Recht und Steuern

Voraussetzung für eine Verwertungskündigung

Der Eigentümer einer im vermieteten Zustand unrentablen, unverkäuflichen Immobilie darf dem Mieter kündigen, wenn dadurch die Liegenschaft verkaufsfähig wird. Dieses geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Juni 2011 hervor.

Zum Sachverhalt: Die beklagte Mieterin mietete 1953 von einem volkseigenen Betrieb der ehemaligen DDR ein in staatlicher Verwaltung stehendes Einfamilienhaus. Nach Beendigung der staatlichen Verwaltung mit Ablauf des Jahres 1992 traten die Kläger in ungeteilter Erbengemeinschaft nach dem ehemaligen Eigentümer in das Mietverhältnis ein.

Sie kündigten das Mietverhältnis mit der Begründung, sie beabsichtigten, das verlustbringende Mietobjekt zum Zweck der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu veräußern; daran seien sie durch den Fortbestand des Mietverhältnisses gehindert. Das Amtsgericht Potsdam hat die Klage unter dem Aktenzeichen VIII ZR 226/09 abgewiesen, das Landesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die vom Berufungssenat zugelassene Revision hatte Erfolg.

Der BGH ist der Ansicht, das Berufungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Beurteilung der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand eines Mietvertrags ein erheblicher Nachteil im Sinne des § 573 II Nr. 3 BGB entstehe, vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums und damit des grundsätzlichen Bestandsinteresses des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, vorzunehmen sei. Das Eigentum gewähre dem Vermieter vor diesem Hintergrund keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen. Auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung sei nämlich Eigentum im Sinne von Art. 14 I 1 GG und deshalb grundgesetzlich geschützt. Auf der anderen Seite dürften die dem Vermieter entstehenden Nachteile jedoch keinen Umfang annehmen, der die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen.

Entgegen der vom Berufungsgericht unter Verweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vertretenen Meinung sei ein erheblicher Nachteil nicht schon deshalb zu verneinen, weil der Vermieter das vermietete Grundstück im Erbgang erworben hat und sich der Verkehrswert des Objekts seither nicht verschlechtert habe.

Mit dieser Sichtweise verkürzte das Berufungsgericht die erforderliche Abwägung und Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls auf die Fragestellung, ob seit dem Erwerb des Objekts durch den jetzigen Vermieter eine Verschlechterung des Verkehrswerts oder der Rentabilität eingetreten sei. Zu Recht habe die Klägerseite gerügt, dass das Berufungsgericht das Vorbringen der Kläger zur Unverkäuflichkeit des Grundstücks in vermietetem Zustand für unsubstanziiert gehalten habe.

Die Kläger hatten sich keineswegs pauschal auf eine generelle Unverkäuflichkeit des Grundstücks berufen, sondern schlüssig und unter Beweisantritt vorgetragen, dass als Käufer für das Einfamilienhaus von seinem Zuschnitt her nur ein "Normalverdiener" in Betracht komme, der es selber nutzen möchte. Ein solcher Kaufinteressent müsse aber für die Verwirklichung einer Eigenbedarfskündigung mehrere Jahre einkalkulieren und werde deshalb vom Kauf Abstand nehmen, sodass das Objekt praktisch unverkäuflich sei. Hierüber habe sich das Berufungsgericht nicht mit generalisierenden Überlegungen zur grundsätzlichen Möglichkeit einer Eigenbedarfskündigung eines potenziellen Erwerbers hinwegsetzen dürfen und folgerichtig geschlussfolgert.

(IVD Süd)

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