Vom Wert der Beratung

"Die teuerste Beratung ist diejenige, die ihre Kosten nicht offenlegt." / Interview mit Gabriele Schmitz

Die Beratung bei Banken und Sparkassen ist stark in die Kritik geraten. Beraten Kreditinstitute wirklich so schlecht?

Tests und Studien haben immer wieder ergeben, dass Banken und Sparkassen sich bei ihren Anlageempfehlungen zu wenig an den Anlagezielen ihrer Kunden orientieren. Es werden in erster Linie die Finanzprodukte verkauft, die den Banken und Sparkassen die höchsten Gewinne bescheren.

Der immer noch hohe Marktanteil der Filialbanken spricht dafür, dass Verbraucher die Möglichkeit, sich beraten zu lassen, immer noch schätzen. Tun sie das zu Unrecht?

Den Verbrauchern ist dringend zu raten, die Empfehlungen der Banken nicht unkritisch zu befolgen, sondern sie von unabhängiger Stelle auf ihre Geeignetheit für ihre individuelle Situation überprüfen zu lassen.

Warum muss die Vergütung beim Abschluss von Finanzprodukten ein Thema sein? Im stationären Handel oder auch bei anderen Dienstleistungen wie dem Friseur ist die Beratung ein Teil der Verkaufsleistung, dessen Kosten und Vergütung aus dem Gesamtpreis nicht hervorgehen. Wenn ich einen Fernseher kaufe, erfahre ich nicht, an welchem Modell der Händler wie viel verdient. Warum muss das bei der Finanzberatung anders sein?

Solange Bankberater dafür belohnt werden, dass sie ihren Kunden teure Lebensversicherungen, riskante Zertifikate oder windige Beteiligungen verkaufen, wird sich an den massiven Schäden durch Falschberatung nichts ändern. Die Verpflichtung zur Offenlegung der Vergütung ist ein Mittel, um den Anreizsystemen in den Instituten entgegen zu wirken.

Die Geldanlageberatung stellt ein Vertrauensgut dar. Eine aufgrund unzureichender Beratung getroffene falsche Entscheidung hat häufig weitreichende - schwer oder gar nicht zu korrigierende - Folgen. Sie kann dazu führen, dass Vermögen, das im Alter benötigt wird, überhaupt nicht oder nicht im erforderlichen Umfang zur Verfügung steht, sodass der Verbraucher seinen Lebensstandard nicht halten kann oder im schlimmsten Fall staatliche Transferleistungen in Anspruch nehmen muss.

Die richtige Altersversorgung ist daher auch von hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung. Demgegenüber sind die Folgen der schlechten Beratung durch den Friseur oder beim Kauf eines Fernsehers ungleich leichter zu verkraften.

Wird die Beratung dadurch besser, dass der Kunde weiß, wie viel die Bank verdient?

Weiß der Kunde, wie viel die Bank an dem empfohlenen Produkt verdient, kann er sehr viel leichter einschätzen, ob die Provisionshöhe der maßgebliche Anreiz für die Bank ist, gerade die fragliche Anlage zu empfehlen.

Hätten die Bankkunden zum Beispiel gewusst, dass für die Vermittlung geschlossener Beteiligungen häufig zwischen zehn und zwanzig Prozent Provision kassiert wird, wäre ihnen deutlich geworden, dass sich ihr Berater in einer Interessenkollision befand zwischen der Erwartung des Kunden an einer seinen Anlagezielen dienenden Geldanlage und dem Gewinninteresse seines Arbeitgebers.

Treffen Verbraucher ihre Anlageentscheidungen wirklich danach, welche Vergütung die Bank bei einem Produktverkauf erhält? Oder entscheiden sie sich nicht vielmehr danach, welches Produkt ihnen in der Beratung als das geeignetste erscheint - auch wenn das Kreditinstitut daran vielleicht etwas mehr verdient?

Der Ausweis dessen, was ein Kreditinstitut an einem empfohlenen Produkt verdient, versetzt den Kunden in die Lage, zu erkennen, welche Interessen aufseiten des vorgeblich ihn beratenden Instituts im Spiel sind. Damit ist ihm zumindest ein Faktor mehr bekannt, der bei seiner Anlageentscheidung eine Rolle spielt, als wenn ihm diese Information vorenthalten würde.

Welcher Umstand schließlich beim Verbraucher den Ausschlag für die zu treffende Entscheidung gibt, ob es die Höhe der zu erwartenden Rendite, die Sicherheit des angelegten Kapitals, das ethische Ziel der Investition oder die Überzeugungskraft der Beraterin oder was auch immer ist, mag unterschiedlich sein.

Das Ziel sollte angesichts der weitreichenden Bedeutung der Entscheidung sein, dass die Verbraucher ihre Entscheidung auf möglichst breiter und zutreffender Tatsachengrundlage treffen und teure Fehler vermeiden.

Woran können sich Verbraucher orientieren? Wie bemisst sich der Wert der Beratung?

Eine gute Beratung setzt zunächst eine sorgfältige Anamnese der Situation und Anlageziele des Verbrauchers voraus. Befragt der Berater/ die Beraterin den Kunden nicht sorgfältig zu seinen Einkommens-, Vermögens- und Lebensverhältnissen sowie zu seiner Lebensplanung und seiner Risikobereitschaft, ist es reine Glückssache, wenn die empfohlene Anlage keinen größeren Schaden anrichtet. Es wird nicht selten Aufklärung zu betreiben sein, da viele Verbraucher nur über geringe wirtschaftliche Kenntnisse verfügen, um Anlagen selbst einschätzen zu können und zu beurteilen, welche gut für sie ist. Es sind Informationsdefizite zu beheben. Dem Verbraucher muss zum Beispiel deutlich gemacht werden, dass die Höhe der mit der Geldanlage zu erzielenden Rendite nicht zuletzt vom Markt umfeld (unter anderem der Inflation) abhängt.

Nur eine Empfehlung, die zur Lebenssituation des Verbrauchers "passt", seine Risiken absichert, ihn nicht zu lange bindet, ihm die nötige Flexibilität belässt, ihn nicht mit zu hohen Kosten belastet, ihn vor Geldentwertung und Kapitalvernichtung bewahrt, ihm nur die Risiken aufbürdet, die er einzugehen bereit und in der Lage ist, ist Ausdruck einer guten Beratung.

Die Diskussion um Offenlegungspflichten oder auch Honorarberatung könnte zu einem Wettbewerb um die billigste Beratung führen. Sehen Sie diese Gefahr? Und welche Auswirkungen hätte das auf die Beratungsqualität?

Derzeit ist jedenfalls festzustellen, dass die teuerste Beratung diejenige ist, die ihre Kosten nicht offen legt.

Welchen Wert haben Beratungstools im Internet?

Günstigenfalls bieten sie neutrale, verständliche Informationen. Andererseits sind für derartige Selbstinformationsangebote Haushalte mit niedrigem Bildungsniveau eher nicht ansprechbar. Diese sind besonders auf eine diesen Namen verdienende persönliche Beratung angewiesen.

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