Non-Performing Loans - eine zentrale Herausforderung für die europäischen Banken

Dr. Axel Wieandt, Honorarprofessor an der WHU Otto-Beisheim School of Management und Lehrbeauftragter der Goethe Business School, Frankfurt am Main

Dr. Axel Wieandt, Honorarprofessor an der WHU Otto-Beisheim School of Management und Lehrbeauftragter der Goethe Business School, Frankfurt am Main - Dass die Bankenkrisen in Europa allgemein und besonders in den südlichen Staaten immer noch nicht bewältigt sind, führt der Autor maßgeblich zurück auf die Non-Performing Loans (NPLs) in den Bilanzen und dem Umgang der Aufsicht damit. So stuft er auch Pläne der EZB eher wie die Empfehlungen eines Unternehmensberaters, denn als harte Vorgaben eines Aufsehers ein. Insbesondere vermisst er klare zeitliche Vorgaben zum Abbau von NPLs. Wenn die Verluste in den europäischen Bankbilanzen weiter verschleiert werden, sieht er die Gesundung des Bankensystems behindert und einen zügigen Strukturwandel, der zur Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich ist, verhindert. (Red.)

Akute Bankenkrisen in Italien, insbesondere die Krise der Banca Monte dei Paschi di Siena (BMPS), aber auch die Krise der Bremer Landesbank in Deutschland zeigen schlaglichtartig, dass das europäische Bankensystem neun Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise noch immer nicht gesund ist. Beide Krisen sind ursächlich auf Konzentrationsrisiken und einen starken Anstieg von Non-Performing Loans (NPLs), also notleidende Kredite, zurückzuführen. Die erforderlichen Wertberichtigungen stellen die Solvabilität der Banken infrage und machen Rettungsmaßnahmen erforderlich.

Aktuelle Bankenkrisen in Europa durch NPLs verursacht

In Italien geht es mit der BMPS immerhin um die drittgrößte Bank des Landes mit einer Bilanzsumme von 164 Milliarden Euro und mehr als 2 000 Filialen. Auslöser der Krise war die regionale Konzentration bei Krediten an Unternehmenskunden, deren Bonität und Zahlungsfähigkeit sich im Zuge der anhaltenden Wirtschaftskrise Italiens zunehmend verschlechtert hat. Nachdem die bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelte zentrale europäische Bankenaufsicht bereits 2014 im Zuge des Comprehensive Assessment Bilanzkorrekturen und eine Kapitalerhöhung gefordert hatte, steht aktuell eine Kapitalerhöhung von 5 Milliarden Euro im Raum. Vorher sollen 27,7 Milliarden NPLs (sofferenze; Gesamt-Non-Performing-Exposures per Ende Juni 2016: 45,3 Milliarden Euro) für 9,2 Milliarden Euro (also nur zu 33 Prozent des Nominalwertes) an ein Special Purpose Vehicle (SPV) verkauft werden.1) Das SPV soll sich durch die Ausgabe von 6 Milliarden Senior Notes (mit staatlicher Ausfallgarantie), 1,6 Milliarden Euro Mezzaninen Notes (platziert beim "Atlante Fonds"2)) und 1,6 Milliarden Euro Junior Notes (den Aktionären von BMPS angedient) refinanzieren.3)

Der Markttest für diesen mittlerweile zumindest beihilferechtlich abgesicherten Drahtseilakt steht aber noch aus. Nachdem auf Druck der Konsortialbanken auch der CEO ausgewechselt wurde, kann sich die Transaktion auch noch verschieben. Und auch die Nachranggläubiger müssen noch bangen, mehren sich doch die Gerüchte über Forderungen der Aktionäre nach einem "freiwilligen" Bail-in mittels eines "Debt-to-Equity Swaps".

