IMMOBILIENFINANZIERUNG

IMMOWERTV 2021 - WENIG GRUNDLEGENDES, ABER DER TEUFEL STECKT IM DETAIL

Andreas Habath, Foto: Fio Systems

Auf den Bücherregalen von Immobilien-Sachverständigen geht es seit Kurzem vermutlich deutlich übersichtlicher zu. Denn im Zuge der zum 1. Januar 2022 in Kraft getretenen Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) wurden gleich sechs bislang eigenständige Regelwerke vereint. Was nach einer radikalen Abkehr vom bisherigen Status quo klingt, erweist sich bei genauerem Hinsehen als ziemlich überschaubar. Der Autor des vorliegenden Beitrags erörtert die wichtigsten Änderungen. Sein Credo: Auch wenn sich die Neuerungen in Grenzen hielten, sollten sie nicht unterschätzt werden. Red.

Zum 1. Januar 2022 trat die Novellierung der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV 2021) in Kraft. Die nach Änderungen des Bundesrats im Juli letzten Jahres beschlossene Gesetzesnovelle soll sicherstellen, dass die gesamte Immobilienermittlung zukünftig nach bundesweit einheitlichen Grundsätzen erfolgt.

Zusammenführung von sechs Einzelrichtlinien

Auch wenn die Neuerungen nicht so umfassend sind, wie manch einer befürchtet hat, steckt wie so oft der Teufel im Detail. Die Gefahr, dass sich besonders in der Übergangsphase etliche Fehler einschleichen, sollte daher nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Die neue ImmoWertV 2021 vereint seit dem Jahreswechsel die bis dato geltenden Verordnungen ImmoWertV 2010, Bodenrichtwertrichtlinie (BRW-RL), Sachwertrichtlinie (SW-RL), Vergleichswertrichtlinie (VG-RL), Ertragswertrichtlinie (EW-RL) sowie Teile der Wertermittlungsrichtlinie 2006 in einem Gesetz.

Grundsätzlich kann die Zusammenführung der sechs Einzelrichtlinien als lobenswertes Vorhaben gesehen werden. Dadurch wird im besten Fall etwas Licht in den Verordnungsdschungel gebracht und für mehr Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit in der Verkehrswertermittlung gesorgt.

Neu dabei ist, dass die Verfahrenswege zur Wertermittlung weiter harmonisiert wurden, sodass noch klarer wird, dass Ertragswert-, Vergleichswert- sowie das Sachwertverfahren das gleiche Ziel haben, den Verkehrswert zu schätzen. Für weitere Hinweise bei der Immobilienbewertung, die jedoch keinen Regelungscharakter besitzen, sollen im Laufe des Jahres die ImmoWertV-Anwendungshinweise beschlossen werden.

Diese sind jedoch nicht Gegenstand des Kabinettsbeschlusses über die Novellierung der ImmoWertV. Ein Entwurf dazu wurde bereits im Dezember 2021 vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen herausgegeben. Sobald dieser die entsprechenden Gremien durchläuft, soll im Herbst dieses Jahres zumindest eine Beschlussfassung vorliegen, die dann als Muster für die Erlasse der jeweiligen Bundesländer gelten wird.

Anpassungen bei der Gesamtnutzungsdauer

Abgesehen von der Zusammenlegung der sechs geltenden Verordnungen treten jedoch wenig grundlegende Änderungen auf. Selbst das zuständige Bundesinnenministerium sagt zur Novellierung daher, dass "inhaltliche Änderungen gegenüber den bisherigen Vorgaben [...] nur in sehr beschränktem Umfang vorgesehen" seien. Vor allem in Sachen Berechnungsmethodik halten sich die Neuerungen in Grenzen.

Allerdings sollten die gegenwärtigen Änderungen nicht unterschätzt werden. Anpassungen wurden vor allem bei der Gesamtnutzungsdauer von Gebäuden festgelegt. Galten bisher bei Ein-, Zwei- oder Mehrfamilienhäusern sowie Doppel- oder Reihenhäusern der von der jeweiligen Standardstufe abhängige Orientierungswert von 60 bis 80 Jahren, wurde in der Novellierung ein verbindlicher Fix-Wert von 80 Jahren für die jeweiligen Häusertypen festgelegt.

Das vereinheitlicht und vereinfacht die Immobilienbewertung von Wohnhäusern. Hier gilt jedoch besondere Vorsicht, da diese Umstellung direkt in die Modellkonformität eingreift und daher erhöhtes Fehlerpotenzial bereithält.

Geänderte Anwendung der Alterswertminderung

Weitere Neuerungen des Gesetzes umfassen unter anderem die geänderte Anwendung der Alterswertminderung und die Wiedereinführung des Regionalfaktors mit besonderem Grund. Wurde bei Erstgenannter die lineare Wertminderung bisher nur im Regelfall angewandt, ist die Nutzung ab diesem Jahr verpflichtend.

