Wohnungswesen

Was bewegt die Wohnungswirtschaft?

Die deutsche Wohnungswirtschaft sieht sich deutlich gestiegenen Anforderungen bei der Kreditvergabe ausgesetzt und reagiert ihrerseits mit einer insgesamt kritischeren Haltung gegenüber der Kreditwirtschaft. Das ist eine der Erkenntnisse, die eine Umfrage unter 2200 Wohnungsunternehmen in Deutschland im Frühjahr 2010 zutage förderte.

Die Inwis Forschung und Beratung GmbH aus Bochum hatte im Auftrag der WLBank einen Fragebogen entwickelt, der sich in Teilen an der gemeinsam durchgeführten Befragung im Jahr 2006 anlehnte, vor allem aber nach aktuellen Befindlichkeiten und Themen der Branche fragte. Zu den Teilnehmern zählen Wohnungsgenossenschaften und -gesellschaften aus dem gesamten Bundesgebiet mit Beständen von unter 500 bis über 10000 Wohnungseinheiten, das heißt Unternehmen aller Größenordnungen. Die hohe Rücklaufquote von fast 20 Prozent liefert belastbare Daten für repräsentative Ergebnisse.

Gestiegene Informationsanforderungen

Die Gretchen-Frage der Wohnungswirtschaft an die Kreditinstitute ist die sogenannte "Kreditklemme". Gibt es sie wirklich? Die Antwort ist längst nicht so eindeutig wie vermutet: Zwar meint fast die Hälfte aller Befragten, dass die Zinsen für ihre Kredite gestiegen seien

(während 15 Prozent sogar eine Zinssenkung registrieren), dennoch nehmen über zwei Drittel der Befragungsteilnehmer eine gleichbleibende oder verbesserte Ausgangslage bei der Kreditaufnahme wahr. Ganz ähnliche Erkenntnisse hat der GdW aus einer aktuellen Umfrage bei seinen Mitgliedsunternehmen gewonnen: Auch dort sehen rund 70 Prozent der Befragten keine aktuellen Auswirkungen der Finanzkrise auf ihre Unternehmensfinanzierung.

Bei der Beantwortung dieser Frage sind in der Inwis-Befragung einige regionale Abweichungen erkennbar: Die meisten positiven Einschätzungen gibt es in Berlin und Brandenburg, wo sich für mehr als ein Zehntel der befragten Unternehmen die Bedingungen zur Kreditaufnahme verbessert und für weitere zwei Drittel nicht verändert haben. Während in Nordrhein-Westfalen etwa ein Drittel der Teilnehmer verschlechterte Bedingungen konstatiert, ist es in Bayern nicht mal ein Fünftel.

Entsprechend empfinden im Schnitt 30 Prozent der Befragten, dass die Anforderungen an den (potenziellen) Kreditnehmer gestiegen seien. Das gilt insbesondere für die Anforderungen in Bezug auf Kreditsicherheiten und die Offenlegung von Geschäftszahlen. Rund ein Drittel der Teilnehmer hat außerdem strengere Maßstäbe bei den Anforderungen an die Offenlegung von Unternehmensstrategien und an die Dokumentation der Investitionsvorhaben wahrgenommen. In keiner Kategorie gab es Befragte, die ein Sinken der Anforderungen erlebt hatten. Eine Ausnahme bildet die Bearbeitungsdauer der Kreditanträge, die sich nur für ein Viertel der Teilnehmer verlängert hat und für immerhin 3,5 Prozent sogar verkürzt.

Als Folge der generell gestiegenen Anforderungen befürchten die Unternehmen vor allem einen erhöhten bürokratischen Aufwand und damit verbunden eine allgemeine Verzögerung ihrer Vorhaben. Auch Schwierigkeiten bei Umschuldungen und Prolongationen werden erwartet. Dass die Unternehmen den Anstieg der Anforderungen so genau belegen und an Einzelaspekten festmachen, lässt vermuten, dass damit keine Entwicklung nur der vergangenen zwölf Monate beschrieben wird.

