MIPIM Special

Boom 2015 versus Hype 2007

Erwartungen an den deutschen Immobilieninvestmentmarkt (Angaben in Prozent) Quelle: EY Trendbarometer 2015

Die Renditen liegen in vielen Segmenten wieder auf dem Niveau von 2007 und in Teilbereichen entkoppeln sich Preise von den Mieten. Aufgrund dieser Entwicklung haben Segmente an Bedeutung gewonnen, die üblicherweise eher im Schatten stehen. Viele Banken gehen das höhere Risiko mit. Neun von zehn Befragten rechnen sogar damit, dass in Deutschland der Anteil risikoreicherer Transaktionen zunimmt. Die Autoren legen dar, dass nicht zu konstatieren ist, dass sich die Fehler der Vergangenheit wiederholen werden. Es wird mit deutlich mehr Eigenkapital gearbeitet und Anlageentscheidungen werden deutlich professioneller (intensivere Due Diligence) getroffen. Aufgrund der erzielten Performance dürften Anleger künftig auch stärker über Verkäufe Gewinnmitnahmen vornehmen und dabei auch Portfoliooptimierungen erzielen können. Red.

Das Immobilien-Transaktionsvolumen in Deutschland ist auf einem Niveau, wie wir es vor der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise schon einmal erreicht hatten. Und nicht nur das Niveau, auch andere Indikatoren erinnern an die Zeit vor dem Lehman-Crash. Die ausländischen Investoren sind zurück. Wenngleich nicht mehr nur aus dem angloamerikanischen Raum, sondern zunehmend auch aus Asien.

Und auch der Risikoappetit der Akteure hat längst wieder zugenommen. Das bestätigt unter anderem das jüngste EY Real Estate Trendbarometer Immobilien-Investmentmarkt 2015, wonach neun von zehn Befragten damit rechnen, dass der Anteil risikoreicher Transaktionen größer wird.

Aus der Zeit vor der Krise kennen wir große Portfoliodeals. Auch sie haben wir zuletzt gesehen und sie werden weiterhin für möglich gehalten. Zugleich wird in vielen Segmenten mit weiter steigenden Preisen gerechnet - wobei die Renditen ebenfalls bereits an die Zeit um 2007 erinnern. Es ist kein Geheimnis: Der Markt ist offensichtlich erhitzt; und in Teilbereichen entkoppeln sich die Preise von den zugrundeliegenden Mieten. Hier muss zwar betont werden, dass das nicht etwa flächendeckend zu beobachten ist. Aber: Sie sind mitverantwortlich für Ausweichreaktionen innerhalb der Anlageklasse Immobilien.

Ausweichreaktionen

So haben zuletzt Logistik- und Hotelimmobilien, die üblicherweise deutlich im Schatten von Büro-, Einzelhandels- und Wohnimmobilien stehen, spürbar an Bedeutung gewonnen. Unter den Top-Deals von 2014 finden sich beispielsweise auch ein Portfolio aus Gesundheitsimmobilien und ein Hotelportfolio.

Fast die Hälfte der Befragten des Trendbarometers bestätigt: Man kann sich einen Fokus auf ein Immobiliensegment abseits von Büro, Einzelhandel oder Wohnen vorstellen. Die Befragten meinen auch, dass B-Lagen in den nachgefragten Nutzungsarten immer beliebter werden. Letztlich sind die Ausweichreaktionen auf neue Lagen und "neue" Segmente ein weiterer Ausdruck steigender Risikobereitschaft. Viele Banken gehen das Mehr an Risiko mit und finanzieren die jeweiligen Käufe. Auch das erinnert an die Zeit vor der Krise.

Andere Rahmenbedingungen

Und doch darf nicht konstatiert werden, dass sich die Fehler der Vergangenheit momentan wiederholen. Zum einen sind die Vorzeichen gänzlich andere. Der Verbriefungsmarkt, der in seiner damaligen Ausprägung für die Krise mitverantwortlich war, ist heute - zumindest in Deutschland - trotz Aufschwungs noch immer nicht von nennenswerter Bedeutung. Die Banken nehmen Immobilienkredite in die jeweils eigenen Bücher. Dabei sind sie aus regulatorischen Gründen gezwungen, einen entsprechenden Eigenkapitalanteil zu fordern. Immobilieninvestments fast oder gänzlich ohne Eigenkapital, wie wir es vor der Krise gesehen haben, gibt es derzeit nicht.

Hierbei ist allerdings anzumerken, dass die Märkte gegenwärtig ohnehin keinen Mangel an Eigenkapital aufweisen. Viele Anleger investieren sogar freiwillig mit einem hohen Anteil an Eigenkapital. Einem extrem aggressiven Finanzmarktumfeld vor der Krise steht also eine nach wie vor vergleichsweise entspannte aktuelle Situation gegenüber. Ein weiterer, wesentlicher Unterschied: Immobilienanleger befinden sich zwar in einem zunehmenden Wettbewerb untereinander, agieren aber dennoch besonnen. Sie analysieren und entscheiden gründlich aufgrund der jeweiligen Fundamentaldaten, die der Investmententscheidung zugrunde liegen. Die Due Diligence nimmt einen entsprechenden Stellenwert ein.

