Aus der Traum?

Philipp Otto

Foto: Fritz Knapp Verlag

Acht von zehn Deutschen träumen von Wohneigentum und würden gerne in den eigenen vier Wänden wohnen. Dieses Ergebnis einer aktuellen Umfrage von Engel & Völkers kann zwar von der Grundtendenz her nicht wirklich überraschen, allerdings ist die Zahl derer, die die berühmten eigenen vier Wände anstreben, schon enorm hoch. Späteres mietfreies Wohnen, die Immobilie als Altersvorsorge und der Schutz vor Kündigung lassen immer mehr Menschen darüber nachdenken, Wohneigentum zu erwerben. Mit der Umsetzung wird es allerdings immer schwieriger. "Wenn ich es mir nur leisten könnte".

Entsprechend groß ist auch die Lücke zwischen denen, die ihren Traum verwirklicht haben, und denen, die weiterträumen müssen. Laut Statistischem Bundesamt leben derzeit etwa 42,1 Prozent der deutschen Haushalte in den eigenen vier Wänden. Das ist die zweitniedrigste Wohneigentumsquote unter den OECD-Ländern. Die Gründe hierfür sind natürlich die extrem gestiegenen Immobilienpreise. Allerdings setzt die deutsche Wohnungspolitik auch immer schon mehr Anreize für Mieter als für Eigentümer. Hohe Grunderwerbsteuern machen Immobilien zu einem teureren und weniger liquiden Vermögenswert, die fehlende Abzugsmöglichkeit für Hypothekenzinsen für Eigennutzer ist zwar steuersystematisch schlüssig, verteuert aber die Finanzierungskosten und das Mieten von Sozialwohnungen bietet, sofern verfügbar, eine kostengünstige Alternative zum Wohneigentum.

Begründet wird all das mit der sozialen Gerechtigkeit. Dabei könnten wohnungspolitische Reformen, die zu mehr Wohneigentum führen, laut einer Untersuchung der deutschen Bundesbank aus dem jahr 2020 die Vermögensungleichheit verringern. Denn diejenigen Länder mit einer niedrigen Wohneigentumsquote wie Österreich oder Deutschland weisen auch die höchste Nettovermögensungleichheit auf. Der dominante Faktor hinter dieser Beziehung ist der durchschnittliche Vermögensunterschied zwischen Eigentümern und Mietern. Solche Reformen sind allerdings auch unter der Ampelregierung keinesfalls zu erwarten.

Dass heißt, für viele Deutsche ist ihr Traum ausgeträumt. Denn zum einen kommen zu den heftigen Preisen nun noch steigende Finanzierungskonditionen hinzu. Zehnjährige Hypotheken liegen schon wieder über drei Prozent, 15-jährige teilweise schon über vier. Und das mit steigender Tendenz, denn die EZB hat mit ihren Zinserhöhungen noch gar nicht begonnen. Angesichts der aktuellen Entwicklungen mit Inflationsraten von jenseits der acht Prozent zeigt sich immer mehr, dass die europäischen Währungshüter aus Angst vor einer neuen Euro-Krise mit ihren geldpolitischen Reaktionen viel zu spät dran sind und die Gefahr schneller und größer ausfallender Zinsschritte immer wieder realer wird.

Gleichzeitig streiten Experten munter, ob die steigenden Zinsen auch zu einem Rückgang der Immobilienpreise führen werden, was wiederum mehr Anreize für den Eigentumserwerb setzen könnte. Allerdings geht die Mehrzahl nicht von einem Platzen der Immobilienblase aus. Als Gründe werden beispielsweise von Aengevelt die explosionsartige Steigerung der Baukosten, die Verknappung des Angebots infolge zurückgehender Fertigstellungen, unterschiedliche Möglichkeiten, Mietpreissteigerungen zu realisieren und die Attraktivität der Immobilie als sichere Anlage in Zeiten von Krieg und Inflation angeführt. Scope rechnet aufgrund der deutschen Langfristkultur erst bei einer schweren Rezession gepaart mit höherer Arbeitslosigkeit, Kreditausfällen und Zwangsverkäufen mit einem Einbruch der Immobilienpreise.

Und eine etwas freizügigere Kreditvergabepraxis der Banken würde laut der Ratingagentur die Immobilienpreise sogar eher noch beflügeln. In der Tat wird es spannend zu beobachten sein, wie sich die deutschen Kreditinstitute in den kommenden Monaten verhalten werden. Immerhin ist das Immobilienfinanzierungsgeschäft seit Jahren schon in den meisten Häusern eine der Hauptwachstumsquellen. So stieg der Bestand an Wohnungsbaukrediten an Unternehmen und Privatpersonen zwischen März 2015 und März 2022 laut Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank von 1,192 Billionen Euro auf 1,701 Billionen Euro kräftig an. Der Anteil der Immobilienfinanzierungen am gesamten Kreditbestand stieg im gleichen Zeitraum von 49,7 Prozent auf 53,1 Prozent. Und auch wenn es mit den steigenden Zinsen auch wieder mehr Alternativen gibt, so ist nicht damit zu rechnen, dass das Immobilienfinanzierungsgeschäft an Bedeutung verlieren wird. P.O.

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