Auch die jüngste Krise der Bremer Landesbank ist auf einen Anstieg von NPLs zurückzuführen, nicht bei Unternehmenskrediten, sondern bei Schiffskrediten, die mit einem Volumen von insgesamt 8 Milliarden Euro mehr als 25 Prozent der 30 Milliarden Euro Bilanzsumme ausmachen. Erwartete Wertberichtigungen von 400 Millionen Euro zum Jahresende 2016 machten einen Notverkauf des 41-Prozent-Anteils der Hansestadt Bremen und des 4-Prozent-Anteils des Sparkassenverbands Niedersachsen an den Mehrheitsaktionär Norddeutsche Landesbank erforderlich, der selbst schon mit Konzentrationsrisiken und NPLs im Schiffskreditportfolio kämpft.4)

Vor dem Hintergrund der schwelenden Bankenkrise in Europa stellen sich eine Reihe von Fragen, denen dieser Beitrag auf den Grund gehen will: Wie sieht die Situation in Europa fast zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise in puncto NPLs aus? Welche Auswirkungen hat der stark angestiegene Bestand an NPLs auf die wirtschaftliche Entwicklung in Europa? Und welche Hindernisse gibt es für einen schnelleren Abbau von NPLs? Was muss getan werden, um den Abbau von NPLs in Europa zu beschleunigen? Und schließlich: Wie sind die jüngsten Initiativen der EZB und des Basel Committee on Banking Supervision (BCBS) zum Thema NPLs einzuordnen?

Gestiegener NPL-Bestand als Ausdruck der wirtschaftlichen Schwäche Europas

Per Ende 2014 stehen rund 1 Billion Euro NPLs in den Büchern europäischer Banken; das entspricht 9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union. Damit hat sich das Volumen der NPLs zwischen Ende 2009 und Ende 2014 fast verdoppelt.5)

Die NPL-Quote bezogen auf das Kreditvolumen geht in der Eurozone nur langsam zurück und lag per Ende September 2015 mit 5,9 Prozent weiter deutlich über den Quoten in Japan und den USA, die unter zwei Prozent liegen. Insbesondere der Vergleich mit den USA wirft Fragen hinsichtlich der Wirksamkeit der europäischen Krisenpolitik auf: Während die NPL-Quoten in beiden Regionen von 2007 bis 2009 stark anstiegen, gelang den USA ab 2010 die Trendwende, während die Quoten in der Eurozone noch bis in das Jahr 2014 hinein anstiegen.6) Trotz der jüngsten Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Lage in Europa wachsen die NPL-Quoten insbesondere in der wirtschaftlich schwachen südöstlichen Peripherie des Kontinents weiter. Vor dem Hintergrund steigender NPLs haben die europäischen Banken zwar die Wertberichtigungen erhöht, die Coverage Ratios, also das Verhältnis von Wertberichtigungen zum Kreditvolumen, sind aber zurückgegangen, weil der NPL-Bestand schneller gewachsen ist. NPLs sind generell im Corporate-Bereich (und hier vor allem im Segment SMEs) höher als im Retail-Bereich.7)

NPL-Bestände: Gefährdung der wirtschaftlichen Erholung in Europa

NPLs erhöhen den Wertberichtigungsbedarf in den Kreditportfolios und belasten somit die Eigenkapitalsituation der Banken. Bei stetig steigender Anforderung an die Solvabilität bremsen NPLs somit auch das Kreditwachstum und damit die Erholung der europäischen Wirtschaft. NPLs beeinflussen die Kreditvergabe der Banken durch drei Kanäle, nämlich

(1) die niedrige Profitabilität durch steigende Wertberichtigungen, (2) eine erhöhte ökonomische und regulatorische Kapitalbindung und (3) auch höhere Funding-Kosten aufgrund der sich verschlechternden Asset-Qualität. Banken mit schwächeren Bilanzen vergeben weniger Kredite. Das trifft vor allem die für die wirtschaftliche Entwicklung in Europa so wichtigen SMEs, die keinen Zugang zum Kapitalmarkt haben.

Trotz eines höheren NPL-Bestandes sind die laufenden Wertberichtigungen in Europa niedriger als in den USA. Das lässt auf weitere Belastungen in der Zukunft schließen. Europa hat erst 2016 wieder das Wirtschaftsniveau (gemessen am Bruttosozialprodukt) von Ende 2007 erreicht. In den USA war das Niveau von Ende 2007 bereits 2011 wieder erreicht.

