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Einfluss von energetischen Modernisierungen auf den Immobilienwert

In Deutschland gibt es rund 18 Millionen Wohngebäude mit rund 39 Millionen Wohnungen. Knapp 15 Millionen davon sind Ein- und Zweifamilienhäuser mit zirka 18,5 Millionen Wohnungen. Etwas mehr als drei Millionen Gebäude sind Mehrfamilienhäuser mit rund 21 Millionen Wohnungen, die als Miet- und Eigentumswohnungen genutzt werden. Gut 75 Prozent aller Gebäude wurden vor 1979 und damit vor der Einführung der ersten Wärmeschutzverordnung gebaut. Die Herstellungskosten neuer Gebäude können genau kalkuliert werden. Sie führen wie bei einem neuen Auto zu einem Anfangswert, der die Marktverhältnisse und die wesentlichen Einflussfaktoren, wie die Grundstücks- und Baupreise, widerspiegelt. In prosperierenden Phasen des Immobilienmarkts steigen deshalb die Preise. Es ist noch nicht lange her, da war es umgekehrt - die Preise sanken. Der Bundesgerichtshof hat sich deshalb schon vor langer Zeit salomonisch zum gleichen Thema geäußert: "Der Preis einer Sache muss nicht ihrem Wert entsprechen".

Aber welcher Wert ist richtig? Bei etwa 600 000 Kauffällen im Jahr, größtenteils im Zusammenhang mit Gebrauchtimmobilien, und einer ungenannten Zahl an Schenkungen, Scheidungen und Erbfällen spielt das Thema Wert eine bedeutende wirtschaftliche Rolle. Darum stellt sich die Frage, wie der Preis einer Gebrauchtimmobilie zustande kommt.

Preisfindung

Unabhängig von der Frage, ob ein Gebäude energetisch modernisiert ist oder nicht, steht es den Verkäufern und Käufern im Grundstücksverkehr frei, sich auf einen Preis zu einigen. Es gibt keine Vorschriften. Der Preis bildet sich unter Berücksichtigung der örtlichen Marktgegebenheiten aus Angebot und Nachfrage. Verkäufer sind immer bestrebt, einen möglichst hohen Preis zu erzielen, während der Kaufinteressent das Gegenteil anstrebt.

Um den Preis im Sinne von Wert zu objektivieren, schreibt der Staat vor, wie Verkehrswerte von unbebauten und bebauten Grundstücken zu ermitteln sind. Ab 1. Juli 2010 wurde die frühere Wertermittlungsverordnung (WertV) durch die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) abgelöst. Besondere Vorschriften über die Behandlung von energetischen Modernisierungen gibt es wie zuvor nicht.

Bei Ein- und Zweifamilienhäusern gilt das Sachwertverfahren, das sich an historischen Kosten orientiert. Nach der ImmoWertV sind dies zunächst die Herstellungskosten. Diese richten sich nach dem Ausstattungsstandard. Die Spanne reicht von "Einfach" über "Mittel" und "Gehoben" bis "Stark gehoben". Für die Berechnung der Herstellungskosten werden die Normalherstellungskosten (derzeit NHK 2000) zugrunde gelegt.

Sachwertverfahren bei gebrauchten Immobilien

Die Herstellungskosten eines gebrauchten Einfamilienhauses werden zum Bewertungsstichtag also so berechnet, als ob das Gebäude neu gebaut würde. Weil in Deutschland die Baukosten je nach Region und Örtlichkeiten unterschiedlich hoch sind, müssen sie mittels Indizes auf die Gegebenheiten des Bewertungsobjekts umgerechnet werden. Zu den Herstellungskosten gehören auch die Außenanlagen und die Baunebenkosten, die pauschaliert von den Herstellungskosten des Gebäudes abgeleitet werden.

Der erste positive Effekt bei bereits energetisch modernisierten Gebäuden ist, dass je nach Art und Umfang der Modernisierung die Normalherstellungskosten jetzt einer höheren Kostengruppe zugeordnet werden können, was zu höheren Gebäudeherstellungskosten führt.

