STUDIE

DEUTSCHER IMMOBILIENMARKT: ZINSSCHOCK KÖNNTE INFLATIONSSCHUTZ AUFFRESSEN

Für Deutschland betrug die Inflationsrate im März 2022 stolze 7,3 Prozent. Höher war sie laut Statistischem Bundesamt zuletzt 1951 mit 7,6 Prozent. In den dieser Tage viel zitierten siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts betrug sie 1973 in der Spitze 7,1 Prozent, 1981 durch den rasanten Anstieg der Ölpreise 6,3 Prozent. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel wird da erfrischend deutlich: "Wir erwarten im Jahresdurchschnitt 2022 eine Inflationsrate, die bei 6 Prozent liegen kann. Das ist natürlich zu viel. Diese hohen Inflationsraten dürfen sich nicht verfestigen". Denn diese hohe Inflation trifft zwar auf eine immer noch wachsende Wirtschaft, allerdings lässt das Tempo spürbar nach. Viele Ökonomen erwarten gar einen Wachstumsschock. Nachdem die Prognosen für Europa und Deutschland bereits Ende vergangenen Jahres angepasst wurden, korrigierten die Forscher sie mit Ausbrechen des Ukraine-Krieges noch einmal kräftig nach unten. Die Konjunktur in Deutschland wird den Prognosen zufolge in diesem Jahr nur noch um 1,5 bis 1,8 Prozent wachsen. Für die Eurozone wurden die Erwartungen von 3,2 Prozent auf rund 2 Prozent zurückgenommen. Weltweit rechnet der IWF immerhin noch mit einem Zuwachs um 4,4 Prozent.

Inflation treibt stärker als Zinserhöhung bremst

Das ist eine gefährliche Mischung, die nicht ohne Folgen bleiben wird. Nicht für den Wohlstand, nicht für Konsumgüter-Preise. Aber sie wird auch vor Immobilienpreisen und Immobilienmärkten nicht haltmachen. Deutsche Bank Research schreibt hierzu in einer aktuellen Studie: Die Immobilienpreise dürften mit der Inflation tendenziell weiter anziehen. Wichtig ist es, hierbei auch das Zusammenspiel von Inflation und Zinsen im Auge zu behalten. Die EZB dürfte angesichts einer aktuellen Inflation von über 7 Prozent in den kommenden Monaten die Leitzinsen anheben. Zudem steigen die Kapitalmarktrenditen. Aufgrund des anvisierten Endes der Ausweitung der Anleihekäufe steuern die 10-jährigen Bundrenditen aktuell auf 1 Prozent zu. Angesichts der rekordtiefen inflationsbereinigten Renditen haben sie durchaus noch Luft nach oben. Bis Anfang 2023 erwarten die Analysten einen weiteren Anstieg auf über 1,7 Prozent. Die langfristigen Hypothekenzinsen könnten bis zum Jahresende 2023 sogar auf fast 3 Prozent anziehen.

Höhere Zinsen verteuern zwar die Refinanzierungskosten und reduzieren Erträge. Die Auswirkungen dürften bei den bisher relativ verhaltenen Zinsanstiegen allerdings begrenzt sein. Denn die Immobilienpreise werden laut Deutsche Bank Research aktuell mehr von der Inflation angekurbelt als von den Zinserhöhungen gebremst.

Kräftige Zinserhöhung könnte Neubewertung auslösen

Die Analysten betonen jedoch auch neue Risiken, die mit dem jüngsten Zinsanstieg am Horizont aufziehen. Sollte sich die Inflation längerfristig über der 2-Prozent-Zielmarke festsetzen und sind die Inflationserwartungen nicht mehr fest verankert - was angesichts des historischen Preisschubs durchaus passieren könnte - dann drohen noch kräftigere Zinserhöhungen, die eine fundamentale Neubewertung der Immobilienmärkte auslösen könnten.

Damit wäre der Boom der vergangenen 13 Jahre zu Ende. Die Nachfrage nach deutschen Immobilien hat seit der Finanzkrise stetig zugenommen. Die marginalen Investoren im Immobilienmarkt waren oftmals Kapitalsammelstellen. Für sie waren Immobilien ein Ausgleich für den Mangel an rentierlichen Anleihen. Doch der Anleihemarkt bleibt regelmäßig das traditionelle Kerngeschäft von Pensionsfonds und Versicherungen. Daher dürften sie ab einem gewissen Zinsniveau Anleihen wieder gegenüber Immobilien präferieren.

Sinkt folglich die Nachfrage nach Immobilien, dann dürfte auch der Preisdruck abebben, wodurch Anleihen gegenüber Wohnimmobilien zusätzlich an Attraktivität gewinnen. Diesen Kipppunkt zu definieren, ist schwierig. Aber angesichts von Bruttomietrenditen im deutschen Wohnungsmarkt von unter 4 Prozent und nur etwas höheren Renditen im Büromarkt dürfte dieser Punkt laut Deutsche Bank Research bei nominalen Bundrenditen im Intervall von 2 bis 4 Prozent liegen.

Aber: Wird dieser Kipppunkt erreicht, dann lassen die folgenden drei Punkte eher eine Preisdelle als einen massiven Abverkauf erwarten. Erstens geraten bei höheren Zinsen nicht nur Immobilien-, sondern auch Anleihe- und Aktienmärkte unter Druck. Damit dürften Kapitalrenditen allgemein mau ausfallen und mangels Anlagealternativen ein massiver Abverkauf am Immobilienmarkt ausbleiben.

Zweitens lehrt uns die Geschichte, dass Hauspreiszyklen nur dann mit kräftigen Preisrückgängen einhergehen, wenn weitere Sektoren oder ganze Volkswirtschaften kriseln. Es ist allerdings derzeit allenfalls mit einem isolierten Ende des Hauspreiszyklus zu rechnen. Drittens wird die EZB ihre Anleihekäufe zwar bald nicht mehr ausweiten, auslaufende Anleihen aber noch für einige Zeit ersetzen. Zudem hat die EZB, um die Risikoprämie auf südeuropäische Staatsanleihen nicht ausufern zu lassen, angedeutet, unter Umständen auch weiterhin asymmetrisch Anleihen zu kaufen.

Kurzfristig weiterhin guter Inflationsschutz

Das heißt: Eine Wiederholung des Zinsschocks wie zu Beginn der 1980er Jahre droht wohl nur dann, wenn trotz höherer Renditen die Inflation mehrere Jahre deutlich überschießt. Entsprechend kommt Deutsche Bank Research in ihrer Studie zu dem Fazit, dass Immobilien vor allem kurzfristig weiterhin einen guten Inflationsschutz bieten - Gewerbeimmobilien stärker als Wohnimmobilien. Denn im Wohnungsmarkt reduziert die erwartete sinkende Angebotsknappheit in den kommenden Jahren den Inflationsschutz. Red.

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