Der "Zombie Lender - Zombie Borrower Teufelspakt" in Europa verhindert den notwendigen Strukturwandel und zementiert den Status quo. Volkswirtschaften mit hoher Bankenabhängigkeit (wie zum Beispiel Italien) erholen sich schwerer als kapitalmarktorientierte Volkswirtschaften (wie zum Beispiel USA) von einer Finanzkrise. Während die Bewertungen von Corporate Bonds unmittelbar auf Spread-Ausweitungen im Zuge einer Wirtschaftskrise reagieren, dauert es, bis die entsprechenden Bewertungsabschläge auch in den Kreditbüchern der Banken nachvollzogen werden.

Die Diskrepanz zwischen interner und externer Bewertung von NPLs drückt dann auch auf die Bewertung des Eigenkapitals von Banken. Somit werden notwendige Kapitalerhöhungen zur Bewältigung der Verluste schwieriger, da der Grad der Verwässerung der Altaktionäre zunimmt. Chronisch unterkapitalisierte Banken können keine neuen Kredite vergeben, der Strukturwandel wird erheblich behindert. Letztlich läuft dann auch die Geldpolitik ins Leere, wenn die Banken durch Kreditvergabe kein Buchgeld schöpfen können. Es kommt zur Japanisierung der Volkswirtschaften.

Eine aktuelle International Monetary Fund (IMF) Staff Discussion Note hat fünf Hindernisse für einen schnelleren NPL-Abbau in Europa identifiziert, auf die im Folgenden eingegangen wird:8)

1. Unterentwickelte Märkte für Distressed Debt in Europa

2. Unzureichende rechtliche Rahmenbedingungen

3. Steuerliche Hindernisse

4. Laxe aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen

5. Fehlende Informationsinfrastruktur

Unterentwickelte Märkte für Distressed Debt in Europa: Die Distressed-Debt-Verkäufe in Europa lagen 2013 mit 64 Milliarden Euro deutlich unter dem Tranksaktionsvolumen von 469 Milliarden US-Dollar in den USA, obwohl der NPL-Bestand in Europa ein Vielfaches des US-Bestandes ist. Joint Ventures von Banken mit Work-out-Spezialisten sind weniger häufig in Europa als in den USA. Das jüngst in Italien zur De-Konsolidierung und Restrukturierung von Distressed Loans gebildete Joint Venture von Alvarez & Marsal, KKR, Unicredit und San Paolo IMI ist eine Ausnahme. Unterentwickelte Distressed-Debt-Märkte treffen vor allem kleinere Banken, die sich interne Work-out-Abteilungen nicht leisten können.9)

Die Gründe für unterentwickelte Distressed-Debt-Märkte sind vielfältig und von Land zu Land verschieden. Vielfach fehlt es an hinreichenden öffentlich verfügbaren Kreditinformationen. In vielen Ländern benötigen Käufer von NPLs auch eine Banklizenz. Im Kern sind es aber unterschiedliche Wertvorstellungen. Die Banken setzen häufig die Bewertungen von Sicherheiten zu hoch an und berücksichtigen langwierige Gerichtsverfahren zum Erwerb von Sicherheiten sowie die mangelnde Liquidität in regionalen Real-Estate-Märkten nur unzureichend. Im Ergebnis sind Wertberichtigungen immer noch eher an dem rechnungslegungstechnischen Minimum als an der ökonomischen Realität bemessen.

Effektive Insolvenzordnungen erforderlich

Unzureichende rechtliche Rahmenbedingung: Effektive Insolvenzordnungen und schuldrechtliche Rahmenbedingungen sind entscheidend für eine zügige Durchsetzung und Verwertung von NPLs. Einige europäische Länder haben die Insolvenzordnungen überarbeitet und an internationale Best Practices herangeführt - die Entwicklung ist aber uneinheitlich. In der Regel sind die Insolvenzregimes für Unternehmen weiterentwickelt als die Insolvenzordnungen für Haushalte, die in vielen Ländern fehlen. Ein großes Hindernis ist die langsame und inkonsistente Anwendung der Insolvenzregeln: In über 60 Prozent der Nicht-Euro-Länder gibt es keine engen zeitlichen Vorgaben und in über 60 Prozent der Nicht-Euro-Länder ist die Vergütung der Insolvenzverwalter nicht an die Insolvenzquote gekoppelt, was die Anreize für eine schnelle Abwicklung untergräbt. Die Verwertung von Sicherheiten durch Zwangsvollstreckungen dauert in vielen Ländern zu lange, mit negativen Auswirkungen auf die Recovery Rates und den Bestand an NPLs.