Wahrscheinlicher ist, dass die Anforderungen zu einem beträchtlichen Teil bereits mit den erhöhten MaRisk nach Basel II gestiegen sind. Wirtschaftliche Auswirkungen der Finanzkrise sind dagegen in der Wohnungswirtschaft (noch) wenig zu spüren. Auf die Ratings der Unternehmen und damit auf deren Finanzierungsbedingungen haben sie bisher wenig Einfluss genommen. Entscheidend für die ökonomische Zukunft der Branche wird eher die Zinsentwicklung der kommenden Jahre sein.

Bestandssicherung höherer Stellenwert als Neubau

Die Unternehmensbefragung befasst sich aber nicht ausschließlich mit den Auswirkungen der Finanzkrise auf die Wohnungswirtschaft. Auch Fragen nach der Entwicklung der Wohnungsbestände wurden gestellt. Besonders im Themengebiet Energieeffizienz zeigt sich, dass Sanierung und Bestandssicherung für die meisten wohnungswirtschaftlichen Unternehmen einen höheren Stellenwert haben als der Neubau von Wohnungen.

Zugleich bestätigte sich, dass die energieeffiziente Sanierung auf lange Sicht als notwendig erachtet, jedoch unter Maßgabe der Wirtschaftlichkeit geplant wird. Das Interesse an den verschiedenen Kfw-Effizienzstandards variiert daher deutlich in Abhängigkeit von der Unternehmens- beziehungsweise Bestandsgröße, aber ebenso von der regionalen Lage und den durch sie bestimmten wirtschaftlichen Bedingungen. Denn die Höhe des Energieverbrauchs macht zwar einen wesentlichen Teil der Produktattraktivität aus, aber er ist nicht der einzig bestimmende Parameter. Lage einer Immobilie und die Attraktivität des Standortes haben ebenfalls einen wesentlichen Einfluss auf Vermarktungsfähigkeit der Immobilie.

Auch der demografische Wandel und seine Folgen für die Wohnungswirtschaft bilden sich in der Befragung ab, wenn etwa das Interesse an seniorengerechter Modernisierung von 86 Prozent der Unternehmen als ein wichtiges Thema der Zukunft definiert wird.

Etwa ein Fünftel der Befragten kann sich für die Zukunft vorstellen, das Thema Bestandsverkäufe anzugehen. Generell variieren Interesse und geplanter Umfang je nach Unternehmensgröße und -form. Für rund zwei Drittel der Teilnehmer ist das Thema jedoch nicht interessant, da sie darin keine wirtschaftlichen Potenziale für ihr Unternehmen sehen.

Kundenbindung wichtiger als Konditionen

Im zweiten Teil der Befragung wurden die Unternehmen nach ihren allgemeinen Ansprüchen an die Leistungen eines Kreditinstitutes gefragt. Einige der dazu angesprochenen Themen waren bereits im Herbst 2006 in einer ähnlich gelagerten Befragung untersucht worden. Wichtigstes Ergebnis im Vergleich: Trotz Finanzmarkt- und daraus resultierender Weltwirtschaftskrise haben sich die Anforderungen der Wohnungswirtschaft an die Banken nicht qualitativ verändert. Was den Unternehmen damals wichtig war, hat durch die Ereignisse seit 2008 nicht wesentlich an Bedeutung verloren.

Erstaunlicherweise sind die Konditionen der Kreditaufnahme zwar ein wichtiges, aber beileibe nicht das wichtigste Kriterium bei der Entscheidung für einen bestimmten Anbieter. Stattdessen liegt der Fokus offenbar auf der Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit der angestrebten Beziehung: So wurde auf die Frage nach den allgemeinen Ansprüchen an Kreditinstitute von fast 95 Prozent der Befragten angegeben, dass es ihnen wichtig bis sehr wichtig sei, dass ihr

Kreditportfolio nicht an Dritte veräußert wird. Im Vergleich zu 2006 hat die Bedeutung dieses Kriteriums noch einmal zugenommen, was sich aus der Zunahme der Portfolioverkäufe in 2006 und 2007 leicht erklären lässt.