Wenn das Bewertungsobjekt aber zum Beispiel schon 36 Jahre alt ist, kann natürlich der ermittelte "Neuwert" realistischerweise nicht als Wert beziehungsweise Preis übernommen werden. Deshalb kommt nach der ImmoWertV die Alterswertminderung ins Spiel. Wie beim Auto auch, mindert sich mit zunehmendem Alter der Wert eines Gebäudes.

Alterswertminderung

Galt früher, dass Wohngebäude eine technische Lebensdauer von 100 Jahren haben, geht die ImmoWertV heute je nach gebauter Qualität von 60 bis 80 Jahren aus. Diesen Zeitraum nennt man Gesamtnutzungsdauer, an deren Ende der technische Wert Null ist. Natürlich kann das Gebäude, wenn es regelmäßig instand gehalten wurde, auch danach noch genutzt werden. Aber weil es nicht mehr den zeitgemäßen Wohnansprüchen genügt und die Bevölkerungszahl wegen des demografischen Wandels sinkt, wird es schwierig sein, Käufer zu finden oder einen vernünftigen Preis zu erzielen.

Die Differenz zwischen der Gesamtnutzungsdauer und dem Gebäudealter zum Wertermittlungsstichtag ist die Restnutzungsdauer. Sie hat durch die Systematik der Alterswertminderung entscheidenden Einfluss auf den Sachwert/Substanzwert des Gebäudes, der durch das fortschreitende Alter abnimmt.

Beispielsweise beträgt die Restnutzungsdauer eines 1976 gebauten Einfamilienhauses bei einer Gesamtnutzungsdauer von 70 Jahren bei einem Wertermittlungsstichtag 2012 noch 36 Jahre. Das entspricht einer Alterswertminderung von 49 Prozent. Angenommen, die Herstellungskosten hätten 250 000 Euro betragen, dann betrüge der Sachwert/ Substanzwert nach Abzug der Alterswertminderung noch 127 500 Euro. Dabei unterstellt die ImmoWertV, dass das Gebäude während der Gesamtnutzungsdauer ordnungsgemäß instand gehalten wurde.

Aber auch noch aus zwei anderen Gründen spielt die Restnutzungsdauer eine große Rolle: Wegen des Bevölkerungsrückgangs wird die Nachfragesituation bei gleich hohem Gebäudebestand bei älteren und nicht modernisierten Gebäuden schwieriger. Wir wissen aus Erfahrung, dass alte Einfamilienhäuser besonders dann gute Preise erzielen, wenn die Lage begehrt und das Handelsvolumen am Markt gering ist. Den Käufern ist es eben wert, in diesen Fällen unabhängig vom Zustand des Gebäudes und damit des Substanzwerts einen höheren Preis zu bezahlen. Oftmals wird dann nach dem Kauf kräftig investiert und umgebaut. Die Käufer solcher Objekte sind in der Regel sehr solvent.

Der zweite wichtige Grund ist die Finanzierbarkeit. Gebäude mit zu kurzen Restnutzungsdauern werden nicht mehr finanziert oder nur unter entsprechenden Auflagen von Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen.

Unterlassene Instandhaltungen (Reparaturstau) müssen ermittelt und gegebenenfalls am Schluss der Wertermittlung mindernd berücksichtigt werden. Noch gravierender sind unbehebbare Mängel und Schäden, die zu einer Verkürzung der Restnutzungsdauer führen.

Mitberücksichtigung des Gebäudezustands

Wird im Unterschied zur Instandhaltung ein Gebäude modernisiert, erhöht sich der Gebrauchswert. Daraus resultiert der positive Effekt, dass sich die Restnutzungsdauer verlängert und die Alterswertminderung geringer ausfällt. Bei einer Verlängerung um 15 Jahre würde die Alterswertminderung dann im obigen Beispiel nicht 49 Prozent, sondern nur 29 Prozent betragen, was zu einem höheren Sachwert von 177 500 Euro führt; das wären 50 000 Euro mehr. Die Immo-WertV spricht hier von einem fiktiven Baujahr, das über dem ursprünglichen Baujahr liegt.