Steuerliche Hindernisse: Auch die fehlende steuerliche Absetzbarkeit von Wertberichtigungen kann den Abbau von NPLs behindern. Die steuerliche Behandlung von Forderungsabschreibungen und der Verwertung von Sicherheiten ist uneinheitlich in Europa. Zudem schafft die Privilegierung von öffentlichen Gläubigern sowie die fehlende Transparenz über die Forderungen der öffentlichen Hand häufig erhebliche Verfahrensunsicherheit, die die Restrukturierung von Unternehmen behindern und Käufer von NPLs abschrecken kann.

Laxe aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen: Der geltende IFRS 39 (Incurred Loss Modell) Standard zur Bewertung von NPLs und Bemessung von Wertberichtigungen ist rückwärtsgerichtet und lässt zu viele Bewertungsspielräume zu. Außerdem macht IFRS 39 keine Vorgaben hinsichtlich der Berechnung von Abschreibungen, erkennt Zinserträge von NPLs an und macht keine konkreten Vorgaben für die Bewertung von Sicherheiten. Das näher an der ökonomischen Realität orientierte dreistufige Expected-Loss-Modell des IFRS 9 gilt erst ab 2018 und ist zudem nicht völlig konsistent mit dem Baseler Expected-Loss-Modell.

Bewertung von Sicherheiten als Schwachpunkt

Die schwache Kapitalausstattung (bei weiter steigenden regulatorischen Anforderungen) und unzureichende Ertragslage (bei fallenden Zinsmargen, steigenden regulatorischen Kosten und zunehmendem Fintech-Wettbewerb) der europäischen Banken erhöhen die Widerstände in den Banken, NPLs anzuerkennen. Außerdem führen die Baseler Kapitalregeln zu einem Anstieg der Risk Weighted Assets (RWAs) für Performing Loans, wenn bei dem Verkauf von NPLs Verluste realisiert und die LGD-Schätzungen in den internen Modellen angepasst werden müssen (LGD-Effekt: LGD als einfacher Durchschnitt aller Positionen eines homogenen Portfolios).

Ein besonderer Schwachpunkt ist die Bewertung von Sicherheiten - zu erwartende Abschläge bei Auktionen in illiquiden Märkten werden in der Regel nicht angemessen berücksichtigt. Der Aufsicht kommt bei der Durchsetzung von höheren Wertberichtigungen und Kapitalpuffern eine besondere Bedeutung zu.

Fehlende Informationsinfrastruktur: Auch unvollständige Informationen können die Restrukturierung von notleidenden Krediten verhindern. Häufig scheitern NPL-Verkäufe an einem fehlenden Zugang zu Grundbuchinformationen oder Kreditregistern beziehungsweise Schuldnerberatungsstellen.

Maßnahmen zur Beschleunigung des Abbaus von NPLs

Die IMF Staff Discussion Note unterbreitet auch einen Vorschlag für ein umfassendes Reformpaket mit drei Kernelementen:10)

1. Engere aufsichtsrechtliche Vorgaben und strengere Aufsicht

2. Reform des Insolvenzrechts

3. Entwicklung eines Marktes für Distressed Debt in Europa

Zu den einzelnen Reformvorschlägen lässt sich Folgendes festhalten:

Engere aufsichtsrechtliche Vorgaben und strengere Aufsicht: Wesentlich ist das Drängen der Aufsicht auf schnellere Bildung von Wertberichtigungen. Aus diesem Grunde wurde im Juni 2015 eine gemeinsame Task Force von EZB (Single Supervisory Mechanism (SSM)) und NCAs (National Competent Authorities) zur Entwicklung von einheitlichen Vorgaben zum zügigen Abbau von NPLs eingesetzt. Ein Ansatzpunkt könnten genauere Vorgaben zur Umsetzung von IAS 39 bei der Bildung von Wertberichtigungen sein. Falls rechtlich möglich, sollten in diesem Zusammenhang engere zeitliche Vorgaben zur Abschreibung von uneinbringlichen Forderungen gemacht werden.

