, auf die Banken vertrauen, sowie eine Einschätzung der Plausibilität und vor allem Verlässlichkeit ihrer Ergebnisse.

Gesondertes Schätzrisiko bei Risikomaßen

Werden die vergebenen Kredite in Form von Asset beziehungsweise Mortgage Backed Securities (ABS) beziehungsweise in Form derivativer Instrumente (insbesondere Collateralized Debt Obligations, CDO) verpackt und emittiert, so reduziert sich die Aufgabe der Bank im Wesentlichen auf die Strukturierung und die Bereitstellung der Zwischenfinanzierung. Selbst die Verwaltung der einzelnen Geschäfte erfolgt mitunter durch Dienstleister.

Während die Verbriefung formal die Risiken auf die Käufer der Instrumente überträgt, so ist sie doch wirtschaftlich gesehen vergleichbar mit einer primären Finanzierung, die die Bank herauslegt, verbunden mit einer Refinanzierung durch Einlagen, bei der die Rückzahlung der Einlagen auf die Tilgung dieser primären Finanzierung konditioniert wird. Während im klassischen Fall die Bereitschaft, Einlagen zu platzieren, auf dem Vertrauen der Anleger beruht, dass die Bank bei der Kreditvergabe auf ein ausgewogenes Risikoprofil achtet, beruht die Bereitschaft zum Erwerb etwa von ABS auf dem Vertrauen darauf, dass bei der Strukturierung dieser Geschäfte Sorgfalt waltet und folglich die Informationen über den Risikogehalt der einzelnen Instrumente ein geringes Schätzrisiko aufweisen.

Begrenzung der Risiken

Bei der Kreditvergabe hat eine Bank (zum Teil eingeschränkt durch den sich entwickelnden Regulierungsrahmen15)) gewissen Spielraum für Handlungen, die ihre Refinanziers beziehungsweise potenzielle Erwerber von Verbriefungstranchen nicht perfekt beobachten können. Erstens, ob viel oder wenig Aufwand betrieben wird, um das Risiko der einzelnen Forderungen (unter Berücksichtigung des Werts der Sicherheiten) sowie das Maß der stochastischen Abhängigkeiten zwischen den Ausfällen der Forderungen einzuschätzen. Zweitens, wie Ermessensspielräume bei nicht perfekt definierten und nicht perfekt transparenten Ratingverfahren ausgeübt werden. Drittens - im Falle der späteren Verbriefung - wie die (zufällige?) Auswahl des Forderungspools aus dem gesamten Forderungsbestand der Bank vonstattengeht.

Maßgeblich für das Funktionieren des Interbanken- beziehungsweise Verbriefungsmarktes ist hier unter anderem Reputation, die Banken aufbauen, indem sie in den genannten Punkten sorgfältig vorgehen. Womöglich ist die Finanzkrise mit ausgelöst worden durch nicht ausreichend sorgfältiges Vorgehen. So entstehender Vertrauensverlust führt zu externen Effekten, die Reputation sorgfältiger Banken beschädigen und damit zu einem Marktversagen führen.

Falls eine Bank einen Kredit ablehnt, weil ihr die damit verbundenen Risiken zu hoch erscheinen, mag es eine andere Bank geben, die bereit ist, den Vertrag gegen eine höhere Risikoprämie einzugehen. Existiert Wettbewerb zwischen den Banken, so kommt zur schlichten Abwägung bezüglich des Abschlusses eines Vertrags ein weiterer Entscheidungsparameter hinzu, nämlich der Marktpreis des Risikos. Für eine entsprechend hohe Entschädigung können höhere Risiken eingegangen werden und die Kreditentscheidung wird zu einer Optimierungsaufgabe: Der Risikoprämienüberschuss soll bei Begrenzung des Gesamtrisikos, etwa gemessen an Value-at-Risk oder Expected Shortfall, maximiert werden.

Eine praktikable Schätzung von Gesamtrisikomaßen ist mit derzeit verfügbaren Verfahren und Daten jedoch bloß für einzelne Risikoarten möglich, nicht über alle Geschäfte und Risikoarten hinweg. Die Abwägung zwischen Risiko und Ertrag stellt ein wesentliches Merkmal der wettbewerbsorientierten Organisation des Bankensektors dar. Da Banken im Wettbewerb um Kapital stehen, sind sie gezwungen, Überschüsse zu erwirtschaften. Diese werden dann als Entlohnung für das den Banken zur Verfügung gestellte Kapital weitergereicht. Stehen diese Überschüsse in einem vernünftigen Verhältnis zu dem damit verbundenen Risiko, so sind die Banken als Anlagemöglichkeit attraktiv.

