Leitartikel

Vertraute Qualität

"Pfandbriefe sind durch die besonderen gesetzlichen Regelungen in Deutschland schon jetzt sicher - in der über 200-jährigen Geschichte des Produktes ist noch nie ein deutscher Pfandbrief ausgefallen. Die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, dass dies auch in Zukunft so bleibt."

Wohl noch nie hat ein deutsches (Finanz-)Produkt einen solchen Ritterschlag erhalten, wie ihn der Pfandbrief in der Begründung zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz vom 18. Oktober 2008 erfuhr. Besonderes Gewicht erhält dieses explizite Bekenntnis jedoch vor dem Hintergrund einer Kapitalmarktsituation, in der so gut wie gar nichts mehr funktioniert. Dabei schafften es die Emittenten immerhin, den Pfandbrief sogar im Verlauf der sich verschärfenden Finanzmarktkrise als Hort der Qualität herauszustellen - gegenüber unbesicherten Anleihen sowieso, zuletzt aber auch gegenüber der in den vergangenen Jahren immer aufdringlicheren Covered-Bond-Konkurrenz. So ist es gelungen, das gewohnt niedrige Spread-Niveau weitgehend zu verteidigen. Gleichwohl konnte nicht verhindert werden, dass nach der für "undenkbar" gehaltenen Pleite von Lehman Brothers nichts mehr für unmöglich gehalten wurde, sodass selbst gesetzlich weitgehend geschützte Bankanleihen mittlerweile kaum mehr absetzbar sind. Der Handel mit Jumbo-Pfandbriefen lag bereits seit einigen Wochen und Monaten im Argen. In diesem Sinne ist die Äußerung der Bundesregierung nicht nur eine Geste, sie impliziert vielmehr eine Staatsgarantie.

Dass diese nicht einklagbar ist, wie die im Finanzmarktstabilisierungsgesetz festgelegten Bürgschaften, ist richtig, denn es hätte das Ende des Pfandbriefs in seiner heutigen Form bedeutet, wie vdp-Präsident Henning Rasche im Gespräch mit der Redaktion (siehe Seite 858 ff.) darlegt. So aber besteht zumindest die Hoffnung, den Pfandbrief durch eine weitere Krise zu manövrieren. Doch wird dieses Beharrungsvermögen reichen? Immerhin sind unter jenen Instituten, die bereits unter den staatlichen Schirm flüchteten, auch zahlreiche Pfandbriefbanken. Auch deren Refinanzierung ist mittlerweile, sofern sie nicht zu einem Gutteil aus Kundeneinlagen erfolgen kann, problematischer geworden. Und sie droht sich in den kommenden drei Jahren sogar noch zu verschärfen. Wie die Nord-LB und die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) in voneinander unabhängigen Studien ermittelten, müssen europäische Banken und Unternehmen in den nächsten drei Jahren ein Volumen von 1,6 Billionen Euro ersetzen. Davon entfallen 72 Prozent beziehungsweise 1,152 Milliarden Euro auf Finanzschuldverschreibungen. Von denen wiederum sollen 513 Milliarden Euro besicherte Anleihen, in der Regel Covered Bonds, sein. Laut Nord-LB-Studie, die sich ausschließlich auf das Jumbo-Segment fokussiert, werden bis zum Jahr 2011 Jumbo-Covered-Bonds in Höhe von rund 407 Milliarden Euro fällig. Dabei hat Deutschland in beiden Untersuchungen das mit Abstand höchste Volumen: 40 Prozent erwartet S&P, 52 Prozent beziehungsweise 212,5 Milliarden Euro nennt die Nord-LB. Legt man die Nord-LB-Ergebnisse zugrunde, so entspricht das Verhältnis der fälligen Jumbo-Pfandbriefe zum gesamten ausstehenden Jumbo-Volumen immerhin 69 Prozent. Dagegen liegt die Fälligkeitsquote aller umlaufenden europäischen Covered Bonds im Schnitt bei 46 Prozent.

Diese Zahlen machen deutlich, dass die Eile, zu der Rasche mahnt, schon im Laufe des Frühjahrs 2009 den Pfandbriefmarkt wieder in Schwung zu bekommen, gerechtfertigt ist. Vorerst vermögen die staatlichen Garantien für Anleihen (mit einer maximalen Laufzeit von drei Jahren) und die flankierenden Konjunkturprogramme den ärgsten Druck aus der angespannten Refinanzierungsfront zu nehmen, den Markt zu beruhigen und das Vertrauen der Investoren in Bankschuldverschreibungen wieder herzustellen. Immerhin traut S&P gerade wegen der hohen Qualität und der traditionell großen Bedeutung des Pfandbriefs dem deutschen Markt als einem der ersten eine Erholung zu - eine gewisse Stabilisierung des internationalen Kapitalmarktumfeldes stets vorausgesetzt. Dabei spielt auch eine Rolle, dass nicht alle in den kommenden drei Jahren fälligen Pfandbriefe vollständig ersetzt werden. So müssen beim Auslaufen von fristenkongruent refinanzierten Staats- und Kommunalkrediten keine Finanzmittel neu aufgenommen werden. Gleiches gilt für Eigenheimfinanzierungen, wenn diese vollständig getilgt werden. Zugleich fällt bei Prolongationen das Finanzierungsvolumen und damit der Refinanzierungsbedarf tendenziell niedriger aus. In beiden Geschäftsfeldern wird jedoch eine anhaltend schwierige Emissionssituation zu einem Rückgang des Neugeschäfts der Banken führen. Wie zu beobachten ist, hat dieser Rückzug bereits eingesetzt. In der Staatsfinanzierung tritt dieser durch die strategischen Entscheidungen einiger großer Marktakteure deutlicher zu Tage als im privaten Hypothekengeschäft, wo bislang allenfalls wenig etablierte, ausländische Anbieter aufgegeben haben. Eine niedrigere Fremdkapitalnachfrage seitens der Gebietskörperschaften sowie eine äußerst schwache Neubau- und Transaktionstätigkeit bei Eigenheimen lassen die Märkte ohnehin schrumpfen.

Hinzu kommt, dass seit geraumer Zeit eine Verschiebung von Jumbo-Emissionen zu Privatplatzierungen festzustellen ist. Während erstere liquider und darum von internationalen In vestoren bevorzugt sind, werden Namenspfandbriefe vor allem von langfristig orientierten Anlegern gezeichnet. Zwar bevorzugt die letztgenannte Investorengruppe, zu denen maßgeblich Versicherungen und Pensionskassen gehören, derzeit kurzlaufende Anleihen mit Staatshintergrund, doch werden sie auch wieder mittel- und langfristige Investments suchen - so erhoffen es zumindest die Pfandbriefemittenten. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Investitionsbereitschaft nicht so schnell und in solchem Umfang zurückkehren wird, wie dies aus Sicht der Pfandbriefbanken wünschenswert und notwendig wäre. Entsprechend werden die Emittenten um Preiszugeständnisse nicht umhinkommen, wenn sie Pfandbriefe absetzen wollen. Folglich dürften sich die Spreads in naher Zukunft ausweiten. Gleichwohl spricht einiges dafür, dass die Pfandbriefemittenten und ihr Verband alles daran setzen werden, dass der Pfandbrief auch in Zukunft das Premium-Produkt unter den gedeckten Schuldverschreibungen bleiben wird. Die derzeit diskutierte Ausweitung der Liquiditätsvorhaltung im Deckungsstock von 90 auf 180 Tagen ist dafür ein wichtiger Schritt. L. H.

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