Auch die Nichtanerkennung von gebuchten Zinseinnahmen aus NPLs sollte durchgesetzt werden. Mittels höherer Pillar-II-Anforderungen und einer höheren Risikogewichtung im Zeitablauf (auch über 150 Prozent) für NPLs lässt sich ebenfalls der Anreiz zur schnellen Abschreibung und Veräußerung von NPLs erhöhen. Ausgangspunkt für die Behörden sind detaillierte Meldepflichten zu den NPL-Beständen. Als Ergebnis der Gespräche mit den Banken sollten die Aufseher detaillierte Vereinbarungen über den zügigen Abbau von NPLs (NPL-Abbaupläne) mit den beaufsichtigten Banken treffen und auf eine erweiterte Pillar-III-Berichterstattung zu NPLs bestehen.

Reform des Insolvenzrechts: Das Insolvenzrecht in Europa muss reformiert werden, um eine schnellere Abwicklung von nicht-überlebensfähigen Firmen zu ermöglichen. Die schnelle gerichtliche Zustimmung zu außergerichtlichen Einigungen (Prepacks) wäre wichtig. Außerdem wird ein klarer Vorrang für neue Gläubiger gefordert, welche die Restrukturierung des Unternehmens finanzieren. Das Insolvenzrecht sollte auch auf den Einschluss öffentlicher Gläubiger drängen. Anzustreben sind beschleunigte Planinsolvenzverfahren, Mehrheitsstimmrechte in jeder Gläubigerklasse und die zügige Durchführung von Debt-to-Equity Swaps. Außerdem werden eine stärkere Spezialisierung der Judikative und eine stärkere Harmonisierung des Insolvenzrechts gefordert, auch im Vorgriff auf die Implementierung einer europäischen Kapitalmarktunion.

Verbesserte Marktinfrastruktur zur Veräußerung von NPLs

Entwicklung eines Marktes für Distressed Debt in Europa: Schließlich muss die Marktinfrastruktur zur Veräußerung von NPLs und der Verwertung von Sicherheiten verbessert werden. Dazu gehört auch die Förderung der Verbriefung von NPLs. Staatliche Asset Management Companies (AMCs) und ähnliche Zweckgesellschaften können helfen, den Markt für Distressed Debt in Gang zu setzen. Allerdings muss die Etablierung staatlicher AMCs kompatibel mit dem Beihilferecht sein.

Zusätzliche Handlungsempfehlungen der IMF Mitarbeiter betreffen die bessere Verfügbarkeit von Kreditinformationen und Schuldnerberatungsleistungen, welche die Gleichbehandlung von öffentlichen und privaten Gläubigern und das Setzen von klaren steuerlichen Anreizen bei der Bildung von Wertberichtigungen und der Veräußerung von Sicherheiten gewährleisten.

Abbau von NPLs als politischer Prozess

Auch auf EU-Ebene selbst sind die Vorschläge des IMF-Teams zur Lösung der NPL-Krise in Europa mittlerweile thematisiert worden. Eine entsprechende Briefing Note des EU-Parlaments geht auf die NPL-Situation in den Mitgliedsstaaten, die negativen Auswirkungen von hohen NPL-Beständen auf das Wirtschafswachstum und die bisher in den betroffenen Mitgliedsländern ergriffenen Maßnahmen zum Abbau von NPL-Beständen ein.11)

Im Kern geht es bei der Bewältigung der NPL-Krise in Europa um die Frage, wer die Verluste trägt, entweder die Kreditnehmer, die Bank und deren Eigentümer und Gläubiger oder die Mitgliedsstaaten. Leistungsgestörte Assets können auf einzelne oder national übergreifende Bad Banks übertragen werden oder durch staatliche Garantien abgeschirmt werden. Allerdings kann staatliche Beihilfe für solche Maßnahmen seit 2013 nur noch gewährt werden, wenn die nachrangigen Gläubiger durch Verzicht auf Coupon-Zahlungen und/oder Bail-in einen Beitrag leisten. Seitdem die Abwicklungsrichtlinie (BRRD) in Kraft getreten ist, führt in der Regel kein Weg mehr an einem Bail-in vorbei, wenn man in Europa den Abbau von NPLs mit staatlicher Unterstützung beschleunigen will. Das jüngste Asset Guarantee Scheme in Italien zum Beispiel, mit dem die Verbriefung von NPLs beschleunigt werden soll, wurde nur deshalb genehmigt, weil die Kosten der Garantie als marktgerecht angesehen wurden.