Ausnutzen von Spielräumen

Innerhalb eines gewissen Rahmens kann eine Bank also eigenständig eine Positionierung wählen, je nachdem, ob sie eher risikoreich oder eher risikoarm sein will. Dabei trägt der Eigentümer der Bank die Entscheidungsgewalt für diese strategische Positionierung; die Folgen einer womöglich zu stark riskanten Positionierung treffen allerdings nicht ihn alleine; es kommt zu einer Externalität in Form des Reputationsverlusts für alle Banken. Unklar ist hier zunächst, was als unangemessene Risikopositionierung zu gelten hat. Es kann durchaus eine Existenzberechtigung geben für Banken, die Verträge mit stärker risikobehafteten Zahlungspflichtigen abschließen, und selbst als ausgewiesene hochriskante Zahlungspflichtige in Verträge mit Kapitalgebern eintreten. Dies erlaubt Anlegern mit ausgeprägter Risikoaversion, individuell optimale Verträge abzuschließen ohne eigene Finanzierungsgeschäfte abschließen zu müssen.

Da typischerweise Informationsasymmetrien zwischen Bank und Vertragspartnern bestehen, vermag eine Bank allerdings eine "stärkere" Risikoposition eingehen, ohne dass dies aus den von ihr offengelegten Unterlagen unmittelbar deutlich zu werden braucht. Dies gilt insbesondere wenn zu wenig Zeit und Geld dafür investiert wurde, Informationen zu sammeln und zu verarbeiten, um die eingegangenen Risiken adäquat - das heißt unter Begrenzung des Schätzrisikos - zu beurteilen. Aber auch das Ausnutzen von Spielräumen bei der Offenlegung von Kreditrisiken - wie etwa durch Ausgliederung in Zweckgesellschaften oder durch geschickte Positionierung von Informationen an wenig prominenter Stelle in den Geschäftsberichten - unterläuft das Prinzip, "dass die Träger des Kreditwesens veranlasst werden, auf manche Geschäfte zu verzichten, die nicht möglich sind, wenn sie der Öffentlichkeit, den Aufsichtsstellen oder der Reichsbank bekannt gegeben werden müssen".16)

Darüber hinaus zählt der unreflektierte Einsatz von Informationsintermediären wie Ratingagenturen - dazu. Übernehmen nämlich diese die Aufgabe der Informationssammlung und -verarbeitung, so sind die gleichen Anforderungen an Anreizsysteme und Unabhängigkeit zu stellen wie an die Banken selbst. Unmittelbare Folge einer ex post aufgedeckten Fehlpositionierung wäre, dass wegen des Vertrauensverlusts keine weiteren Verträge mit der Bank abgeschlossen werden, bei denen diese Zahlungspflichtiger ist. Es folgen Wertverluste für die Anteilseigner. Erst durch die Haftungsbeschränkung und die Trennung von Eigentum und Bankmanagement kommt es hier zu einer Verzerrung der Anreizsituation, die jedoch durch Bonus-/Malussysteme zumindest zum Teil eingedämmt werden kann.

Vertrauensschaden durch Existenznot einer Bank

Die Existenznot einer einzelnen Bank wirkt sich allerdings auch auf das Vertrauen in die Banken als solche aus: Wenn eine Bank die Anforderungen der Informationsverarbeitung und Risikobegrenzung nicht zu leisten vermag, ist aus Sicht von außen die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch andere Banken diese über alle Banken hinweg als homogen anzusehenden Anforderungen nicht erfüllen können. Selbst bei vollständiger Teilnahme am Verlust der eigenen Bank würde ein Anteilseigner dann nicht an den Schäden beteiligt, die durch den Reputationsverlust anderer Banken entstehen.

Ein solcher Fall tritt beispielsweise ein, wenn Banken aufgrund geringer Nachfrage systematisch herabgesetzte Anforderungen an Bonität gestellt haben, um kurzfristig Erträge ausweisen zu können. Verantwortungsbewusstsein bei der Wahl der Risikostrategie und der Wahl des Sorgfaltsniveaus bei der Kreditwürdigkeitsprüfung ist zwar grundsätzlich gerade dann zu erwarten, wenn die Akteure auch an mittelfristig negativen Folgen des eigenen Handelns partizipieren (zum Beispiel durch Bonus/Malussysteme). Soweit jedoch externe Effekte in Form von Reputationsverlusten für andere Banken drohen, fehlt diese Partizipation und es ist von einer Rechtfertigung von Regulierung auszugehen.

Risikobegrenzung auf Institutsseite

Regulierung besteht hier derzeit in Maßnahmen, die darauf abzielen, das Ausfallrisiko auf Ebene einzelner Institute zu begrenzen. Die Risiken, denen ein einzelnes Institut unterliegt, werden durch unterschiedliche Maßnahmen begrenzt; zum einen hinsichtlich der Frage, wie Entscheidungen der Bank zustande kommen (MaRisk), zum anderen hinsichtlich des zulässigen Verhältnisses von Risiko und Risikotragfähigkeit (SolvV). Folgende zentrale Problemstellungen erfordern jedoch künftige Aufmerksamkeit.

