Recht und Steuern

Eigenbedarf kontra Pflegebedürftigkeit

Darf einem pflegebedürftigen, alten Mieter wegen Eigenbedarfs gekündigt werden? Mit diesem Problem hatte sich das Landgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 2-11 S 110/11 auseinanderzusetzen. Geklagt hatte der Vermieter, der 1996 eine Eigentumswohnung erworben hatte, in der ein 84-jähriger Mieter seit 1971 lebt. Dieser ist zudem multipel erkrankt, schwerbehindert und pflegebedürftig. Die Schwerbehinderung beruht auf einem vor 34 Jahren erlittenen Darmkrebs. Aufgrund eines Bandscheibenvorfalls besteht eine Gehbehinderung. Infolge eines Rückenmarkinfarkts ist die linke Hand gelähmt; aktuell beginnt die rechte Hand steif zu werden. Der Pflegedienst wird von seinem Sohn, der ebenfalls in der Wohnung lebt, erbracht.

Das Gericht hat die Eigenbedarfskündigung als wirksam erachtet und die Entscheidung auf folgende Umstände gestützt: Die Größe der derzeit vom Kläger angemieteten Wohnung betrage nur 54 Quadratmeter. Dies sei für die Eheleute und ihre beiden Kinder nicht ausreichend, während die streitgegenständliche Wohnung mit einer Größe von 68 Quadratmetern erheblich größer und damit geeignet sei, den Kindern eine bessere Entwicklung zu ermöglichen. Die Wohnung befinde sich darüber hinaus in der Nähe der Schule der beiden Kinder und der Weg zur Arbeit habe sich für den Kläger verkürzt. Die Nutzung der eigenen Wohnung trage darüber hinaus zu einer Verbesserung der finanziellen Verhältnisse bei. Der Vermieter sei nicht in der Lage, eine vergleichbare Wohnung anzumieten.

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen aus, dass es nicht verkenne, dass das hohe Lebensalter des Mieters, die lange Wohndauer und insbesondere die gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein besonderes Interesse am Fortbestand des Mietverhältnisses begründe und dessen Beendigung deshalb eine erhebliche Härte für den Mieter darstelle. Bei einer Abwägung des Interesses des Klägers an der Erlangung der Wohnung und des Interesses des beklagten Mieters am Fortbestand des Mietverhältnisses überwiege jedoch das Interesse des Klägers, sodass das Bestandsinteresse des Mieters zurücktreten müsse. Dabei habe das Gericht insbesondere berücksichtigt, dass der vom klagenden Vermieter gewünschte Umzug in die eigene Wohnung für die weitere Entwicklung seiner beiden Kinder förderlich sei. Dagegen sei das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangt, dass ein Umzug des Mieters zu einer drastischen dauerhaften Verschlechterung seiner Lebenssituation beziehungsweise einer akuten Gefährdung seiner Gesundheit oder gar seines Lebens führe.

Trotz seines Alters und der erheblichen Leiden (die zum Teil schon seit Jahrzehnten bestehen) sei der beklagte Mieter noch ausreichend mobil und orientiert, sodass ihm ein Umzug in ein geeignetes Wohnumfeld zumutbar sei. Um die Härte abzufedern, die der Umzug für den Beklagten bedeute, sei es angemessen, die bereits in erster Instanz gewährte Räumungsfrist nochmals um zwei Monate zu verlängern. (IVD Süd)

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