Mit Blick auf den Zweitmarkt für NPLs greift das europäische Parlament die Frage der Banklizenz für Käufer von NPLs und der Dauer der Gerichtsverfahren zur Durchsetzung von Forderungen auf. Besondere Bedeutung kommt der Reform des Insolvenzrechts in Europa zu. Erste Fortschritte auf diesen Gebieten sind mittlerweile in Griechenland, Spanien und Italien gemacht worden. Weitere Maßnahmen zum Abbau von NPLs betreffen ein stärkeres Engagement der Aufsicht und die Schaffung steuerlicher Anreize. In Italien können Kreditverluste mittlerweile unmittelbar steuerlich geltend gemacht werden.

Der Abbau von NPLs ist entscheidend für die Zukunft der europäischen Wirtschaft und des europäischen Bankensystems. Die anfallenden Verluste müssen von den Kreditnehmern und vor allem den Banken und deren Eigentümern und Gläubigern getragen werden, da das Beihilferecht und die BRRD keine Beihilfe ohne deren Beteiligung mehr zulassen. In dem Maße, in dem Verluste Kreditnehmer (und die dort beschäftigten Arbeitnehmer) und Eigentümer/Gläubiger von Banken treffen, sind auch Wähler betroffen. Der Abbau von NPLs ist damit immer auch ein politischer Prozess.

Die jüngsten Initiativen der EZB und des BCBS zum Thema NPLs

Die EZB hat im September 2016 die Überlegungen zum Thema NPLs in einer Draft guidance to banks on non-performing loans zur Diskussion gestellt.12) Diese Leitlinien sollen zukünftig die Grundlage für den Supervisory Review and Evaluation Process (SREP) zum Thema NPLs sein. Das Dokument liest sich allerdings eher wie die Empfehlungen eines Unternehmensberaters, denn als harte Vorgaben eines Aufsehers. Insbesondere fehlt es an klaren zeitlichen Vorgaben zum Abbau von NPLs. Dieser fehlende zeitliche Druck hat sich schon bei den italienischen Banken gerächt, die jetzt unter einem zu hohen NPL-Bestand leiden. Die EZB sollte aus den Fehlern lernen und - ähnlich wie das die US-Bankenaufsicht schon seit Jahren erfolgreich praktiziert - enge zeitliche Vorgaben zum Abbau von NPLs machen.

Auch das Basel Committee on Banking Supervision (BCBS) kommt mit dem jüngsten Vorschlag "Consultative document: Regulatory treatment of accounting provisions - interim approach and transitional arrangements" den Banken eher entgegen, anstatt die lange angekündigte Einführung von IFRS 9 ab 2018 zu nutzen, um die Bewertungen von NPLs auf den Bankbilanzen zügig an die ökonomische Realität anzupassen.13) Eine solche Übergangsregelung - in Rede steht ein Zeitraum von drei bis fünf Jahren bis zur vollständigen Berücksichtigung von Expected Credit Losses im Core Equity Tier 1 - würde die Glaubwürdigkeit der Baseler Solvabilitätsvorschriften unterminieren und regulatorische Fehlanreize zur weiteren Verschleppung der NPL-Krise in Europa setzen.

Verschärfte Gangart ratsam

Fast zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise sind die NPL-Bestände in Europa auf einem historischen Höchststand angekommen. Betroffen ist insbesondere die südöstliche Peripherie. Die NPLs sind Ausdruck einer verschleppten Wirtschafts- und Finanzkrise. Sie belasten die Bankbilanzen und damit auch die wirtschaftliche Erholung. Die europäische Politik hat das Problem erkannt: Im Kern geht es darum, wer wann welche Verluste trägt. Das ist eine politische Frage. Nach der Finanzkrise wurde europaweit entschieden, dass es keinen staatlichen Bail-out mehr geben soll und somit Eigentümer und Gläubiger die Restrukturierung von Banken tragen sollen. Damit einher geht zwingend auch die Einführung von einheitlichen Regeln zum Abbau von NPLs.