Für über 90 Prozent der teilnehmenden Unternehmen muss die Bank ausdrücklich ein "dauerhafter und zuverlässiger Partner" der Wohnungswirtschaft sein, der unternehmensspezifische Sachverhalte zu berücksichtigen weiß. Fast ebenso viele der Befragten halten es für wichtig bis sehr wichtig, dass die Bank offen über das Rating des Unternehmens kommuniziert. 2006 war dies vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um die Folgen von Basel II auch für die Wohnungswirtschaft sogar noch etwas wichtiger eingeschätzt worden. Hier hat die verbesserte Kommunikations-Praxis zumindest einiger Institute offenbar für ein Nachlassen der Relevanz-Einstufung gesorgt.

Fünf Sechstel finden es wichtig und sehr wichtig, dass ihnen die Strategie des Kreditinstitutes bezüglich des Geschäftsfeldes Wohnungswirtschaft bekannt ist. Erst danach wurden die individuelle Gestaltung und die Verhandelbarkeit von Konditionen genannt.

Unabhängig von den angebotenen Konditionen steht als wichtigstes Kriterium für die Auswahl eines Kreditinstitutes seine "Zuverlässigkeit" an vorderster Stelle. Gut ein Viertel der Befragten nannten diese Qualität als Entscheidungskriterium Nummer 1. Eigentlicher Sieger ist aber die von der Bank geleistete "Qualität der Betreuung", die von insgesamt 70 Prozent auf einem der ersten drei Plätze gesetzt wurde.

Gestiegene Loyalität und hohe Zufriedenheit

Insgesamt scheint die Zufriedenheit der Kunden mit ihren Kreditinstituten recht groß zu sein. Über einen möglichen Wechsel des derzeitigen Hauptfinanzieres denkt nur jedes zehnte Unternehmen nach, für alle übrigen ist ein Wechsel im Lauf der nächsten zwei Jahre nicht geplant.

Mit drei Viertel der Befragten beabsichtigen 2010 deutlich mehr Unternehmen als 2006 (68 Prozent), die Anzahl ihrer kreditgebenden Institute beizubehalten. Ein Teil der befragten Unternehmen möchte - mehrheitlich aus Gründen der , ,Vereinfachung, Bündelung, Übersichtlichkeit" - die Anzahl der kreditgebenden Institute reduzieren. Nur fünf Prozent streben eine Erhöhung der Anzahl an, um die Abhängigkeit von nur einem Institut zu vermeiden oder um eine verbesserte Risikostreuung sicherzustellen.

Kontinuität zeichnet die Wohnungswirtschaft auch bei der Produktnutzung aus: Im Vergleich zu 2006 werden erneut Kapitalmarktdarlehen mit bis zu zehn Jahren Zinsbindung am häufigsten genutzt. Mit etwas Abstand folgen vergleichsweise häufig KfW-Darlehen.

Die Ergebnisse der Befragung spiegeln in hohem Maß die aktuellen Diskussionen in der Wohnungswirtschaft wieder. Neben den aktuellen Themen wie Finanzmarktkrise, demografischer Wandel und energetische Modernisierung/Neubau ist deutlich geworden, dass die Wohnungswirtschaft ein starkes Augenmerk auf die Ausgestaltung der Beziehung zu ihren Finanzierungspartnern legt. Auch deshalb hat die Befragung für die WLBank hohe Relevanz, weil die durch sie gewonnenen Informationen die sichere Basis für eine kompetente und partnerschaftliche Geschäftsbeziehung mit der Branche bilden. Der damit verbundene Aufwand ist aus Sicht der Pfandbriefbank daher nicht nur sinnvoll, sondern notwendig.

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