Leitartikel

Die Bank der Allianz

Lob von der Mutter. Das ist für viele Kinder selbstverständlich, lobt die Mama doch meist viel schneller und öfter als der Papa. Anders die Allianz. Sie als Familien(Konzern)oberhaupt ist stets ausgesprochen und oft gar über alle Maßen kritisch, was ihre Sprösslinge betrifft. Und - zugegeben man hätte schon ein ordentlicher Optimist sein müssen, um vor zwei oder drei Jahren der Frankfurter Banktochter ein solches Aufblühen zu prophezeien.

War die Dresdner Bank 2003, dem Jahr des Amtsantritts des seitdem amtierenden Vorstandsvorsitzenden Herbert Walter, noch eine echte Belastung und wies einen Verlust aus, steigerte sich ihre Bedeutung für den Allianz-Konzern seitdem von Jahr zu Jahr: Ihr Beitrag zum operativen Ergebnis stieg von 8,5 Prozent im Jahr 2004 über 10 Prozent im Jahr 2005 auf stolze 13,4 Prozent im abgelaufenen Geschäftsjahr.

Der Finanzvorstand der Mutter würdigte dies mit einem "Die Dresdner Bank hat sich im vergangenen Geschäftsjahr sehr gut entwickelt", was man in Frankfurt mit deutlicher Genugtuung zur Kenntnis nehmen darf (siehe oben).

Vieles von diesem Lob ist natürlich auf den amtierenden Vorstandschef der Dresdner Bank zurückzuführen. Dieser hat die Bank nicht nur auf einen klaren und damit auch nachvollziehbaren und erfolgreicheren Kurs gebracht. Gerade im Zusammenspiel mit der Allianz beweist er Tag für Tag offensichtlich ausgesprochen viel Feingefühl in der Sache wie im Ton; was Respekt verdient, denn einfach ist dieser Umgang sicherlich nicht. Zu dominant, zu arrogant wirken die Münchener, die zudem als "Global Player" zunehmend stärker den Blick hinaus in die Welt denn auf das kleine Deutschland richten. Die Dresdner Bank dagegen meistert den Alltag hier vor Ort, den Wettbewerb mit Direkten, mit Sparkassen und Genossenschaftsbanken, erfolgreich.

Und nicht nur das: Glaubt man den Prognosen der Verantwortlichen der Bank und betrachtet das übrige Versiche-rungs-Geschäft (Ausnahme Asset Management) mit einer gewissen Skepsis - die Umsätze in der Lebens- und Krankenversicherung waren leicht rückläufig und stagnierten lediglich in der Schaden- und Unfallversicherung - so könnte, so müsste und wird der Ruhm der Dresdner Bank weiter steigen. Die ehedem geschmähten und verspotteten Frankfurter als Wachstumstreiber für das Gesamtgeschäft - eine durchaus schöne Perspektive für Banker.

Nur zum Vergleich (oder zum Ansporn): Die niederländischbelgische Fortis, ein anderer europäischer Allfinanz-Konzern, oder wie es heute lieber gesagt wird, ein anderer europäischer integrierter Finanzdienstleister, erwirtschaftete 2006 weit über die Hälfte seines Net Profits im Bankgeschäft, 2,4 von 3,5 Milliarden Euro. Die Aufwand-Ertragsrelation betrug feine 62,3 Prozent - auf der Dresdner lasten noch 79,8 Prozent. Allerdings muss fairerweise eingeräumt werden, dass die Fortis schon einen sehr viel längeren, von Bank und Versicherung gemeinsam beschrittenen Weg hinter sich hat. Und ihr früherer Chef, ein sicherlich sehr erfahrener Mann, sagte einmal, Allfinanz brauche zehn Jahre, um sich entsprechend zusammenzufügen. Das wäre für Allianz und Dresdner erst im Jahre 2011. Man wird sehen.

Zum guten Dresdner-Jahrgang 2006 trug vor allem der harte Sanierungskurs der Vorjahre bei. Das nicht-strategische Geschäft ist gänzlich aus dem Zahlenwerk verschwunden, die Restrukturierungskosten liegen weit unter den Horrorzahlen der Vorjahre, die Kosten sinken bei rückläufigen Mitarbeiterzahlen leicht und die Risikovorsorge im Kreditgeschäft befindet sich trotz deutlich höherem Kreditvolumen mit 27 Millionen Euro auf einem nahezu historischen Tiefstand. Erfreulich für die Verantwortlichen und bemerkenswert ist dabei aber, dass anders als in der Branche sonst üblich unter diesem Gesundschrumpfen die Erträge nicht dauerhaft gelitten haben. Ein Ertragsplus von 13,1 Prozent steht zubuche. Dabei legte der Zinsüberschuss (2,664 nach 2,213 Milliarden Euro) konzernweit deutlich stärker zu als der Provisionsüberschuss (2,841 nach 2,696 Milliarden Euro). Das Handelsergebnis verbesserte sich von 1,1 auf knapp 1,3 Milliarden Euro.

Ein weiteres Plus: Beide Sparten konnten ihre operativen Ergebnisse gleichermaßen verbessern. Während das Segment Private and Business Clients (auch diese Umbenennung und Neuorganisation erinnert wie so viele der vergangenen Ja hre überraschend stark an die Deutsche Bank) im Zinsüberschuss unter der anhaltend flachen Zinsstrukturkurve litt und mit 1,35 Milliarden Euro leicht unter Vorjahr abschloss, legten sowohl der Provisionsüberschuss als auch das vernachlässigbar kleine - Handelsergebnis zu. Im Corporate- und Investmentbanking stiegen alle drei Ertragsfelder, am stärksten das Handelsergebnis vor dem Zinsüberschuss und dem Provisionsüberschuss.