1. Zur aufsichtsrechtlichen Erfassung von Geschäften wird auf bestimmte Verlustparameter abgestellt. Insbesondere für das Kreditrisiko wird allerdings dem Schätzrisiko wenig Aufmerksamkeit geschenkt; Konfidenzintervalle für eine Ausfallwahrscheinlichkeit können sich jedoch je nach Schuldnerklasse deutlich unterscheiden. In den Modellen zur Begrenzung der Kreditrisiken muss die Gefahr einer Fehleinschätzung des Risikos berücksichtigt werden.

2. Mangels entsprechender Modelle oder Daten beziehungsweise mangels einer Kodifizierbarkeit von Anforderungen an dieselben werden die tatsächlichen Zusammenhänge zwischen Einzelrisiken (zum Beispiel Ausfallkorrelationen) sowie Zusammenhänge zwischen Risikoarten (zum Beispiel zwischen Markt- und Kreditrisiken oder zwischen Markt- und Liquiditätsrisiken) auf Ebene einzelner Institute nicht maßgeblich in den quantifizierten aufsichtsrechtlichen Anforderungen berücksichtigt. Da aber das Ziel die Begrenzung des Insolvenzrisikos auf Gesamtbankebene sein muss, müssen vor allem risikoartenübergreifende Zusammenhänge stärker in den Fokus rücken.

3. Selbst wenn die Aufsicht auf Ebene einzelner Institute in der Lage ist, sicherzustellen, dass die Risikotragfähigkeit bei einem als angemessen erachteten Konfidenzniveau nicht überschritten wird, bleibt das Problem, dass systematische Zusammenhänge zwischen den Risiken verschiedener Institute unberücksichtigt bleiben. Deshalb können künftig Mechanismen infrage kommen, die den Beitrag eines einzelnen Instituts zum aggregierten Solvenzrisiko begrenzen. Es wird darauf ankommen, die Abhängigkeit einzelner Institute von gemeinsamen Risikofaktoren zu betrachten, und systemimmanente Beziehungen zwischen der Solvenz verschiedener Institute abzubilden. Mitunter treten Bankenkrisen im Zuge makroökonomischer Schocks auf17), und der Zusammenhang etwa zwischen Ratings und dem Solvenzrisiko der Institute wird durch die gesamtwirtschaftliche Situation beeinflusst - zumindest soweit die Ratings "through the cycle" ermittelt werden, also von makroökonomischen Einflussfaktoren abstrahieren.18)

Dabei wird die Liquidität eines einzelnen Instituts beeinflusst durch seine Solvenz, durch die Transparenz hinsichtlich derselben aus dem Blickwinkel anderer Institute und der Fähigkeit dieser anderen Institute, Geld zu verleihen. Die Solvenz eines einzelnen Kreditinstituts wird wiederum beeinflusst durch die Verhältnisse auf den Absatz- und Beschaffungsmärkten seiner Kreditnehmer und durch die Verhältnisse auf den Märkten, auf denen hereingenommene Sicherheiten gehandelt werden.

Die derzeitige Aufsichtspraxis stellt jedoch im Wesentlichen auf "through the cycle"-Ratings ab. Das Argument der Prozyklizität makroökonomisch beeinflusster Ratings muss abgewogen werden gegen eine präzise Einschätzung des Ausfallrisikos unter Berücksichtigung makroökonomischer Komponenten. Das Instrument der Stresstests weist hier in eine angemessene Richtung.

4. Das aggregierte Risiko bezieht sich nicht auf einen Staat, sondern auf die weltweite Gesamtheit der Banken, da Ländergrenzen für Finanzmarkttransaktionen kaum eine Rolle spielen. Zielführende Aufsichtsstrukturen erfordern eine supranationale institutionalisierte Verankerung über informelle Zusammenarbeit hinaus.

5. Verantwortlichkeit der handelnden Personen auch für mittelfristig negative Folgen ihrer Entscheidungen sollte gewährleistet werden. Je länger der Zeithorizont, desto teurer werden allerdings entsprechende Instrumente.

Herausforderungen für Steuerung und Regulierung des Kreditgeschäfts Wesentlich für ein künftiges Funktionieren des Bankensystems sind also folgende Elemente:

1. Anreizsysteme, die sicherstellen, dass angemessene Entscheidungen unter Abwägung zwischen dem marginalen Risikobeitrag eines Geschäfts zum aggregierten Gesamtrisiko und der Risikoprämie getroffen werden.