Zum Wert eines Sachwertobjekts gehört natürlich die Ermittlung des aktuellen Grundstückswerts nach den Vorschriften der ImmoWErtV. Sein Anteil am Verkehrswert nimmt zu, je älter das Gebäude ist, weil der Gebäudewert durch die Abnutzung gegenläufig sinkt. Nach dem Ende der Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes bleibt als Wert nur noch das Grundstück übrig. Weil Baugrundstücke häufig knapp sind, haben ihre Preise in den letzten Jahren und Jahrzehnten zum Teil erheblich zugelegt und den Eigentümern einen schönen Wertzuwachs beschert.

Sachwertfaktor und Marktpreis

Dahinter steckt die Frage, ob Kaufinteressenten bereit sind, den ermittelten Wert als Preis zu akzeptieren. Gründe, den Wert als überhöht zu sehen, obwohl er nach einer Gesetzesnorm ermittelt wurde, können sein: unzeitgemäße Grundrisse, Instandhaltungsstau, Lagenachteile oder auch ein Überangebot am Markt wegen zu geringer Kaufnachfrage, zum Beispiel in strukturschwachen Räumen. Daher ist bei einer Wertermittlung im Sachwertverfahren vorgeschrieben, den vorläufigen Sachwert an die örtlichen Marktverhältnisse anzupassen.

Als Hilfsmittel dazu dienen die sogenannten Sachwertfaktoren, die bei örtlichen Gutachterausschüssen zu beziehen sind. Sie spiegeln das Verhältnis der Sachwerte (Wertermittlung) zu den tatsächlichen Preisen wider. Im Idealfall beträgt der Sachwertfaktor 1,0 beziehungsweise 100 Prozent. Dann stimmt der ermittelte Sachwert mit den Marktpreisen überein. Leider trifft das aber meistens nicht zu. In benachteiligten Regionen liegen die Sachwertfaktoren - zum Teil sehr deutlich - unter 1,0, zum Beispiel bei 0,7, also 70 Prozent des vorläufigen Sachwerts, oder noch tiefer. Das bedeutet, dass der ermittelte Sachwert 30 Prozent höher liegt als der aktuell am Markt zu erzielende Preis. Deshalb muss hier ein Abschlag vorgenommen werden. In den meisten Ballungsgebieten und Universitätsstädten liegen die Sachwertfaktoren - aktuell zum Teil deutlich - über dem Faktor 1,0, was gleichbedeutend eine Erhöhung des Sachwerts zur Folge hätte.

Einzelfallbetrachtung bei Modernisierungen

Generell sind Modernisierungen im Allgemeinen und energetische Modernisierungen wertrelevant, weil sich der Gebrauchswert der Immobilie verbessert und die Lebensdauer des Gebäudes (Restnutzungsdauer) steigt. Doch inwieweit akzeptiert dies der Markt in Form höherer Preise? Das hängt, wie die Anpassung des Sachwerts nach der Immo-WertV an die örtlichen Marktverhältnisse gezeigt hat, stark vom Einzelfall ab.

Zu beachten ist, dass im Gesamtaufwand einer energetischen Sanierung auch immer anteiliger Erhaltungsaufwand enthalten ist. Die halbstaatliche Deutsche Energieagentur (Dena) macht darauf aufmerksam, dass in den Kosten bei energetischen Sanierungen auch immer Kostenanteile für Erhaltungsaufwände enthalten sind, die keinen werterhöhenden Charakter haben. Deshalb lassen sich Neubaukosten auch nicht mit Kosten von Wohnwertverbesserungen und energetischen Sanierungen vergleichen. Fachleute gehen davon aus, dass die Kosten für die Maßnahmen im Bestand etwa um das 1,5- bis 2,5-fache über denen eines Neubaus liegen.

Es ist zu erwarten, dass sich energetisch modernisierte Gebäude und Wohnwertverbesserungen im Laufe der Zeit zum Nachfragestandard am Markt entwickeln werden, sodass Gebäude ohne diesen Standard Absatz- und Preisprobleme bekommen, sofern sie nicht in guten Lagen sind. Auf jeden Fall werden Heizkosten in Größenordnungen von 700 bis 1 000 Euro und mehr jährlich eingespart. Bezogen auf einen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren kommen da erhebliche Beträge zusammen.

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