Vom Wert der Beratung

"Die Art der Vergütung sagt nichts über die Qualität der Beratung aus" / Interview mit Markus Ferber

Mit MiFID II wird die Anlageberatung neu reguliert. Was macht die Beratung durch Banken im Vergleich zur Beratung, die in anderen Branchen geleistet wird, so regulierungsbedürftig?

Bei einem Autokauf oder beim Abschluss eines Handy-Vertrags kann man Produkte gleicher Leistung über den Preis genau vergleichen. Bei Finanzprodukten können Verbraucher jedoch nicht ohne Weiteres erkennen, wie viel von dem investierten Geld in der Geldanlage direkt ankommt. Der Vertrieb eines Finanzproduktes ist wesentlich beeinflusst von Vermittlungskosten und individuellen Ansprüchen des Kunden. Deswegen muss dem Kunden künftig die bestmöglichste Information über entsprechende Dienstleistungen und die Ausführung ihrer Aufträge zur Verfügung stehen. Künftig muss der Kunde vor Abschluss des Geschäfts vom Berater alle Informationen über die Risiken des Produkts erhalten. Denn nur, wenn dem Kunden alle Informationen offen gelegt werden, kann er eine fundierte Entscheidung treffen und weiß woran er ist. Die neuen Transparenzregeln sind enorm wichtig, um verloren gegangenes Vertrauen beim Kunden wieder zurückzugewinnen und ihn vor unnötigen und zu risikoreichen Abschlüssen zu schützen.

Welchen Wert hat Finanzberatung - nur für den einzelnen Kunden, aber auch im weiteren Kontext?

Für den einzelnen Kunden spielt Finanzberatung im Leben eine besondere Rolle, ob bei der allgemeinen Anlageberatung oder bei der Aufnahme eines Kredits für ein Eigenheim oder für den Kauf eines Autos. Im weiteren Kontext spielt die private Altersvorsorge heute eine entscheidende Rolle. Denn schlechte Beratung bei der Altersvorsorge kommt dem Verbraucher irgendwann wohlmöglich teuer zu stehen. Wenn jemand privat fürs Alter vorsorgt, dann muss er auch sicher gehen können, dass das Geld gut angelegt ist und er später davon profitieren wird.

Wird die Beratung - von einzelnen Negativbeispielen abgesehen - diesem Anspruch im Großen und Ganzen gerecht?

Schwarze Schafe gibt es überall. Seit der Finanzkrise ist dies sehr deutlich geworden. Das Grundübel, dass Banken und Bankberater nicht Produkte empfohlen haben, die für den Kunden geeignet sind, sondern solche, an denen die Bank am meisten verdienen, hat auf die ganze Branche ein schlechtes Licht geworfen. Die sogenannte "Lehman-Oma" - bei der die Bankberater nicht das beste Produkt, sondern die Papiere an denen sie am meisten verdient haben, verkauften - darf es in Zukunft nicht mehr geben. Nur durch mehr Transparenz und mehr Information in der Anlageberatung lässt sich verlorengegangenes Vertrauen für die gesamte Branche zurückgewinnen.

Wie hat die öffentliche Diskussion um Fehlberatung und Fehlberatungsanreize dazu geführt, die Wertschätzung der Beratung - im Hinblick auf Sinn und Unsinn, aber auch ein angemessenes Honorieren der Beratungsleistung - seitens der Verbraucher verändert?

Anleger wollen ernst genommen werden und passende Produkte angeboten bekommen. Der Verbraucher ist natürlich sensibilisiert und kritischer geworden, er vergleicht die Angebote und informiert sich viel intensiver über ein Produkt. Was ja auch richtig ist.

Erhöht die Pflicht zur Offenlegung von Provisionen tatsächlich den "Wert", im Sinne der Qualität, der Beratung? Oder ist damit für den Kunden nicht einfach nur ein Entscheidungskriterium mehr eingeführt ("Eignet sich das Produkt für mich?" und "Verdient die Bank daran zu viel?"), das die Entscheidung eher erschwert?

Ziel ist es, Produkte für den Verbraucher und das Anlegerinteresse bereitzustellen und nicht für den Vertrieb. Schon bei der Produktentwicklung muss das Interesse des Verbrauchers im Mittelpunkt stehen und nicht, wie der Vertrieb am meisten Geld mit dem Verkauf eines Produkts verdienen kann. Transparenz ist hier das Zauberwort! Denn eine qualitativ hochwertige Beratung hängt wesentlich davon ab, ob bei der Beratung die Anlageziele und die Risikobereitschaft des Kunden berücksichtigt werden und dieser am Ende in das Produkt investiert, das am besten zu seinen Bedürfnissen passt.

Sind Preisvergleiche bei der Finanzberatung im Hinblick auf die Beratungskosten anzustreben?

Meiner Meinung nach machen Preisvergleiche hinsichtlich der Beratungskosten wenig Sinn, weil dann auch alle Produkte konkret vergleichbar sein müssten.

Die Bereitschaft der privaten Kunden, für Beratung ein Honorar zu zahlen, ist sehr gering. Ist das ein Indiz dafür, dass Verbraucher den Wert der Beratung für begrenzt halten?

Der Gang zum Honorarberater, der die Produktpalette vergleicht und dem der private Anleger für seine Dienstleistung Geld bezahlt, ist eher selten in Deutschland. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass in Deutschland die Bankberatung auf Honorarbasis weniger ausgeprägt ist als beispielsweise in Großbritannien und in den Niederlanden.