Konkret fordern die IMF Staff Discussion Note strengere aufsichtsrechtliche Vorgaben und eine strengere Aufsicht zur Bildung von Wertberichtigungen und Abschreibung von NPLs, eine Vereinheitlichung und Vereinfachung des Insolvenzrechts - zur Durchsetzung von Forderungen und Verwertung von Sicherheiten - und Maßnahmen zur Entwicklung eines Sekundärmarktes für NPLs, damit NPLs leichter von den Bankbilanzen verschwinden können. In einzelnen Ländern wurden bereits entsprechende Maßnahmen zur Beschleunigung des Abbaus von NPLs ergriffen.

In diesem Zusammenhang überraschen nun die jüngsten Initiativen der EZB und des Basel Committee on Banking Supervision (BCBS) zum Thema NPLs: Anstatt die Gangart zu verschärfen, begnügt sich die EZB mit flexiblen qualitativen Vorgaben und das BCBS erwägt sogar, den Banken entgegenzukommen, indem es das ausgewiesene regulatorische Kapital übergangsweise von den aus der Umstellung auf IFRS 9 ab 2018 zu erwartenden, höheren Wertberichtigungen abschirmen will.

Wenn die Verluste in den europäischen Bankbilanzen weiter verschleiert werden, wird die Gesundung des Bankensystems behindert und ein zügiger Strukturwandel, der zur Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich ist, verhindert. Die Verlustbewältigung sollte nicht noch länger hinausgezögert werden, sondern die Verluste müssen zügig realisiert werden. Die Einführung des Bail-in-Regimes darf nicht dazu führen, dass die Verlustrealisierung weiter verzögert wird, nur weil man sich vor der Restrukturierung oder Abwicklung von Banken und/oder der strengeren Durchsetzung von Kreditforderungen scheut.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag anlässlich einer Veranstaltung der Debitos GmbH in Frankfurt.

Fußnoten

1) Vgl. BMPS, Investor Presentation, 29. Juli 2016; Non Performing Exposures umfassen neben den "Bad Loans"/"sofferenze" noch die Kategorien "Unlikely to Pay" (15,9 Mrd. Euro) und "Past due/overdue" (2,1 Milliarden Euro).

2) Vgl. Bocconi Students Investment Club (BSCI): Atlante Fund: evolution of the Italian Banking crisis, February 2016.

3) Vgl. J.P. Morgan Cazenove, Europe Equity Research: Monte Paschi di Siena - NPL derecognition and rights issue of up to Euro 5 bn announced, August 1, 2016.

4) Vgl. Gemeinsame Erklärung der Träger zur Zukunftssicherung der Bremer Landesbank, 31. August 2016.

5) Vgl. IMF Staff Discussion Note/15/19: A Strategy for Resolving Europe´s Problem Loans, September 2015, S. 6.

6) Vgl. DG Internal Policies/Economic Governance Support Unit Briefing, European Parliament: Non-performing loans in the Banking Union: stocktaking and challenges, 18 March 2016, S. 2.

7) Vgl. IMF (2015), Figure 1, S. 7/8 und Figures 2a./b., S. 9.

8) Vgl. IMF (2015), S. 13ff.

9) Banken haben natürlich aufgrund der Hausbankbeziehung einen Informationsvorsprung gegenüber Käufern von NPLs; dort, wo sie außerhalb der Hausbankbeziehung im Kreditgeschäft zu schnell gewachsen sind, fehlen häufig die Informationsvorteile und auch die entsprechenden Work-out-Kapazitäten.

10) Vgl. IMF (2015), S. 25ff.

11) Vgl. European Parliament, 2016, S. 6.

12) Vgl. European Central Bank (ECB): Draft guidance to banks on non-performing loans, September 2016.

13) Basel Committee on Banking Supervision: Consultative document, Regulatory treatment of accounting provisions - interim approach and transitional arrangements, October 2016.

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