Ebenfalls neu daran ist, dass anstatt eines prozentualen Abschlags nunmehr ein Alterswertminderungsfaktor anzusetzen ist. Zwischen den beiden herrscht eine mathematische Identität und nur das "Wording" spielt bei der Anwendung eine Rolle.

Etwas umfangreicher sind die Änderungen zur Berechnung der Restnutzungsdauer ausgefallen, wenn eine Modernisierung berücksichtigt werden muss. In der Regel kann bei modernisierten Objekten von einer fiktiven Restnutzungsdauer von bis zu 70 Prozent ausgegangen werden.

Ausnahme sind dabei kernsanierte Objekte, bei denen die Restnutzungsdauer bis zu 90 Prozent der Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren betragen kann. Für die Errechnung muss demnach ein fiktives Alter für das Objekt zugrunde gelegt werden. Dieses ergibt sich aus der Differenz des Stichtages der Wertermittlung minus des fiktiven Baujahres (Jahr der Kernsanierung gemindert um 10 Prozent der Gesamtnutzungsdauer).

Beispielhaft kann hier ein Einfamilienhaus mit dem Baujahr 1890 genommen werden, das im Jahr 2010 vollständig kernsaniert wurde. Der Wertermittlungsstichtag war im Jahr 2015. Das fiktive Baujahr ist in diesem Fall 2002 (2010 - ((80/100)*10)). Subtrahiert man dieses Ergebnis von 2015, erhält man ein fiktives Alter von 13 Jahren. Das fiktive Alter muss dann nur noch von der Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren abgezogen werden, sodass sich für die beispielhafte Immobilie eine Restnutzungsdauer von 67 Jahre ergibt.

20 Modernisierungsgrade bleiben erhalten

Neben einer Kernsanierung können außerdem noch Modernisierungsmaßnahmen die Restnutzungsdauer einer Immobilie beeinflussen. Das ist allerdings keine Neuerung durch die Novellierung. Schon in der früheren ImmoWertV 2010 gab es die 20 bekannten Modernisierungsgrade.

Zwar bleiben die Modernisierungsgrade 1 bis 20 in der Novellierung gleich, die Spannen unter welchen Grad eine Immobilie fällt, ändern sich jedoch. So galten beispielsweise Objekte mit einem Modernisierungsgrad von 13 bisher als "überwiegend modernisiert".

Seit Jahreswechsel fallen in diese Kategorie Immobilien mit einem Modernisierungsgrad zwischen 11 bis 17. Neu ist dabei, dass neben der differenzierten Ermittlung der modernisierten Elemente, auch eine sachverständige Schätzung des Modernisierungsgrades erfolgen kann.

Wiedereinführung des Regionalfaktors

Zusätzlich wurde der eingangs angesprochene Regionalfaktor durch die Novellierung wieder eingeführt. War mit Ratifizierung der Sachwertrichtlinie im Jahr 2012 die Modifizierung der Normalwertherstellungskosten (NHK) durch einen ebensolchen Regionalfaktor nicht mehr möglich, wird dieser seit Jahresbeginn wieder angewandt und in die Rechnung aufgenommen.

Solange die Regionalwerte jedoch noch von den Gutachterausschüssen festgelegt werden, werden sie in der Wertermittlung mit 1,0 angegeben. So kann der Regionalfaktor laut Novellierung Anwendung finden, wenn eine Anpassung der durchschnittlichen Herstellungskosten für eine Immobilie vorgenommen werden muss.

Auf diese Weise soll der Unterschied zwischen dem bundesdurchschnittlichen und dem regionalen Baukostenniveau ausgeglichen werden, wenn diese zu weit auseinanderliegen. Eine entsprechende Sicherstellung erfolgt durch die zuständigen regionalen Gutachterausschüsse, indem diese über die Anwendung von Fall zu Fall entscheiden.

Aufwendige Übergangsphase

Grund für die Wiedereinführung ist, dass das bisher verwendete Sachwertverfahren in der Praxis nur schwer vermittelbar ist, wenn eine Anpassung an den regionalen Grundstücksmarkt nur bei ausreißenden Sachwertfaktoren möglich war. Die Normalherstellungskosten (NHK) werden in der Novelle nicht angepasst und beziehen sich weiterhin auf das Basisjahr 2010. Der Bundesrat fordert eine solche Anpassung bis 2024.

Gerade die Übergangsphase ist für Makler also besonders aufwendig, da gewohnte Abläufe und bekannte Berechnungsmethoden angepasst werden müssen. Digitale Maklertools können in dieser Zeit sehr hilfreich sein, wenn sie beispielsweise die Marktpreiseinschätzungen gemäß den neuen Regelungen vollumfänglich integrieren.

So können sich Makler darauf verlassen, dass die neuen Normen und Wertregelungen automatisiert in einer Softwarelösung ablaufen und haben mehr Zeit, sich um die Kundenbetreuung zu kümmern.

Andreas Habath , Projekt- und Vertriebsleiter, FIO SYSTEMS AG, Leipzig
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