Leitartikel

Am Tropf der Technik

sb - Ohne Technik geht im Bankgeschäft schon lange gar nichts mehr. Das wird spätestens dann deutlich, wenn eine IT-Umstellung mit vorübergehenden Einschränkungen der Verfügbarkeit beim Online-Banking, dem Kontoauszugsdruck oder der Bargeldversorgung verbunden ist. Zweifellos ist es auch für andere Unternehmen ärgerlich oder problematisch, wenn die Technik ausfällt. Bei Finanzdienstleistern aber ist die öffentliche Aufmerksamkeit um ein Vielfaches höher, weil Geld nun einmal ein sensibles Thema ist und bleibt. Die IT mag somit nicht geradezu eine Kernkompetenz von Banken und Sparkassen sein. Sie ist aber notwendig, damit die Institute sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren können.

Dabei kann die Branche die technische Entwicklung durchaus als einen Fluch betrachten. Mit der Einführung der Selbstbedienung hat man gewissermaßen Geister gerufen, die man nun nicht mehr los wird. Was mit Geldautomaten und Kontoauszugsdruckern anfing, setzte sich mit Telefon- und Online-Banking bis hin zum Online-Abschluss fort. Und die Entwicklung scheint unumkehrbar. Einmal an die Erledigung seiner Standardgeschäfte ohne persönlichen Kontakt zu seiner Bank gewöhnt, hat sich der Kunde emanzipiert. Längst begnügt er sich nicht mehr damit, nur die Angebote seiner Hausbank über elektronische Kanäle wahrzunehmen, sondern er schaut sich munter auch bei anderen Anbietern um - und greift zu, wenn ihm ein Angebot vernünftig scheint. Der ruinöse Wettbewerb um die Einlagen etwa wäre ohne das Internet in dieser Form kaum denkbar.

Gleichzeitig sind die Kreditinstitute durch die elektronischen Vertriebswege angreifbar geworden. Während die immer weiter zunehmende Kanalvielfalt zumindest bei den Filialbanken eher zulasten der Margen geht, als dass sie Zusatzerträge beschert, müssen gleichzeitig Unsummen in die Sicherheit investiert werden - für die die Kunden kaum Beiträge zu leisten bereit sind. 57 Prozent der Online-Banking-Nutzer wollen Sicherheitsverfahren nur dann nutzen, wenn sie kostenlos sind, so eine aktuelle TNS-Infratest-Studie der Fiducia. Eine Differenzierung im Wettbewerb über technische Innovationen ist kaum möglich - die Halbwertszeit zumindest solcher Neuerungen, die vom Markt auch angenommen werden, ist einfach zu kurz dazu. Wofür der Markt reif ist, das wird schnell kopiert. Und wo eine Innovation nicht erfolgreich ist, heißt es letztlich: Außer Spesen nichts gewesen.

Trotz alledem ist die IT aber nicht nur ein Klotz am Bein. Denn gerade in diesem hochstandardisierten Umfeld können sich Banken nur noch über ihre Beratungsangebote differenzieren. Bei der persönlichen Beratung - sei es nun vor Ort, per Telefon oder im Wege der sich langsam durchsetzenden Videozuschaltung - sind zwar immer noch das geschickte Auftreten des Beraters, sein Draht zu den Kunden und sein Know-how gefragt. Angesichts der gestiegenen Erwartungen an das Produktangebot (Stichwort Open Architecture) nicht mehr nur bei Fonds, sondern zunehmend auch bei Versicherungen, ist aber technische Unterstützung fast unerlässlich. Nur so lässt sich ein einheitlicher Qualitätsstandard der Beratung sicherstellen - und die Einhaltung aller regulatorischer Vorgaben, die vermutlich weiter zunehmen werden. Nur dann, wenn eine Bildschirmmaske einfach nicht weitergeht, sobald ein Feld nicht ordnungsgemäß ausgefüllt wurde, kann garantiert werden, dass der Berater nichts vergisst, was sich später als fatal für sein Haus herausstellen könnte. Natürlich ist all dies auch wieder mit enormen Kosten verbunden. Das Risiko von Fehlberatungsklagen - ganz zu schweigen von einem denkbaren Eingreifen der Aufsicht mit dem entsprechenden Imageschaden wiegt aber vermutlich schwerer. Insofern ist die IT an dieser Stelle durchaus ein Segen. Die Tendenz, dass das Bankgeschäft zunehmend am Tropf der Technik hängt, wird dadurch freilich nur noch verstärkt.

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