Umkehrhypothek

Wertermittlungen im Rahmen von Reverse-Mortgage-Produkten

Die Herausforderungen für Immobilienwertermittlungen im Rahmen von Reverse-Mortgage-Produkten sind erheblich. Im Spannungsfeld zwischen hohen Risiken für den Kreditgeber bei zu optimistischer Betrachtung und einem Produktkiller bei allzu restriktiven Wertprognosen gilt es, einen auf die zukünftige Marktentwicklung für Gebrauchtimmobilien ausgerichteten sachgerechten Wert zu ermitteln.

Methodenwahl entscheidet

Sofern auf eine Beleihung von Vermögenswerten als Grundlage für eine dingliche Absicherung abgestellt wird, ist die Methodenwahl für die Wertermittlung entscheidend. Das Wesen der Produktgruppe besteht in einer langfristigen Nutzung der eigenen Immobilie, sodass bei Vertragsabschluss kein Kaufpreis erzielt wird, um einen konkreten Marktwert zu ermitteln.*)

Als Alternative zur Vergleichswertmethodik könnte die Ertragswertmethode dienen. Dies ist allerdings mindestens für das Ein- und Zweifamilienhaussegment nur bedingt mit der aktuellen Nutzungsmentalität in Deutschland vereinbar. Es steht die Eigennutzung im Mittelpunkt des Interesses. Dies spricht zurzeit für eine Bewertung nach der Sachwertmethode und wird im Folgenden auch nur betrachtet.

Besondere Bedeutung erhält die erwartete Wertentwicklung, weil ein sukzessiver Wertverlust des Gebäudes aufgrund des zunehmenden Alters erfolgt. In diesem Zeitraum findet somit eine erhebliche Wertminderung statt, dem ein steigendes Risiko der Gläubiger in den letzten Jahren bis zur Vollinanspruchnahme entgegensteht.

Die Faktoren der Wertermittlung

Der Wert in der Zukunft: Zwei wesentliche Einflussfaktoren sind bei einer Wertermittlung auf die Zukunft festzulegen beziehungsweise möglichst exakt zu bestimmen. Zum einen ist der Zeitpunkt, auf den der Wert berechnet werden soll, festzulegen. Hierbei haben die Risikobereitschaft des Gläubigers oder die formalen Vorgaben zur Wertfindung einen wesentlichen Einfluss. Aufgrund bisher fehlender Festlegungen beziehungsweise gesetzlicher Regeln kann theoretisch jeder Zeitpunkt zugrunde gelegt werden, so auch eine Endlaufzeit von 110Lebensjahren des Kreditnehmers, sofern die technische Restnutzungsdauer des Gebäudes dies zulässt.

Dies würde aber die Prognosenunsicherheit so erheblich erhöhen, dass es "einem Blick in die Glaskugel" gleich käme. Vieles spricht für eine Wertprognose auf das Jahr der rechnerischen Lebenserwartung des Kreditnehmers nach den Generationensterbetafeln. Eine dezidierte Auseinandersetzung mit den Argumenten für und gegen diesen Zeitpunkt würde den Rahmen dieses Textes sprengen, wird aber die weitere Fachdiskussion herausfordern.

Zum anderen besteht die Herausforderung in der Berücksichtigung einer möglichst kleinräumigen differenzierten Wertentwicklungsdarstellung für unterschiedliche Zeiträume. Dies kann durch gutachterliche Unterstützung erfolgen. Dabei sind die wesentlichen Einflussfaktoren zu bestimmen, deren wahrscheinliche Entwicklung zu prognostizieren und in einem aussagefähigen Wertentwicklungsmodell zusammenzuführen. Darüber hinaus empfiehlt sich eine expertenbasierte Verprobung der errechneten Werte. Ein empirischer Soll/lst-Abgleich in den Folgejahren ist unverzichtbar, um frühestmöglich eine Anpassung für Neugeschäfte vornehmen zu können.

Regionalfaktoren: Auf Basis der Anschaffungs- und Herstellungskosten ist die Berücksichtigung der Regionalfaktoren unerlässlich, um Marktsituationen adäquat wiedergeben zu können.

Risikoabschläge: Verschiedene Aspekte machen eine pauschale Risikobetrachtung notwendig. Neben der prognostischen Unsicherheit der Wertentwicklung können die tatsächlichen Rückzahlungszeitpunkte nach den statistischen Lebenserwartungszeitpunkten liegen und somit weitere - gegebenenfalls negative - demografisch begründete Wertentwicklungseinflüsse vorherrschen, die vorab nicht quantifizierbar sind.

Zum Zeitpunkt der Vollinanspruchnahme des Darlehens kommt der Instandhaltungsaufwendung eine besondere Bedeutung zu, um eine planmäßige Wertentwicklung zu gewährleisten. Risiken können aus der entweder nicht zeitgerechten oder fachgerechten Instandhaltung erwachsen, die ebenfalls einer pauschalen Betrachtung zuzuführen sind.