Ich bin der Meinung, dass der Verbraucher durchaus weiß, dass Beratung ihren Wert hat. Fühlt sich der Kunde gut beraten, ist er auch bereit, die qualitativ hochwertige Beratungsleistung angemessen zu honorieren. Die Honorarberatung soll den Verbrauchern als Alternative zum Provisionsmodell zur Verfügung stehen.

Weshalb hat das EU-Parlament auf ein Verbot der Beratung auf Provisionsbasis verzichtet?

Ein generelles Provisionsverbot wird keine bessere Anlageberatung für den Verbraucher schaffen. Ein ausreichender Verbraucherschutz ist ohne Zweifel wichtig. Was wir aber auch brauchen, ist eine qualitativ hohe Beratung und die lässt sich nicht durch ein pauschales Verbot erreichen.

Daher ist mein Ansatz, mehr Transparenz zu schaffen. Der Kunde muss ausreichend und transparent informiert werden, ob die Beratung gegen Entgelt erbracht wird und welche Gebühren sich damit verbinden. Außerdem ist es wichtig sicherzustellen, dass weder Gehaltsstrukturen noch Provisionen Anreize erhalten, dass ein Berater im Eigeninteresse und nicht im Interesse des Kunden berät. Auch dies muss künftig von den Kunden sichergestellt werden.

Das heißt aber nicht, dass Provisionen nicht auch verboten werden können. Allerdings denke ich, dass dies nicht auf europäischer Ebene, sondern subsidiär geregelt werden sollte. Es muss darauf geachtet werden, dass gewachsene Strukturen in den einzelnen Mitgliedsstaaten nicht übergangen werden. Das führt zu mehr Problemen, als es dem Verbraucher und den Beratern nutzt. Die Mitgliedsstaaten müssen, abhängig vom nationalen Beratungsmodell entscheiden, ob Provisionen verboten werden sollen oder nicht.

Würde die Unterscheidung in "abhängige" und "unabhängige" Beratung die Bankberatung aus Kundensicht entwerten?

Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, dass unabhängige Berater keinerlei Gebühren oder Provisionen annehmen dürfen. Problem hier aus meiner Sicht ist, dass die Formulierung "unabhängiger" auch negativ konnotiert sein kann. Die Angabe "unabhängig", also die Art der Vergütung, ob Honorar oder nicht, sagt nichts über die Qualität der Beratung aus. Deswegen halte ich es für den klügeren Ansatz, die Bankberater, wie es sie heute gibt, nicht generell infrage zu stellen. Deswegen haben wir die Unterscheidung beibehalten und gleichzeitig noch die Anforderungen für die unabhängige Beratung erhöht.

Welche Änderungen an dem ursprünglichen MiFID II-Entwurf hat das EU-Parlament sonst noch beschlossen?

Weitere Kernpunkte der Überarbeitung von MiFID und MIFIR sind die Entschleunigung des Hochfrequenzhandels, die Eindämmung von massiver Spekulation auf Warenterminmärkten und die Möglichkeit einer Produktintervention. Spielwaren und Lebensmittel unterliegen in der EU einer strengen Prüfung. Waren dürfen erst auf den Markt kommen, wenn klar ist, dass sie gesundheitlich unbedenklich sind. Finanzprodukte hingegen unterliegen keiner Prüfung, die feststellt, ob ein angebotenes Produkt sinnvoll und für den Markt unbedenklich ist.

Ich plädiere deswegen für eine Vorabverbotsmöglichkeit von unlauteren und schädlichen Finanzprodukten. Damit gehen wir als Parlament einen großen Schritt weiter als die Kommission in ihrem Vorschlag. Es muss möglich sein, dass Finanzprodukte die gefährlich werden könnten, schon vorab geprüft werden und gar nicht erst auf den Markt kommen können.Beim Hochfrequenzhandel sind wir als Parlament mit unseren Forderungen ebenfalls deutlich strenger als der Kommissionsvorschlag.

Bislang ist der Bereich des ultraschnellen Börsenhandels überhaupt nicht reguliert. Zur Entschleu nigung des Hochfrequenzhandels fordern wir Mindesthaltefristen von 500 Millisekunden für Orders und Gebühren für einzelne Handelsaktivitäten. Damit soll das permanente Platzieren und Zurückziehen von Orders, ohne dass wirkliche Transaktionen stattfinden, deutlich reduziert werden. Nur so bekommen wir den Hochfrequenzhandel in den Griff und das rein spekulative Geschäft mit ultraschnellen Transaktionen verliert seinen Reiz.

Auch das Thema Warenterminmärkte spielt in der MiFID-Richtlinie eine wichtige Rolle. Wir wollen den spekulativen Anteil an den Warenterminmärkten reduzieren, ohne den Markt an sich zu stören. Das Zauberwort heißt "Positionslimits". Der im Parlament verabschiedete Kompromiss sieht eine strikte Obergrenze für die Anzahl von Kontrakten oder Positionen vor. Ein Automobilhersteller hat ein reales Interesse, dass er Stahl bekommt. Er sollte den Stahlpreis also auch über Termingeschäfte absichern können. Ein Hedgefonds, der lediglich auf die Preisentwicklung des Stahls spekuliert, braucht keinen Stahl und wird ihn auch am Ende nicht einkaufen. Solche rein spekulativen Geschäfte sollen über Positionslimits beschränkt werden.

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