Leitartikel

Endlich Krise?

Ist sie da, die Krise? Gleichwohl das Immobilienjahr 2007 eines der umsatzstärksten sowohl bei den Investitionen als auch bei den Vermietungen war, zeigt sich doch für das vierte Quartal eine spürbare Abkühlung. Als "zurückhaltend, aber robust" charakterisieren die großen internationalen Maklerhäuser in ihrem gewohnt zuversichtlichen Duktus die Stimmung im Markt. Dass die durch minderwertige US-Eigenheimkredite ausgelösten Turbulenzen und Verwerfungen an den internationalen Kapitalmärkten früher oder später auf die Immobilienmärkte durchschlagen mussten, bedurfte freilich keiner besonderen prophetischen Gabe.

Bereits im Herbst vergangenen Jahres, als die ersten Conduits keine Abnehmer mehr fanden und als aus Off-Balance erzwungenermaßen On-Balance wurde, knurrten sich die Vorstände großer Immobilienbanken im Gedränge der Münchener Expo Real zu, dass sich die Investoren wohl auf steigende Zinsen und höhere Eigenkapitalquoten einstellen müssten, wenn sie ihre Transaktionen noch kreditiert bekommen wollen. Und für so manches ehrgeizige Projekt würde es wohl gar keine Finanzierung geben. Die Auguren in den bis dato akquisitionsagilen (Immobilien-)Investmentbanken sollten Recht behalten, schließlich bekamen sie die Verklemmungen in der Kapitalmarktlogistik als Erste zu spüren.

Dass die Subprime-Krise dem blühenden Verbriefungsmarkt innerhalb von Wochen das Vertrauen abgräbt, wirft die Frage auf, ob Securitization für die Banken möglicherweise zu bequem ist? Die Kundenbeziehung und die damit verbundene Last ist auf das Notwendigste reduziert; das Risiko ist schnell aus den Büchern herausgedreht, sodass faktisch alles finanzierbar wird. Und dabei lässt sich durch Tranchierung und Arrangement mit MBS und CDO so herrlich das Provisionsergebnis heben, womit zugleich höchst elegant die Abhängigkeit vom Zinsüberschuss gemildert wird. Doch die Käufer solcher Vehikel machen sich derzeit rar. Sind Verbriefungen schon passé? Mitnichten. Euro-hypo-Chef Bernd Knobloch sieht in der aktuellen Krise zu Recht nicht das Ende der Verbriefungen, denn es sind nach wie vor effiziente Instrumente zur Refinanzierung und Risikostreuung. Aber es sollte sie nicht mehr so billig geben wie bisher.

Noch fehlt dem Verbriefungsmarkt der Mut für Transaktionen, sodass verstärkt syndiziert oder auf die eigene Bilanz genommen werden muss, was nicht mittels Pfandbriefen günstiger refinanziert werden kann. Dass dafür Immobilienkäufer und Entwickler mehr Eigenkapital und höhere Zinsen aufbringen müssen, ist zu begrüßen. Denn so werden die mancherorts heißgelaufenen Immobilienmärkte doch endlich wieder auf solide Fundamente gestellt. Zu groß war die Verführung der niedrigen Fremdkapitalkosten, die Assetklasse Immobilie als reines Finanzinvestment zu betrachten. Die Verkäufer mag das gefreut haben, weil der Kaufrausch der Immobilien-Unkundigen die Objektpreise auf Rekordniveau jagte. Doch so mancher erfahrene Investor, der sich wegen seiner konservativen Anlagestrategie unter erheblichem Rechtfertigungsdruck sah, schüttelte nur noch den Kopf, wenn die Anfangsrenditen kaum die Fremdfinanzierungskosten deckten. Wie nachhaltig ist hier der Discounted Cash-Flow für die Finanzierungszusage berechnet, wie angemessen nach dem Vorsichtsprinzip bewertet worden?

Dass sich in den USA, in Spanien, Großbritannien, Irland und anderswo Preisblasen auch bei Gewerbeimmobilien aufbauten, konnte nicht übersehen werden. Sogar in Mittel- und Osteuropa (ver-)fielen die Anfangsrenditen auf westeuropäisches Niveau, wobei die Frage berechtigt ist, ob die sich entwickelnden Immobilienmärkte richtig bewertet sind. Und warum wird der russische Immobilienmarkt derart geschätzt oder - wie Zweifler meinen - überschätzt? Gewiss sind die Entwicklungserfolge und das Potenzial von Moskau, Sankt Petersburg & Co. gewaltig, doch entspricht das dortige Verhältnis zwischen Risiko und Rendite beim besten Willen nicht dem von Paris und London. Dass dort und andernorts immer noch exorbitante Preise gezahlt werden, ist wohl nur bedingt mit einem Übermaß an Liquidität zu erklären. Vielmehr zeigt sich, dass der allzu menschliche Herdentrieb selbst das angeblich so scheue Investorenkapital häufiger als erwartet mitzureißen vermag. Wenn aber die hochfliegenden Erwartungen enttäuscht werden, nehmen nicht nur unachtsame Investoren Schaden, die in überhitzten Märkten Milliarden verbrennen. Da für so schmerzhafte Erfahrungen meist nicht die eigene Entscheidung, sondern das "Brennmaterial" verantwortlich gemacht wird, droht die Assetklasse Immobilie in Misskredit zu geraten. Zu Unrecht. Denn dass dies derzeit nicht zu beobachten ist, sondern institutionelle Investoren ihre Immobilienquote im Anlageportfolio sogar noch ausbauen wollen, beweist: Die Immobilie hat sich gegenüber anderen Anlageformen emanzipiert. Dies wiederum ist vor allem ein Verdienst der (Immobilien-)Investmentbanken, die den Kapitalmarkt und die Immobilie enger zueinander brachten. So ist zwar dem Kapitalmarkt der monatelange Preisauftrieb zuzuschreiben, es ist ihm aber auch zu verdanken, dass die Drehzahl jetzt wieder deutlich gedrosselt wird. Indem Investoren mit höherem Eigenkapitalanteil und langfristiger Anlageorientierung die opportunistischen Kurzläufer ablösen, bleibt so manchem Immobilienmarkt der große Crash erspart. Tendenziell sinken die Preise wieder, aber vor allem weiten sich die Renditeabstände zwischen den Märkten und Objekten aus. Kurz: Risiko wird wieder besser bepreist.

Was dürfen wir also von 2008 erwarten? Die durch die Krise erzwungene Atempause wird den Immobilienmärkten guttun. Es wird nicht weniger, aber bewusster und das heißt vor allem nachhaltiger investiert werden. Dass dabei wieder genauer auf die Rendite geachtet wird, ist seitens der Finanzierer zu begrüßen. Wie heißt es doch unter Optimisten: Krise ist der Zustand, bei dem sich was ändert. L. H.

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