Dekarbonisierung von Städten: nicht auf die Politik warten

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Die von Doug Saunders formulierte These, dass die Menschheit gegen Ende dieses Jahrhunderts eine ganz und gar "urbane Spezies" sein wird, ist kühn, aber beileibe nicht aus der Luft gegriffen. So werden laut UNO bereits zur Jahrhundertmitte rund zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben. Klar ist damit auch, dass die Antworten auf die dringlichsten Schicksalsfragen ebendort gefunden werden müssen. Beispielsweise beim Kampf gegen die Erderwärmung: Nach Angaben des Weltklimarats könnte die unheilvolle 1,5-Grad-Marke bereits 2026 erstmals überschritten werden, Städte mit ihren in aller Regel üppigen Betonflächen werden darunter ganz besonders zu leiden haben. Umso wichtiger ist ein möglichst hoher Grad an Transparenz darüber, welche von Städten ergriffenen Klimaschutzmaßnahmen nachahmenswert sind und welche weniger.

JLL hat dazu nun eine neue Untersuchung auf Basis von 32 Metropolen weltweit angestellt. Die Researcher arbeiten dabei zunächst die enorme Relevanz des städtischen Gebäudesektors heraus: Stolze 60 Prozent der CO2-Emissionen in Städten entfallen demnach im Durchschnitt auf Immobilien, in Wirtschaftszentren wie London (78 Prozent) oder Tokio (73 Prozent) sind es sogar noch deutlich mehr. Ein gigantischer Hebel also, dem von vielen Städten nach Beobachtung von JLL aber noch nicht ausreichend Beachtung geschenkt wird. So seien innovative Anreize zur Emissionsreduzierung bislang die Ausnahme. Dazu gehörten etwa Singapur und Vancouver, die ganzheitliche Ansätze zur Verbesserung ihres Gebäudebestands entwickelt hätten, sowie Paris und Amsterdam, die bei der Berücksichtigung der grauen Energie eine Vorreiterrolle einnähmen. Tokio setzt derweil auf ein "Cap-and-Trade"-Programm (Emissionsobergrenze und -zertifikatehandel), das Immobilieneigentümern Anreize zur Verringerung der Emissionen bietet.

Politischer Handlungsdruck auf Immobilienakteure ist an dieser Stelle also noch nicht wirklich verbreitet. Dieser Umstand darf laut JLL aber keinesfalls als Einladung zum entspannten Zurücklehnen interpretiert werden: "Es ist nicht ratsam - und das beobachte ich leider allzu oft - auf Regulierungen, Daten oder Berichtsstandards zu warten, um Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen. Wir brauchen internationale Konsistenz und Standards, gar keine Frage, aber diejenigen, die heute handeln, werden morgen über widerstandsfähigere Immobilien verfügen und einen Wettbewerbsvorteil erlangen", so die Empfehlung von Gunnar Gombert, Head of Sales & Business Development. Partnerschaften, Wissensaustausch und Inkubatoren sind in der Studie immer wiederkehrende Schlagwörter, die die Klimaanpassung der Bestandsgebäude erleichtern sollen - insbesondere für private und kleine gewerbliche Eigentümer sowie Nutzer. Und all das natürlich mit hoher Geschwindigkeit: Denn so zurückhaltend die meisten Städte bislang bei der Formulierung konkreter Reduktionsvorgaben sein mögen, so forsch sind sie bei der Setzung ihrer CO2-Netto-Null-Ziele. Allein das deutsche Trio Düsseldorf, Frankfurt am Main und München will bis 2035 vollständig dekarbonisiert sein. Wer's glaubt... ph

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