Hohes Maß an Vernunft

Mit dem Hype vor der Krise, als Immobilienkäufe - auch Käufe großer Portfolios - teilweise ohne Besichtigung und ohne tief gehende immobilienökomische oder auch technische Prüfung erfolgten (in der Hoffnung, man veräußere die Objekte ohnehin in kurzer Zeit wieder), hat das heute nichts zu tun. Es herrscht ein erfreulich hohes Maß an Vernunft.

Neue Krise?

Den positiveren Rahmenbedingungen zum Trotz kann und darf eine neuerliche Krise natürlich nicht ausgeschlossen werden. Die Wechselkursentwicklung sowie politische Risiken sind zwei Aspekte, die den Markt gegenwärtig umtreiben. Hinzu kommt, dass man hoffentlich aus der Vergangenheit gelernt hat. Die Finanzkrise kam unerwartet, als Schwarzer Schwan, der nicht für möglich gehalten wurde. Heute rechnen die Akteure durchaus mit unerwarteten Störungen des Marktes - auch mit Störungen aus einer Richtung, die aus heutiger Sicht vielleicht noch nicht zu antizipieren ist.

Das Erwarten des Unerwarteten darf dabei jedoch nicht als Lähmung missverstanden werden, sondern vielmehr als Teil einer vernunftbasierten Investitionsentscheidung: Wer heute Immobilien erwirbt, sollte bereits beim Kauf an den Exit denken - und er sollte dabei in Szenarien denken. Verhält sich die Immobilie auch im Falle einer eventuellen massiven Störung des Markts noch wertstabil? Es ist gleichermaßen paradox und positiv: Worst-Case-Szenarien werden einerseits ernst genommen, andererseits tut dies der guten Stimmung keinen Abbruch.

Insbesondere Immobilien in Deutschland haben sich in der letzten großen Krise als vergleichsweise Wertstabil erwiesen. Zudem achten viele Anleger heute umso mehr auf die Qualität des Cashflows aus der Immobilie. Beispielsweise setzen sie auf eine entsprechende Risikodiversifizierung der mietenden Branchen innerhalb einer Immobilie oder eines Portfolios.

Ein weiterer Indikator für eine hybride Stimmung zwischen Optimismus und Vorsicht ist das Verhältnis der Investoren zu ihren Banken. Der Wettbewerb unter den Banken nimmt zu. Deutsche Finanzinstitute sehen sich dabei immer mehr im Wettbewerb auch mit ausländischen Banken, der Margendruck wächst. Dies können Investoren durchaus zum eigenen Vorteil nutzen, jedoch sollten sie nicht jedem Basispunkt bei der Marge nachlaufen, sondern an Zeiten denken, wenn aggressive Finanzierer auch wieder vom Markt verschwinden. Es versteht sich, dass dies nur bis zu einem gewissen Punkt möglich ist - ab einer Differenz, die aus kaufmännischer Sicht nicht mehr ignoriert werden kann, sehen sich die Akteure dann natürlich doch zu einem Wechsel der Bank gezwungen.

Nicht nur kaufen

Gleichsam hybrid ist das Investitionsverhalten. Immobilien bieten nach wie vor ein attraktives Rendite-Risiko-Profil - nicht nur bei steigender Risikobereitschaft. Sie bleiben als Investitionsziel gefragt. Aber natürlich bietet sich gegenwärtig auch die Möglichkeit, über Verkäufe nachzudenken. Preise und Nachfrage sind hoch, sodass die aktuelle Situation für Portfoliooptimierungen geeignet scheint. Das aktuelle EY-Real-Estate-Trendbarometer zeigt, dass die Mehrheit der Akteure für 2015 plant, nicht nur anzukaufen, sondern auch über einen Verkauf von Immobilien nachzudenken.

Welche Immobilien veräußert werden, hängt von der jeweiligen Strategie des Eigentümers ab. Bei vielen dürften vor allem die "Underperformer" ins Verkaufscluster wandern. Oder solche Immobilien, die keine weitere Entwicklung zulassen (oder nur unter erheblichem Aufwand). Allerdings gilt es auch zu bedenken, dass die frei werdende Liquidität wieder neu investiert sein will. Wie die jeweilige Lösung für ein erfolgreiches Reinvestment aussieht - das gilt es individuell zu beantworten.

Die Autoren

Christian Schulz-Wulkow Partner Paul von Drygalski Executive Director beide Ernst & Young Real Estate GmbH, Berlin

Christian Schulz-Wulkow , Managing Partner EY Real Estate

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