Instandhaltungen: Unterlassene Instandhaltungen können infolge des auftretenden Reparaturstaus zum beschleunigten Wertverlust führen. Die Bewertungsmethode unterstellt zunächst, dass die notwendigen Instandhaltungen erfolgen. Sofern die wirtschaftliche Potenz des Kreditnehmers dies bezweifeln lässt, muss dies im Rahmen der Produktstruktur (zum Beispiel Wertreserven zur Ermöglichung von Einmalzahlungen für Instandhaltungen) geregelt werden. Kontrolle Instandhaltung: Grundsätzlich besteht die Gefahr von unterlassenen Instandhaltungen aufgrund der möglichen zunehmenden Interessenlosigkeit der Bewohner. Von Bedeutung wird dies ab einer Inanspruchnahme von zirka zwei Dritteln des Kreditbetrages, da ab diesem Zeitpunkt den ausgezahlten Beträgen kein entsprechender Sachwert mehr gegenübersteht. Regelmäßige stichprobenartige Kontrollen (zum Beispiel zehn Prozent jährlich) sollten im Produktkonzept kalkuliert werden.

Grundstückswerte: In demografisch stabilen beziehungsweise prosperierenden Gebieten ist eine Beleihung des reinen Grundstückswertes (gegebenenfalls abzüglich Abbruchkosten) ein aus Sicht des Gläubigers hinreichend stabiler Wert. Bei Immobilien mit Erbbaurechtsvereinbarungen und Eigentumswohnungen kommt somit der möglichen Restnutzungsdauer der Gebäudeteile eine hohe Bedeutung zu, da eine "natürliche" Wertuntergrenze für diese Immobilie in Form eines hinreichenden Grundstückswertes nicht existiert.

Barrierefreiheit: Der Produktart systemimmanent ist die Nutzung der Immobilie in Lebensphasen, in denen die Barrierefreiheit der Immobilie Nutzungsvoraussetzung sein kann. Somit sind die beleihbaren Immobilien diesbezüglich zu selektieren. Für nicht dementsprechende Objekte wäre es möglich, eine Umbaurücklage nachzuweisen beziehungsweise als Reserve im Beleihungswert zu berücksichtigen.

Systematik der Wertentwicklungsberechnung

Der aktuelle Wert wird durch das Verfahren der Anschaffungs- und Herstellungskosten ermittelt, wobei das tatsächliche oder fiktive Alter des Gebäudes unter Berücksichtigung bisher durchgeführter Modernisierungen für die Sachwertermittlung als Ausgangspunkt für die Ermittlung der Restnutzungsdauer dient. Hinzu gerechnet wird der aktuelle Bodenwert. Um regionale Besonderheiten zu berücksichtigen, werden je nach Standort der Immobilie regionale Abschläge vorgenommen.

Auf den sich hieraus ergebenden Wert, werden die Wertveränderungsraten für den Standort (gerechnet von Antragstellung bis rechnerisch erwarteter Lebenserwartung) zugeschlagen sowie der rechnerische Wertverlust für den gleichen Zeitraum auf den Gebäudeanteil abgezogen.

Von dem sich so ergebenden Wert sind pauschale Abschläge vorzunehmen, um den beleihbaren Wert zu erhalten. Sofern betraglich kleinere Vorlasten existieren, sind diese Beträge abzuziehen.

Abgleich mit bestehenden Regelungen

Aktuell sind Sachwerte für die Beleihungswertermittlung gemäß BelWertV und PfandBG zu ermitteln, sofern das zu besichernde Objekt für den Kreditgeber eigenkapitalrelevant berücksichtigt werden soll, wobei der planmäßige Wertverlauf des Objektes laufend zu überprüfen ist. Spekulative Elemente sind nicht zu berücksichtigen. Eine Marktwertermittlung gemäß ImmoWertV ist für eine auf den Herstellungskosten basierende Wertermittlung als Grundlage der Besicherung eines Objektes daher nicht geeignet.

Im Kern der Wertermittlung für das neue Produkt steht die langfristige perspektivische Betrachtung der Wertentwicklung, die aufgrund der zu prognostizierenden Marktentwicklung zwangsläufig Unwägbarkeiten enthält. Es werden in der Regel bei Weitem nicht alle für die zukünftige Entwicklung relevanten Faktoren einfließen können, da sie zum Zeitpunkt der Prognose nicht abschätzbar sind. Als Beispiel seien der zukünftige energetische Standard von Neubauten, die Energiepreisentwicklung und der sich rasant verändernde Standard in der Informationstechnologie und der Gebäudetechnik und-automatisierung genannt.

Sofern man sich als Konsequenz hieraus von der Ermittlung eines Sachwertes für den Gebäudeanteil des Objektes lösen würde, könnte ein fiktiver Rohbauwert zuzüglich eines hinreichend konservativ prognostizierten Grundstückswertes die Basis für eine Besicherung der Immobilie bilden. Weitere Beleihungsspielräume am Gebäude zugunsten des Darlehensnehmers können zwar mit Hilfe einer Marktprognose grob abgeschätzt werden, müssen aber aufgrund der bestehenden gesetzlichen Situation mit einem separaten Risikofaktor im Produkt berücksichtigt werden. In der Wertermittlung des Objektes gemäß BelWertV sind sie derzeit nicht darstellbar.

*) Es kann ausschließlich ein Marktwert auf Basis des Vergleichswertverfahren ermittelt werden, in dem ein Objekt mit gleichen Eigenschaften (des zu beleihenden Objektes zum Zeitpunkt der Fälligkeit) in die Zukunft projiziert wird.

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