Zum dritten mal in Folge hat die Frankfurter Großbank damit ihre Ziele nicht nur erreicht, sondern übertroffen, wie der Vorstandvorsitzende zufrieden feststellte. Man sollte also meinen, alles prima bei der Beraterbank, auch wenn natürlich die sonnige Konjunkturlage ihren Teil dazu beigetragen hat. Doch selbst aus einer solchen Entwicklung übermäßiges Selbstbewusstsein zu entwickeln ist wahrlich nicht leicht. Denn wer die Allianz kennt, und das tut mittlerweile auch die Dresdner, der weiß, dass die Münchener selbst bei ausgesprochen erfreulichen Entwicklungen ihre Tochtergesellschaften die Leine kurz und den Einfluss groß halten. München will regieren! Allein die überraschende Umstellung auf die Steuerungszahl Ro RAC (Return on Risk-adjusted Capital), die dem Ergebnis nach Steuern in Prozent des risikoadjustierten Kapitals in Prozent entspricht, im Vergleich zur früher gebräuchlichen Eigenkapitalrendite, zeigt dies. Es hatte den Anschein, dass hier statt wie in guten Familien üblich, nichts vorher besprochen wurde, sondern die Dresdner Bank auf der diesjährigen Bilanzpressekonferenz der Allianz vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Dass damit einhergehend das Renditeziel kurzerhand ein klein wenig nach oben korrigiert wurde, zeugt nicht etwa von einem kollegialen Miteinander geschweige denn Gleichberechtigung, sondern klar von Münchner Dominanz.

Gerade mit der so entscheidenden Zusammenarbeit auf der Vertriebsebene kann man noch nicht zufrieden sein.

Während der Wertschöpfungsbeitrag der Dresdner-Verkäufer für die Allianz steigt und steigt, stockt der Verkauf von Bankprodukten über die Agenten, bei allen nicht zu unterschlagenden Fortschritten weiterhin. Lediglich 7 500 der mehr als 11 000 Allianz-Agenturen wurden seitens der Bank für ihre Vertriebsbemühungen gelobt.

Wie niedrig hier mittlerweile die Ansprüche geworden sind, zeigt, dass man in Frankfurt schon mehr als zufrieden ist, wenn ein Versicherungsvertriebler 20 Bankprodukte - nicht etwa pro Kunde, sondern lediglich pro Jahr absetzt. Diese Lücke soll nun geschlossen werden: Allianz-Bank heißt das neue Zauberwort. In zunächst einhundert ausgewählten Agenturen wird ein Mitarbeiter der Dresdner Bank künftig versuchen, Bankprodukte an den Mann zu bringen. Dass es sich hierbei keineswegs, wie zunächst etwas missverständlich kommuniziert, nur um so genannte Standardprodukte handelt, liegt eigentlich auf der Hand. Damit würde nicht nur der Gedanke des integrierten Finanzdienstleisters ad absurdum geführt, sondern damit wären zweifelsohne auch die hochrangigen, versetzten Vertriebsexperten, unerfordert und schnell gelangweilt.

Die Allianz-Bank hat schöne Nebeneffekte. Zunächst wird so die Vertriebskraft, aufgepasst Sparkassen, aufgepasst Volks- und Raiffeisenbanken), nachhaltig erhöht und die strategische Fehlentscheidung, sich aus der Fläche zurückzuziehen, rückgängig gemacht. Bei Erfolg sollen bis zu eintausend Alli-anz-Agenturen zu kleinen Bankstellen aufgerüstet werden, was mehr als einer Verdoppelung der Dresdner-Niederlassungen im Bundesgebiet entsprechen würde. Das soll sich auch in den Zahlen niederschlagen. Ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag soll zunächst aus den Bankagenturen hängen bleiben, heißt es. Dass bei der angestrebten Neukundengewinnung die beiden Marktführer sicherlich überproportional betroffen sein werden, wird zur zusätzlichen Belastung/Gefahr für die ohnehin unter Duck stehenden beiden großen Bankenverbünde Deutschlands.

Dann wird der neue Name sicherlich auch die Akzeptanz der Bank bei den Agenten weiter voranbringen. Allianz-Vertreter arbeiten nicht gerne für jemand anderen, sie arbeiten eigentlich nur für die Allianz. Und drittens schafft man sich in Frankfurt/München auf diesem Weg elegant und billig eine dieser Tage wieder so in Mode gekommene Zweitmarke. Gerade in Zeiten massiven Preiswettbewerbs sind nicht nur unterschiedliche Vertriebswege, sondern gerade auch unterschiedliche Marken von enormem Wert, muss so doch nicht gleich die ganze Bank zum Discounter werden.

Für die echte Allianz-Bank Dresdner - mehr als 95 Prozent des Allianz-Geschäftsfeldes Banking sind die Frankfurter - hat dieses neue Konzept aber auch seine Tücken. Sollte es erfolgreich sein - und dafür wird auch die Großbank alles tun, allein um im internen Wettbewerb mit den anderen Sparten nicht wieder zurückzufallen - bleibt für die ehedem so ruhmreiche und damit immer noch starke Marke lediglich der Auftritt im gehobenen Segment im In- und Ausland, im Firmenkundengeschäft und im Investment-Banking, sofern es dieses dann noch gibt. Vielleicht war es ja mehr als Zufall, dass die Dresdner Kleinwort in der Präsentation des Herrn Vorstandsvorsitzenden nicht etwa im strahlenden Grün der Bank glänzte, sondern die gleiche Farbe hatte wie wenige Seiten zuvor das erfolgreich aussortierte nicht-strategische Geschäft. Denn was die Dresdner für sich in Anspruch nimmt, muss auch andersrum gelten: Wo Allianz drauf steht, muss auch Allianz drin sein. P. O.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X