Leitartikel

Das Ende der Spekulanten

"Die Hypo Real Estate hat sich eine umfangreiche neue Kreditlinie gesichert, deren Ausgestaltung das Unternehmen vom Einfluss der derzeit weitgehend funktionsunfähigen internationalen Geldmärkte abschirmt." Dieser Satz ist der Pressemitteilung der HRE vom 29. September 2008, also am Morgen nach dem ersten, bekanntermaßen gescheiterten Rettungsversuch, entnommen. Weiter heißt es: "Die Hypo Real Estate hatte die Gespräche mit dem Konsortium in Reaktion auf die außergewöhnlich schwierigen Bedingungen an den internationalen Geldmärkten nach dem Zusammenbruch der Lehman-Gruppe und anderen Marktstörungen aufgenommen." Und der damals noch amtierende Vorstandsvorsitzende Georg Funke ließ sich folgendermaßen zitieren: "Die neue Kreditlinie verwirklicht einen weitreichenden und innovativen Ansatz, mit dem wir unsere Finanzierungsstruktur so anpassen können, dass sie den derzeitigen Fehlfunktionen an den internationalen Geldmärkten gerecht werden. Die Hypo Real Estate Group wird diese Geldmärkte auf absehbare Zeit nicht mehr in Anspruch nehmen müssen."

Bei allem Respekt vor den typisch menschlichen Schwierigkeiten, eine Niederlage oder ein ernsthaftes Problem einzuräumen, man kann sich die Gesichter der in der Nacht noch am Verhandlungstisch sitzenden Kollegen aus anderen Banken geradezu vorstellen, die die HRE kurz zuvor mit milliardenschweren Garantien und Krediten vor den totalen Zusammenbruch gerettet haben. Was bitteschön ist innovativ daran, vom Goodwill anderer abhängig zu sein, seine Schulden nicht mehr zahlen zu können und den Geschäftsbetrieb eigentlich gar nicht mehr aufrechterhalten zu können? Hat wirklich die HRE die Initiative ergriffen, sich etwas "gesichert" und Gespräche als Reaktion auf etwas "aufgenommen"? Sie war doch die Getriebene, ohne jeden Ausweg.

Erfolgreiche Krisenkommunikation sieht ganz sicher anders aus. Im Leitfaden "Krisenkommunikation" für Behörden und Unternehmen des Bundesministeriums des Innern heißt es dazu: "In Krisen ist es erforderlich, bei allen Verantwortlichen den gleichen Informations- und Wissensstand sicherzustellen sowie Medien und Bevölkerung möglichst umfassend, aktuell, widerspruchsfrei und wahrheitsgemäß zu informieren. Eine ungeschickte Organisations- und eine mangelnde oder gar fehlende Krisenkommunikation verschlimmern die Situation." Ziel müsse es sein, so Vertrauen und Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.

Alles, was die Hypo Real Estate mit ihrer Krisenkommunikation erreichte, war Kopfschütteln bis Verärgerung. Als dann auch noch ein Externer, nämlich die Deutsche Bank, nach kurzer Durchsicht der Bücher, unmittelbar nach dem ersten Rettungsversuch die Öffentlichkeit informieren musste, dass der Kapitalbedarf weitaus höher sei, als bislang von der HRE bekanntgegeben, war das Vertrauen in den Immobilienfinanzierer endgültig dahin. Offensichtlich hat man in München aus all dem zumindest ein klein wenig gelernt. "Wir sind für die Unterstützung aller Parteien sehr dankbar. Die gefundene Lösung stellt sicher, dass die Hypo Real Estate Group stabilisiert wird, auch bei andauernder Finanzkrise über ausreichende Liquidität verfügt und weiterarbeiten kann", sagte Vorstandsvorsitzender Georg Funke mit der gebotenen Demut nach der bislang erfolgreichen zweiten Rettung.

Und doch verwundert es auch bei diesem Beispiel, wie groß das Beharrungsvermögen der handelnden Personen ist. Das ist beileibe kein Einzelfall, sondern viel zu häufig in Politik, Sport und Wirtschaft zu beobachten. Ein Minister verliert 17 Prozent der Stimmen und "steht für den politischen Neuanfang zur Verfügung". Ein Trainer verliert im Fußball 0:8, sieht aber "kein Problem zwischen mir und der Mannschaft". Ein Manager vernichtet neun Zehntel des Aktienkurses, will von persönlichen Konsequenzen nichts wissen, ein anderer rettet sich nach dem Verkauf seiner Bank als einziger aus dem Vorstand in das Gremium des Übernehmenden - und zwar nicht nur als Integration Officer, sondern wohl sogar dauerhaft. Es ist kein Wunder, dass das Zutrauen der Öffentlichkeit angesichts solcher Beispiele nachlässt, nachlassen muss. Denn schon Kindern bringt man bei, dass sie ein Unglück schnell und persönlich beichten sollen. Und solange diese Mentalität so bleibt, helfen auch die schönsten Stabilisierungsprogramme der Regierungen und Zentralbanken nicht, das muss allen Beteiligten klar sein. Wer Vertrauen verspielt hat, kann es gar nicht oder nur sehr, sehr schwer zurückgewinnen. Da ist ein Neuanfang sicherlich der bessere Weg.

Dass an den entscheidenden Stellen im HRE-Management wie bei so vielen Erfolgsverwöhnten - die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion abhanden gekommen ist, offenbarte freilich nicht erst die Dreistigkeit in der Kapitalmarktkommunikation. Einer der wesentlichen internen Ursachen für die gegenwärtigen Probleme ist der Kauf der Depfa zur Unzeit und für eine Unsumme. Hinterher ist man immer schlauer. Gewiss. Doch die Schwierigkeiten des irisch-deutschen Staatsfinanzierers mit seinem einseitigen Geschäftsmodell waren im Jahr 2007 längst bekannt, auch wenn die Dominoeffekte der Sub-prime-Krise auf fast alle Bereiche des Kapitalmarktes im heute zu sehenden Ausmaß damals für kaum vorstellbar gehalten wurden. Die Depfa war zu Recht ein Ladenhüter - hübsch anzusehen, aber mit erkennbaren strukturellen Schwächen.

Die entscheidende Schwachstelle aller Staatsfinanzierer ist die Abhängigkeit vom Zinsniveau an den internationalen Kapitalmärkten. Doch dieses Spiel ist seit den massiven Eingriffen der US-Notenbank in den Markt, um erst die Dotcom-Krise und jetzt die Subprime-Krise zu heilen, auch für ausgefuchste

Zocker unberechenbar geworden. Für die Buchmacher der Zinswetten entsteht das Problem, dass wegen der extrem engen Margen für klassische Kommunal- und Staatskredite keine auskömmliche Rendite mehr zu zeigen ist. Die Folge: Handwerker versuchten sich als Händler, finanzierten lang und refinanzierten kurz - eine Strategie, die bekanntlich schon in der Vergangenheit mit erschreckender Regelmäßigkeit versagte. Dass es dieser Tage nicht allein die Depfa, sondern fast zeitgleich auch Gleichgesinnte wie Dexia und Düsseldorfer Hyp zerlegte, nährt die Hoffnung, dass sich die althergebrachten Tugenden des soliden Bankgeschäfts wieder durchsetzen mögen. P. O./L. H.

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