Blickpunkte

Vertrauenskrise Singen im Dunkeln?

Die Begründung, mit der der Begriff "notleidende Banken" zum Unwort des Jahres 2008 gewählt wurde, zeigt eindrücklich den Imageverlust, den das Kreditgewerbe erlitten hat: Dass ausgerechnet die Branche, die die Welt in eine Wirtschaftskrise gerissen hat, mit diesem Ausdruck als bedürftig umschrieben wird, empfinden die Menschen als Hohn. Immerhin 49 Prozent der Bundesbürger sind nach einer Online-Umfrage von TNS Infratest vom Dezember 2008 der Auffassung, die globale Finanzkrise werde noch mindestens ein Jahr andauern. 22 Prozent gehen sogar davon aus, dass die Auswirkungen länger als drei Jahre anhalten werden. Zwei Drittel der Deutschen befürchten als Folge der Bankenkrise eine Depression in Deutschland.

Ähnliche Skepsis zeigt auch eine zeitgleich im Januar veröffentlichte Studie des Kölner Marktforschungsinstituts Psychonomics, die ebenfalls auf einer bevölkerungsrepräsentativen Online-Befragung von 1 000 Personen beruht. Lediglich jeweils sechs Prozent der Gesamtbevölkerung bezeichnen hier ihr Ver trauen in die allgemeine Wirtschaftslage beziehungsweise den Bankenmarkt als groß oder sehr groß. Auffällig dabei ist die große Diskrepanz zwischen der Einschätzung von Experten aus der Finanzbranche und dem Rest der Nation. Denn die Banker demonstrieren nicht nur Vertrauen in die allgemeine Wirtschaftslage, das immerhin 27 Prozent als groß oder sehr groß bezeichnen. Noch optimistischer ist anscheinend ihre Einschätzung der eigenen Branche, zu der immer hin 73 Prozent der Banker großes bis sehr großes Vertrauen be kunden. Nun hat sich zwar - zuletzt bei den Prognosen zum Ausgang der hessischen Landtagswahl - schon öfter gezeigt, dass die Aussagekraft von Online-Umfragen bisweilen höher ist als die klassischer Telefoninterviews. Dennoch stellt sich bei diesem Ergebnis die Frage, wie die Einschätzung der Banker zur Lage ihrer Branche wie auch der Gesamtwirtschaft zu verstehen ist. Verbirgt sich dahinter eine gewisse Trotzhaltung wie beim "Mann, der sich ein Schnitzel briet" von Eugen Roth, der es - obwohl missraten - trotzdem mit Vergnügen isst, "um sich nicht selbst zu strafen Lügen"? Oder ist der zur Schau getragene Optimismus vielleicht nicht sehr viel mehr das berühmte Singen im Dunklen, mit dem man sich (und anderen) in schwierigen Situationen Mut machen will?

Gar so falsch wäre letzteres vermutlich nicht. Denn allzu große Ängstlichkeit auf allen Seiten kann in der aktuellen Situation nur schädlich sein. Wie glaubwürdig und damit wirkungsvoll derzeit eine solche Ermutigung ausgerechnet von Seiten der Kreditwirtschaft sein kann, deren Prognosen selbst zur Lage des jeweils eigenen Hauses sich in letzter Zeit mehr als einmal als unzutreffend erwiesen haben, ist hingegen eine andere Frage. sb

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