2. Anreizsysteme, die sicherstellen, dass bei der Einschätzung des marginalen Risikobeitrags genügend Informationen gesammelt und ausgewertet werden, um das Schätzrisiko auf ein vertretbares Maß zu begrenzen, auch im Falle des Einsatzes von Informationsintermediären.

3. Regulierung, die sicherstellt, dass - angesichts von durch Interessenkonflikte verursachten Externalitäten - die Ermessensspielräume der Banken nicht einseitig verzerrt ausgenutzt werden. Dies betrifft die Entscheidung über die Intensität der Beschaffung und Verarbeitung von Informationen über Kreditnehmer, die Spielräume bei der konkreten Beurteilung des Risikogehalts von Einzelgeschäften und auch die Spielräume bei der Offenlegung von Risiken - sowohl auf Ebene von emittierten Finanzinstrumenten als auch auf Ebene der Risikoberichterstattung nach Basel II, Säule 3 und im Konzernabschluss.

4. Berücksichtigung von statistischen Abhängigkeiten innerhalb von und zwischen verschiedenen Risikoarten, innerhalb von und zwischen verschiedenen Banken, zwischen der gesamtwirtschaftlichen Situation und den Kreditrisiken und innerhalb von und zwischen verschiedenen Ländern.

5. Institutionalisierung der länderübergreifenden aufsichtsrechtlichen Mechanismen zur Begrenzung der aggregierten Risiken.

Reichlich Forschungsbedarf

Wie die Erfahrungen zeigen, ist eine besonders rigide Regulierung nach dem derzeit implementierten Muster nicht in der Lage, eine Bankenkrise zu verhindern - angesichts der für einen Großteil der Subprime-Anlagen vergebenen Investment Grade- Ratings hätte eine frühere Geltung von Basel II keine substanziell höheren Eigenkapitalanforderungen zur Folge gehabt.

Die bisherige Form der Regeln für die Entscheidungsstrukturen, wie in den MaRisk implementiert, konnten die kritischen Investitionsentscheidungen nicht verhindern. Doch auch die marktinhärente Disziplinierung verhinderte offenbar nicht das Eingehen unangemessen riskanter Positionen. Es ergibt sich also beachtlicher Forschungsbedarf hinsichtlich der Frage, wie die genannten Elemente 1 bis 5 wirkungsvoll realisiert werden können.

Literatur

[1] Altman, Edward I. und Rijken, Herbert A.: The Effects of Rating through the Cycle on Rating Stability, Rating Timeliness and Default Prediction Performance, Working Paper, New York University und Vrije Universiteit Amsterdam, 1995.

[2] Awalt, Francis G.: Recollections of the Banking Crisis in 1933. In: The Business History Review, 43. Jg. (1969), Seiten 347 bis 371.

[3] Balderston, Theo: German Banking Between the Wars: The Crisis of the Credit Banks. In: The Business History Review, 65. Jg. (1991), Seiten 554 bis 605. [4] Halm, Georg: Geld - Kredit - Banken, München und Leipzig 1935.

[5] Hellwig, Martin: Systemische Risiken im Finanzsektor. In: Duwendag, Dieter: Finanzmärkte im Spannungsfeld von Globalisierung, Regulierung und Geldpolitik, Berlin 1998, Seiten 123 bis 153.

[6] Hesse, Martin: Mit Anlauf in den Abgrund. In: Süddeutsche Zeitung Online - Ausgabe, 5. Oktober 2008.

[7] James, Harold: The Causes of the German Banking Crisis of 1931. In: The Economic History Review, New Series, 37. Jg. (1984), Seiten 68 bis 87.

[8] Kalveram, Wilhelm: Wirtschaftlichkeitsprobleme im Bank- und Kreditwesen, Stuttgart und Berlin 1938.

[9] Kalveram, Wilhelm und Günther, Hans: Bankbetriebslehre, 3. Auflage, Wiesbaden 1961.

[10] Kiewe, Amos: FDR's First Fireside Chat: Public Confidence and the Banking Crisis, College Station 2007.

[11] Richter, Rudolf und Furubotn, Eirik G.: Neue Institutionenökonomik, 2. Auflage, Tübingen 1996.

[12] Sprague, Oliver M. W.: The American Crisis of 1907. In: The Economic Journal, 18. Jg. (1908), Seiten 353 bis 372.

[13] Schubert, Aurel: The Credit-Anstalt Crisis of 1931: A Financial Crisis Revisited. In: The Journal of Economic History, 47. Jg. (1987), Seiten 495 bis 497. [14]: Frese, Michael und Laurenz Uhl: Die Zukunft des deutschen Verbriefungsmarktes im Lichte von Änderungen im europäischen Regelwerk. In: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 62. Jahrgang (2009), Seiten 935 bis 939.

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